Alsenz (Rheinland-Pfalz)

RheinhessenDonnersbergkreis  Alsenz ist eine von ca. 1.700 Menschen bewohnte Kommune im Donnersbergkreis; sie ist Verwaltungssitz der Verbandsgemeinde Alsenz-Obermoschel – knapp 20 Kilometer südlich von Bad Kreuznach bzw. nördlich von Rockenhausen gelegen (Ausschnitt aus hist. Karte von 1905, aus: wikipedia,org CCO  und  Kartenskizze 'Donnersbergkreis', aus: TUBS 2008, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Die ersten jüdischen Familien wurden spätestens nach Ende des Dreißigjährigen Krieges im Dorf Alsenz ansässig; doch schon während des Krieges haben sich vorübergehend Juden hier aufgehalten. Anfang des 18.Jahrhunderts wohnten in Alsenz zeitweise mehr als 20 jüdische Familien, die Schutzbriefe der Landesherrschaft besaßen. Außer Schutzgeldzahlungen mussten die Familien auch Leib- und Warenzoll entrichten. Um eine Begrenzung der jüdischen Einwohner zu erreichen, verlangten um 1730 Alsenzer Bürger von der Regierung, keine weiteren Juden mehr zuzulassen, da die Untertanen „wegen des bekannten großen Wuchers völlig ruiniert werden möchten”, allerdings waren ihre Bemühungen vergeblich. Mit zunehmendem Handel und Kreditgeschäft waren viele Bauern des Umlandes bei Juden hoch verschuldet. Insgesamt lebten aber die meisten jüdischen Bewohner in sehr bescheidenen Verhältnissen, und nur wenige Familien brachten es zu einem gewissen Wohlstand.

Etwa seit 1670/1680 hatte Alsenz eine jüdische Gemeinde; ihre Gottesdienste hielt diese über viele Jahrzehnte hinweg in Privathäusern ab. In den 1760er Jahren erbaute die Alsenzer Judenschaft eine Synagoge auf dem Kirchberg, die bis zur Auflösung der Gemeinde bestanden hat. Der spätbarocke, aus Buntsandstein erstellte Synagogenbau wurde 1765 eingeweiht und trug über seinem Eingang die Weihinschrift: „Das ist das Tor des Herrn, die Gerechten werden dort einziehen (Psalm 118,20).“ In dem Gebäude befanden sich auch die Schule und die Lehrerwohnung, im rückwärtigen Teil war eine Mikwe angeschlossen.

               Synagogengebäude Alsenz (hist. Aufn. um 1930/1935)

Anmerkung: Ursprünglich war der Fußboden des Betsaales einige Stufen unter dem des heutigen Niveaus; so konnte damals auch eine Frauenempore eingebaut werden; mit der Höherlegung des Bodens wurde die Frauenempore dann um 1850 entfernt.

Bild „Im Labyrinth der Zeiten" – 08 Hochzeitsstein Alsenz, 1765 Hochzeitsstein von der Synagoge Alsenz, Jüd. Museum München (Aufn. Julia Hoffmann)

Seit 1830 unterhielt die jüdische Kultusgemeinde auch eine eigene kleine Schule, die jedoch die finanziellen Mittel der Gemeinde überstieg. Als man deswegen die Kommune aufforderte, einen Teil der Unterhaltungskosten zu tragen, kam es zu langjährigen Auseinandersetzungen.

Stellenangebot aus dem Jahre 1864 

Während des Ersten Weltkrieges wurde die Schule wegen Schülermangels geschlossen.

Verstorbene wurden auf einem Gelände am Goldgraben bestattet, das seit Beginn des 18.Jahrhunderts als Begräbnisstätte zur Verfügung gestanden hatte und 1868 bzw. 1905 erweitert wurde; der älteste vorhandene Grabstein datiert aus dem Jahr 1710.

Die Synagogengemeinde Alsenz gehörte zum Bezirksrabbinat Kaiserslautern.

Juden in Alsenz:

    --- um 1675 ........................   4 jüdische Familien,

    --- um 1700 ........................   8     “       “    ,

    --- 1731 ...........................  22     “       “    ,

    --- 1762 ...........................  17     “       “    ,

    --- 1788 ...........................   8     “       “    ,

    --- 1802 ...........................  53 Juden (ca. 5% d. Bevölk.),

    --- 1834 ...........................  96   “  ,

    --- 1846 ........................... 102   “   (in 22 Familien),

    --- 1865 ...........................  81   “  ,

    --- 1880 ...........................  80   “  ,

    --- 1900 ...........................  60   “  ,

    --- 1910/12 ........................  41   “  ,

    --- 1925 ...........................  26   “   (ca. 2% d. Bevölk.),

    --- 1933 ...........................   9   “  ,

    --- 1936 ...........................  16   “  ,

    --- 1939 ...........................   5   “  ,

    --- 1941 ...........................   keine.

Angaben aus: August Kopp, Die Dorfjuden der Nordpfalz - dargestellt an der Geschichte ..., S. 429/430                                  

 

Um 1850 erreichte die Zahl der jüdischen Familien ihren höchsten Stand; ihre Integration in die örtliche Gesellschaft zeigte sich u.a. darin, dass 1861 erstmals ein jüdischer Bürger in den Gemeinderat gewählt wurde.

   Kleinanzeige aus: "Der Israelit" vom 7.Febr. 1872  https://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20158/Alsenz%20Israelit%2007021872.jpg

Gegen Ende des 19.Jahrhunderts gingen viele jüdische Familien aus Alsenz fort. Schließlich lebten nur noch sehr wenige Juden am Ort, so dass die Gemeinde sich auflöste. 1933 wurde das Synagogengebäude an einen ortsansässigen Landwirt verkauft, der es vornehmlich als Lagerschuppen nutzte.

Während der „Reichskristallnacht“ wurden auch die beiden von Juden bewohnten Häuser verwüstet; verantwortlich dafür waren von auswärts herantransportierte Angehörige des Reichsarbeitsdienstes, die mit Eisenstangen und Vorschlaghämmern das Inventar zerschlugen. Die letzten noch in Alsenz lebenden jüdischen Einwohner mussten sich im Oktober 1940 den Deportationstransporten nach Gurs anschließen.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." wurden 15 in Alsenz geborene bzw. länger am Ort ansässig gewesene jüdische Bewohner Opfer der Shoa (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/alsenz_synagoge.htm).

 

Der jüdische Friedhof in Alsenz mit seinen mehr als 100 Grabsteinen wurde nach Kriegsende wieder in einen ansehnlichen Zustand versetzt.

Jüdischer Friedhof Alsenz 04.jpg

Jüdischer Friedhof Alsenz und zwei alte Grabmale (Aufn. AK, 2018, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)

Das ehemalige Synagogengebäude am Kirchberg - es hatte lange Zeit leer gestanden - wurde Anfang der 1980er Jahre unter Denkmalschutz gestellt. Es zählt heute zu den wenigen nicht-zerstörten jüdischen Gotteshäusern in Rheinland-Pfalz. Erworben von privater Hand, wurde es in den folgenden Jahren restauriert; im rückwärtigen Teil ist die Mikwe erhalten.

https://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20259/Alsenz%20Synagoge%20174.jpgEhem. Synagoge (Aufn. J. Hahn, 2010)

          Der Aron ha-Kodesch (hist. Aufn., Hist. Museum der Pfalz) befindet sich heute im Historischen Museum in Speyer.

Bei den Sanierungsarbeiten des ehemaligen Synagogengebäudes wurden auf dem Dachboden Reste einer Genisa entdeckt.

                    http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20319/Alsenz%20Genisa%20010.jpg Fundstück aus der Alsenzer Genisa (aus: Geniza-Projekt, Johannes Gutenberg-Universität Mainz, 2011)

Ein „Stolperstein“ etwas anderer Art erinnert am Gottscho-Platz* an vier ehemalige jüdische Bewohnerinnen von Alsenz, die sich im Okt. 1940 den Deportationstransporten nach Gurs anschließen mussten.

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20324/Alsenz%20Gedenkstein%20010.jpg "Stolperstein" (Aufn. M. Ohmsen, 2012, aus: panoramio.com)

* Anm.: Friedrich Gottscho wurde 1889 in Alsenz geboren; seine Familie übersiedelte später nach Berlin. Er wurde im Okt. 1941 nach Lodz deportiert, wo er wenig später im Ghetto ums Leben kam.

 

 

In Gaugrehweiler, heute ein Ortsteil der Verbandsgemeinde Alsenz-Obermoschel, gab es ebenfalls eine kleine jüdische Gemeinde.

[vgl. Gaugrehweiler (Rheinland-Pfalz)]

 

 

Auch im südwestlich von Alsenz gelegenen Waldgrehweiler - heute gleichfalls ein Ortsteil von Alsenz-Obermoschel - existierte im 19.Jahrhundert eine jüdische Gemeinde, deren Wurzeln bis ins beginnende 18.Jahrhundert zurückreichen. Ihren Zenit erreichte die Gemeinde um 1848 mit ca. 50 Angehörigen. Um 1810 richteten die hier lebenden Familien eine Synagoge ein, in der es auch einen Schulraum gab; eine Mikwe soll sich ganz in der Nähe befunden haben. Verstorbene wurden zunächst auf dem jüdischen Friedhof in Teschenmoschel, nach 1820/1830 auf einem in Waldgrehweiler geschaffenen Begräbnisgelände beerdigt. Um 1900 lebten noch fünf jüdische Bewohner im Dorf. Zu dieser Zeit war das Synagogengebäude bereits verkauft. Die Gemeinde wurde 1893 aufgelöst. Das späterhin als Scheune benutzte ehemalige jüdische Gotteshaus wurde in den 1960er Jahren abgebrochen.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." wurden sechs aus Waldgrehweiler stammende jüdische Bewohner Opfer der Shoa (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: juden-in-baden.de/waldgrehweiler_synagoge.htm).

Auf dem kleinen jüdischen Friedhofsgelände findet man heute noch ca. 15 Grabstelen, die sich in einem beklagenswerten Zustand befinden.

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20259/Waldgrehweiler%20Friedhof%20170.jpg Jüdischer Friedhof in Waldgrehweiler (Aufn. J. Hahn, 2010)

 

 

Weitere Informationen:

Robert Kopp, Geschichte der Gemeinde Alsenz, Alsenz 1928

August Kopp, Die Dorfjuden der Nordpfalz - dargestellt an der Geschichte der jüdischen Gemeinde Alsenz ab 1655, Meisenheim a. Glan 1968

Eugen Rapp, Die Juden von Alsenz, in: Ortsgemeinde Alsenz (Hrg.), 1200 Jahre Alsenz - Beiträge zur Geschichte und Gegenwart der Gemeinde, Alsenz 1976, S. 386 - 388

Eugen Zepp, Die Alsenzer Synagoge hat 220 Jahre überdauert, in: "Die Rheinpfalz - Ausgabe Rockenhausen" vom 19.9.1985

Ernst Röder, Der Chuppa- oder Hochzeitsstein an der Synagoge in Alsenz, in: "Donnersberg-Jahrbuch 1986", S. 121 f.

Rainer Schlundt, Waldgrehweiler. Chronik eines Dorfes, Ottenbach 1987, S. 30 f.

Hermann Arnold, Juden in der Pfalz - Vom Leben pfälzischer Juden, Pfälzische Verlagsanstalt, Landau 1988, S. 117 - 119

Dirk Melzer, Die Reichskristallnacht in Alsenz und Obermoschel - Versuch einer Rekonstruktion. Facharbeit Geschichte Gymnasium Bad Kreuznach, 1987/1988

Karl Fücks/Michael Jäger, Synagogen der Pfälzer Juden. Vom Untergang ihrer Gotteshäuser und Gemeinden, Hrg. Jüdische Kultusgemeinde der Rheinpfalz, Neustadt/Weinstraße 1988, S. 48/49

Karin Zimmer-Knerr, Ein barockes Baudenkmal - Die ehemalige Synagoge zu Alsenz, in: "Donnersberg-Jahrbuch 1990", S. 178 f.

Nordpfälzer Geschichtsverein (Hrg.), Jüdisches Leben in der Nordpfalz - Dokumentation, Verlag F.Arbogast, Otterbach 1992, S. 26/29 und S. 55 - 57

Jack H. Honig, Einer erhob die Stimme. Der Lehrer Hugo Hahn und die Reichspogromnacht in Alsenz, in: "Donnersberg-Jahrbuch 1993", S. 186/187

The Encyclopedia of Jewish Life before and during the Holocaust (Vol. 1), New York University Press, Washington Square, New York 2001, S. 31

Alsenz, in: alemannia-judaica.de (mit Dokumenten zur jüdischen Ortshistorie)

Otmar Weber, Die Synagogen in der Pfalz von 1800 bis heute: unter besonderer Berücksichtigung der Synagogen in der Südwestpfalz, Hrg. Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Pfalz (Landau), Dahn 2005, S. 41

S. Fischbach/I. Westerhoff (Bearb.), “ ... und dies ist die Pforte des Himmels “ Synagogen. Rheinland-Pfalz Saarland, Hrg. Landesamt für Denkmalpflege, Mainz 2005, S. 69 – 72 und S. 37

Klaus Knerr, Betrachtungen zur Geschichte der jüdischen Gemeinde Alsenz und ihrer Synagoge, hrg. vom historischen Verein der Nordpfalz, Alsenz 2007

Andreas Lehnhardt (Bearb.), Geniza-Projekt Alsenz, Johannes Gutenberg-Universität Main (2022), online abrufbar unter: blogs.uni-mainz.de/fb01genizatalsenz/