Aufseß (Oberfranken/Bayern)

Datei:Hollfeld in BT.svg Aufseß ist heute eine kleine Kommune mit ca. 1.300 Einwohnern im oberfränkischen Landkreis Bayreuth, die der Verwaltungsgemeinschaft Hollfeld angehört - gelegen ca. 30 Kilometer westlich der Kreisstadt (Kartenskizze 'Landkreis Bayreuth', TUBS 2008, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Eine erste Ansiedlung jüdischer Familien in dem kleinen Dorf Aufseß, auch Oberaufseß genannt, soll bereits im 14.Jahrhundert erfolgt sein. Gesicherte Hinweise gibt es darüber, dass sich im ausgehenden 17.Jahrhundert hier eine jüdische Gemeinde bildete. Die protestantischen Herren von Aufseß nahmen einige Judenfamilien (aus Burgellern*) unter ihren "Schutz", stellten ihnen kleine Wohnhäuser zur Verfügung und übereigneten ihnen ein Gebäude zur Einrichtung einer Synagoge, die ab 1699 bestand; auch ein Begräbnisplatz wurde ihnen zugewiesen. Ein detailliert ausgearbeitetes Statut der Freiherren von Aufseß regelte seit 1772 das Leben der Juden im Ort.

* In Burgellernheute ein Ortsteil von Scheßlitz - haben jüdische Familien wohl schon im späten Mittelalter gelebt. Bis Ende des 17.Jahrhunderts gehörte die kleine israelitische Gemeinschaft zum Rabbinat Zeckendorf und nutzte die dortigen Gemeindeeinrichtungen wie Synagoge und Friedhof. Im Gefolge einer aus Bamberg ausgehenden Verfolgungswelle (1699) wurden die jüdischen Familien aus ihrem Heimatdorf vertrieben; einige fanden in Aufseß, andere in Neustadt/Aisch eine Zuflucht.

In der Pfarrchronik von Aufseß aus dem Jahr 1831 wird wie folgt berichtet: "... Die ersten Judenfamilien haben sich zu Oberaufsees beiläufig in der ersten Hälfte des 17.ten Jahrhunderts angesiedelt und stammen von denjenigen Familien, welche aus Burg Ellern ... vertrieben wurden, ... Im Jahre 1722 erkauften diese von dem Freyherren von Aufsees Karl Heinrich das Schüthaus ... zur Einrichtung einer Synagoge. Obwohl zu dieser Zeit etwa 7 - 8 Juden-Familien hier wohnten und auch selbst diese arm waren, hielten sie sich doch einen Vorsänger und Schulmeister. ... Um eben diese Zeit erhielten sie auch von ihrem gnädigsten Schutzpatron einen Platz angewiesen zur Begräbnis-Stelle. Früher aber wurden ihre Todten nach Heiligenstadt begraben. ... Überhaupt nehmen sich ihre Schutzherren ihrer stets wahrhaft väterlich an. Sie halfen ihnen allseits zu ihrer Nahrung; predigten ihnen einen besseren Wandel; warnten vor Unvorsichtigkeiten u. dergl.; mahnten sie zur fleißigen Nutzung ihres jüdischen Gottesdienstes, u. als einige Mitglieder aus Trotz ihre Synagoge nicht besuchten, ließ der gnädige Herr diese mit dem Büttel in die Synagoge transportieren. ...”  (aus: Lorenz Kraussold, Fortlaufende Pfarr Chronica anfangend v. Jahr 1831 ...)

Im 18.Jahrhundert besaß die hiesige Judenschaft einen eigenen „Judenschultheiß“, der sein Amt entsprechend einer detaillierten Gemeinde- und Religionsverfassung ausübte. Um 1750 war die Gemeinde derart verarmt, dass die Ortsherrschaft drohte, den Schutzbrief für die Juden aufzuheben, da dieser ihr keinen finanziellen Nutzen mehr brachte. In den Folgejahrzehnten besserte sich die wirtschaftliche Lage der Juden, was dazu führte, dass die jüdische Dorfbevölkerung bis 1860 anwuchs.

Um 1900 wurde eine neue Synagoge eingeweiht; eine jüdische Elementarschule war bereits zwei Jahrzehnte zuvor eröffnet worden. Auch eine Mikwe gab es am Ort.

  Synagoge Aufseß (hist. Aufn.) u. Anzeige vom Dez. 1871

Der jüdische Friedhof von Aufseß - um 1700 mit Erlaubnis der Ortsherrschaft angelegt - lag oberhalb des Dorfes inmitten von Feldern im Flurstück „Föhrenteich“. Auf ihm fanden auch Verstorbene aus Hollfeld und zeitweise auch aus Bayreuth ihre letzte Ruhestätte. In den Zeiten zuvor hatte der jüdische Friedhof in Heiligenstadt den verstorbenen Aufsesser Juden als letzte Ruhestatt gedient.

Aufseß Jüdischer Friedhof 013.JPGalte Grabsteine (Aufn. Jan Eric Loebe, 2011, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

Unmittelbar nach der Jahrhundertwende erfolgte die Zusammenlegung der Gemeinden Aufseß und Heiligenstadt – zu einer Zeit, in der in Aufseß noch zwölf jüdische Familien lebten. Anfang der 1930er Jahre schlossen sich dann die wenigen Juden aus Aufseß der Synagogengemeinde Bamberg an.

Juden in Aufseß:

         --- 1753 ........................  62 Juden,

    --- 1809/10 .....................  85   “  (ca. 26% d. Dorfbev.),

    --- 1840 ........................ 105   “  (ca. 17% d. Dorfbev.),

    --- 1852 ........................ 104   “  ,

    --- 1864 ........................ 115   “  ,

    --- 1875 ........................  67   “ (ca. 7% d. Dorfbev.),

    --- 1890 ........................  46   “  ,

    --- 1900 ........................  56   “  ,

    --- 1910 ........................  44   “  (ca. 6% d. Dorfbev.),

    --- 1925 ........................  20   “  ,

    --- 1933 ........................  11   “  ,

    --- 1938 (Nov.) .................   5   “  ,

    --- 1939 (März) .................   3   “  .

Angaben aus: Klaus Guth (Hrg.), Jüdische Landgemeinden in Oberfranken (1800 - 1942), S. 92

und                 Peter Landendörfer, Aufseß, in: Jüdisches Leben in der Fränkischen Schweiz, S. 521

Aufseß - Stahlstich um 1840 (aus: commons.wikimedia.org, gemeinfrei)

 

Laut der Matrikellisten waren für Aufseß Mitte der 1820er Jahre insgesamt 17 Stellen ausgewiesen. Betrieben die in Aufseß lebenden Juden zunächst Handelsgeschäfte, so übten sie ab den 1830er Jahren zunehmend auch Handwerkerberufe aus. Dies führte jedoch zu heftigen Streitigkeiten mit den bereits ansässigen christlichen Handwerkern. Folge der schlechten wirtschaftlichen Situation war, dass um 1865/1875 ein Teil der Aufsesser Juden abwanderte. Anfang des 20.Jahrhunderts war der Viehhandel für die verbliebenen Juden der wichtigste Erwerbszweig.

Zu Beginn der NS-Zeit lebten nur noch elf jüdische Bewohner im Dorf. Diese mussten dann miterleben, wie im März 1933 ihre Wohnungen von SA-Angehörigen aus Heiligenstadt durchsucht wurden.

Die Novembertage des Jahres 1938 brachten das Ende der Aufsesser Judenschaft: ca. 50 SA- und SS-Angehörige aus Bayreuth nahmen die fünf noch am Ort lebenden Juden fest, drangen in ihre Wohnungen ein und zerschlugen Mobiliar. Bei der anschließenden Plünderung sollen auch HJ-Mitglieder beteiligt gewesen sein. Vermögenswerte wurden beschlagnahmt und Schuldscheine außer Kraft gesetzt. Das schon seit 1932 nicht mehr genutzte Synagogengebäude blieb unzerstört, da es zwei Monate zuvor an die Gemeindeverwaltung Aufseß verkauft worden war. Die Kultgegenstände waren bereits 1931 der Kultusgemeinde Bamberg übergeben worden. Das Gebäude ging dann bald in Privatbesitz über, wurde aber vom neuen Besitzer bereits 1939 wegen Baufälligkeit abgerissen. Kurz nach dem Novemberpogrom verließen die noch verbliebenen fünf Juden das Dorf; zuvor waren sie genötigt worden, mehreren Aufsesser Bewohnern deren Schulden zu erlassen sowie anschließend ihre Anwesen zu veräußern.

Im „Wiesentbote“ erschien am 31.5.1939 die Kurzmitteilung: „Durch den jüngst erfolgten Wegzug der letzten israelitischen Familien in Aufseß ist der Landkreis Ebermannstadt nunmehr völlig judenrein geworden.“

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem wurden 16 gebürtige bzw. länger im Dorf lebende Juden Opfer der „Endlösung(namentliche Nennung der betreffenden Personen siehe: alemannia-judaica.de/aufsess_synagoge.htm).

Vier Jahre nach Kriegsende fand vor dem Landgericht Bayreuth ein Prozess gegen Beteiligte des Pogroms von 1938 statt. Einige wurden wegen schweren Hausfriedensbruchs und der Freiheitsberaubung zu geringen Haftstrafen verurteilt.

Aufseß Jüdischer Friedhof 003.JPG

Älterer und jüngerer Teil des jüdischen Friedhofs in Aufseß (Aufn. Jan Eric Loebe, 2011, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

Das jüdische Friedhofsareal – es besitzt eine Größe von etwa 1.200 m² – ist von einer Betonmauer umschlossen; es soll künftig unter Denkmalschutz gestellt werden (Stand 2023).

Neben der Begräbnisstätte mit ihren 143 noch vorhandenen Grabsteinen - erinnert auch das 1898 eingerichtete „Judenbad“ (Mikwe) an die ehemalige jüdische Gemeinde von Aufseß.

 

 

In Hollfeld – ca. 20 Kilometer westlich von Bayreuth – existierte im 13.Jahrhundert eine jüdische Gemeinde, die nach urkundlicher Überlieferung anlässlich der „Rindfleisch-Verfolgung“ (1298) Opfer zu beklagen hatte; mehr als 20 Personen sollen damals hier erschlagen worden sein. Ab Mitte des 14.Jahrhunderts bis gegen 1480 haben dann erneut jüdische Familien im Ort gelebt. Aus dieser Zeit zeugt noch das Vorhandensein der "Judengasse" (in der Oberstadt); dort soll in spätmittelalterlicher Zeit auch ein Bethaus gestanden haben. Namentlich bekannt ist der jüdische Sofer („Schreiber“) Mose ben Ascher aus Hollfeld; ein von ihm geschriebenes Manuskript wird in heute Oxford aufbewahrt.

Im Gefolge der Vertreibung der Juden aus dem Hochstift Bamberg (1478) war vermutlich auch das Ende der jüdischen Gemeinde von Hollfeld verbunden.

Eine neuzeitliche organisierte israelitische Gemeinde hat es in Hollfeld nicht gegeben; die wenigen jüdischen Familien trafen sich zum Gottesdienst gewöhnlich in der Aufsesser Synagoge; daneben stand ihnen aber auch ein angemieteter Betraum in Hollfeld zur Verfügung. Die Kinder nahmen am Schulunterricht in Aufseß teil. Einzelne Gräber auf dem jüdischen Friedhof in Aufseß dokumentieren auch die Anbindung der Hollfelder Juden an die Kultusgemeinde Aufseß

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem wurden vier gebürtige Juden Hollfelds Opfer der NS-Gewaltherrschaft (namentliche Nennung der betreffenden Personen siehe: hdbg.eu/juedisches_leben/gemeinde/hollfeld/422).

 

 

 

Weitere Informationen:

Baruch Z. Ophir/F. Wiesemann (Hrg.), Die jüdischen Gemeinden in Bayern 1918 - 1945. Geschichte und Zerstörung, München/Wien 1979, S. 107/108

Adalbert Hollfelder, Über den Judenfriedhof zu Aufseß, in: "Hollfelder Blätter", 5/1980, Heft 3, S. 45 f.

Gerhard Philipp Wolf, Ländliches Judentum in christlichem Umfeld - Zur Geschichte der Juden in Aufseß (19.Jahrhundert), in: "Berichte des Historischen Vereins Bamberg", No.121/1985, S. 117 - 132

Gerhard Philipp Wolf, Zur Frage der Beziehung zwischen Juden und Christen - am Beispiel Aufseß, in: Jüdische Landgemeinden in Franken - Beiträge zu Kultur u. Geschichte einer Minderheit, Hrg. Zweckverband Fränkische Schweiz-Museum Tüchersfeld, 1987, S. 51 f.

Klaus Guth (Hrg.), Jüdische Landgemeinden in Oberfranken (1800 - 1942). Ein historisch-topographisches Handbuch, Bayrische Verlagsanstalt Bamberg, Bamberg 1988, S. 92 - 103

Israel Schwierz, Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayern - Eine Dokumentation, Hrg. Bayrische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit, München 1992, S. 204/205 (Aufseß) und S. 225 (Hollfeld)

Peter Landendörfer, Aufseß, in: Jüdisches Leben in der Fränkischen Schweiz, Schriftenreihe des Fränkische-Schweiz Vereins, Band 11, Palm & Enke, Erlangen 1997, S. 518 - 557

Peter Landendörfer, Einzelne Familien und Persönlichkeiten der Aufsesser Judenschaft, in: Jüdisches Leben in der Fränkischen Schweiz - Schriftenreihe des Fränkische-Schweiz Vereins, Band 11 Palm & Enke, Erlangen 1997, S. 748 - 763

Helmut Paulus, Die ‘Reichskristallnacht’ und die Judenverfolgung in der Gauhauptstadt Bayreuth, in: Historischer Verein für Oberfranken, Archiv für Geschichte von Oberfranken, Bd. 78, Bayreuth 1998 (‘Der Judenpogrom von Aufseß’)

Michael Trüger, Der jüdische Friedhof in Aufseß, in: Der Landesverband der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern, 14.Jg., No. 79/1999, S. 20

Gerhard Philipp Wolf, Ländliches Judentum in christlichem Umfeld – Zur Geschichte der Juden in Aufseß, in: G.Ph. Wolf, Armut – Luthertum – Lutherforschung (Kirchengeschichte Bayerns, Heft 83), Neustadt/Aisch 2004, S. 177 - 192

A. Hager/C. Berger-Dittscheid, Aufseß, in: Mehr als Steine ... Synagogengedenkband Bayern, Band 1, Kunstverlag Josef Fink, Lindenberg/Allgäu 2007, S. 66 - 71

Aufseß, in: alemannia-judaica.de (mit diversen, zumeist personenbezogenen Textdokumenten zur jüdischen Ortshistorie)

Hollfeld, in: alemannia-judaica.de

N.N. (Red.), Zum Verkauf gezwungen. Das Schicksal der letzten fünf Juden von Aufseß, in: „Nordbayrische Nachrichten“ vom 18.11.2010

Manfred Scherer (Red.), Aufseß – Der jüdische Friedhof kommt in die Denkmalliste, in: „Kurier“ vom 12.12.2023