Austerlitz (Mähren)

Mullerova mapa Moravy 11 Slavkov.jpgFile:Map cz Slavkov u Brna kroton.svg - Wikimedia Commons Die südmährische Kleinstadt Austerlitz* - etwa 20 Kilometer östlich von Brünn - ist das heutige tschechische Slavkov u Brna mit derzeit etwa 6.500 Einwohnern (hist. Karte aus: commons.wikimedia.org, gemeinfrei  und  Kartenskizze 'Tschechien' mit Slavkov u Brna rot markiert, aus: wikipedia.org, gemeinfrei).    *Hier fand 1805 die in die Historie eingegangene Schlacht zwischen der Armee Napoleons und den Armeen Österreichs und Russlands statt.

 

In Austerlitz soll es eine der ältesten Judengemeinden Mährens gegeben haben; bereits im 13.Jahrhundert soll hier bereits ein geordnetes Gemeinwesen bestanden haben. Als einer ihrer ersten Rabbiner ist Mose ben Tobia ha-Levi, der Verfasser des Ritenbuches, zu nennen. Die Blütezeit der Gemeinde datiert aus den beiden Jahrhunderten vor dem Dreißigjährigen Krieg. Die Zahl der jüdischen Bewohner vergrößerte sich noch dadurch, dass sich um 1455 aus Brünn ausgewiesene jüdische Familien in Austerlitz niederließen. Die Austerlitzer Juden lebten zunächst ghettoartig in etwa 65 Häusern in der "Judengasse" - später auch außerhalb der „Judenstadt“. Sie besaßen eine Synagoge, ein eigenes Spital und einen Begräbnisstätte außerhalb der Stadt.

An der wirtschaftlichen Entwicklung der Kleinstadt hatten die Juden einen großen Anteil, denn sie wickelten den Handel der Region mit Wein und Hopfen, Webstoffen und Tuchen, Salz u.a. ab. Der Dreißigjährige Krieg führte zu einem Niedergang der Stadt, der auch die Judenschaft traf. Mit ihrer zahlenmäßigen Reduzierung ging auch eine wirtschaftliche Entmachtung einher: Sie verloren z.B. das Monopol auf den Salzhandel, und zudem drückten hohe Steuerlasten. Auch Großbrände und Seuchen im 18./19. Jahrhundert zogen Schaden und Leid nach sich. So wurde bei dem Brand von 1762 ein Großteil der Stadt - darunter auch die Judengasse und Synagoge - in Schutt und Asche gelegt. Der Wiederaufbau wurde durch Spenden anderer mährischer Gemeinden ermöglicht.

Um 1850 wurde die alte Synagoge restauriert und die liberale Form des Gottesdienstes eingeführt. 1857/58 wurde der Bau bereits wieder abgerissen, um einem Neubau Platz zu machen; das auf den Fundamenten der alten Synagoge errichtete Gotteshaus wurde im neuromanischen Baustil errichtet und 1858 eingeweiht.

   

Restauriertes Synagogengebäude - Giebel mit Gesetzestafeln (Aufn. Jitka Erbenová, 2012, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

Nördlich der Stadt - bei der St. Urban-Kapelle - befand sich die jüdische Begräbnisstätte; diese war um 1745 hierher verlegt worden, weil der bis dato bestehende Friedhof (an der Straße nach Zdánice) dem Besitzer des Herrschaftssitzes die freie Aussicht von seinem Schloss versperrte. Ein Teil der Grabsteine wurde umgesetzt.

Ein aus dem 13.Jahrhundert stammender jüdischer Friedhof - angeblich östlich der Stadt gelegen - wurde im ausgehenden 17.Jahrhundert zerstört.

Juden in Austerlitz:

    --- um 1610 ...................... ca.  65 jüdische Haushalte,

    --- um 1650 ...................... ca.  30     “       “     ,

    --- 1789 .............................  72 jüdische Familien,

    --- 1857 ......................... ca. 540 Juden,

    --- um 1925 ...................... ca.  45 jüdische Familien,

    --- 1930 .............................  66 Juden.

Angaben aus: Hugo Gold, Gedenkbuch der untergegangenen Judengemeinden Mährens, S. 9

  Austerlitz - Slavkov. Postkarte um 1900 (Abb. aus: .zvab.com/)

 

Im Jahre 1854 erhielt die Judengemeinde auch den Status einer politischen Gemeinde mit einem Bürgermeister an der Spitze.

Im Herbst 1905 kam es in Austerlitz zu ersten judenfeindlichen Kundgebungen. Kurz nach Ende des Ersten Weltkrieges verlor die Gemeinde ihren politischen Status.

In der NS-Zeit wurden die wenigen jüdischen Einwohner von Austerlitz deportiert; zusammen mit den Juden aus Brünn brachte man sie Ende 1941/Anfang 1942 zunächst nach Theresienstadt und von hier in die Vernichtungslager. Die Einrichtungsgegenstände der Synagoge transportierten die deutschen Besatzungsbehörden nach Prag, um sie dort dem Zentralen Jüdischen Museum zu übereignen.

Ende der 1990er Jahre wurde das restaurierte Synagogengebäude - mit einer kleinen Ausstellung zur Geschichte der hiesigen jüdischen Gemeinde - der Öffentlichkeit wieder zugänglich gemacht; einige hier gezeigte Thorarollen haben die NS-Zeit überstanden.

 

Das ehemalige Synagogengebäude ist heute Sitz des Staatsarchivs Vyskov. Eine Gedenktafel an der Vorderseite des Gebäudes erinnert seit 1998 an die mehr als 120 Holocaust-Opfer von Austerlitz und der nahen Umgebung.

Vom einstigen „Juden-Viertel“ sind bis auf den heutigen Tag noch ca. 30 Häuser erhalten, darunter das Gebäude der Synagoge, der jüdischen Schule und die Mikwe.

Auf dem mit einer Mauer umfriedeten jüdischen Friedhof - dieser befindet sich zwischen landwirtschaftlich genutzten Grundstücken - haben ca. 300 Grabsteine die Zeiten überdauert; die ältesten aus der Zeit um 1735/1740 stammen vom alten Beerdigungsgelände.

  ŽH Slavkov u Brna 14.jpg

 Jüdischer Friedhof in Austerlitz (Aufn. Jitka Erbenová, 2012, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

Seit 1994 erinnert auf dem Friedhofsareal ein Denkmal (Gedenkstein) an die ausgelöschte jüdische Gemeinde.

Stolperstein für Emil Strach.JPG Der bislang einzige sog. "Stolperstein" erinnert seit 2014 an Emil Strach (Aufn. Chr. Michelides, 2015, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0); die Verlegung weiterer Steine ist geplant.

 

 

 

Weitere Informationen:

Heinrich Flesch (Bearb.), Geschichte der Juden in Austerlitz, in: Hugo Gold (Hrg.), Die Juden und Judengemeinden Mährens in Vergangenheit und Gegenwart. Ein Sammelwerk, Jüdischer Buch- und Kunstverlag, Brünn 1929, S.111 - 116

Hugo Gold, Gedenkbuch der untergegangenen Judengemeinden Mährens, Olamenu-Verlag, Tel Aviv 1974, S. 9/10

Germania Judaica, Band III/1, Tübingen 1987, S. 65/66

P.Ehl/A.Parík/Jirí Fiedler, Alte Judenfriedhöfe Böhmens und Mährens, Paseka-Verlag, Prag 1991, S. 167

Jaroslav Klenovský/u.a., The Jews of Austerlitz, Brno 1998 (in tschech. Sprache)

Jewish history of Slavkov u Brna, Hrg. Beit Hatfutsot - The Museum of the Jewish People, online abrufbar unter: dbs.bh.org.il/place/slavkov-u-brnawikipedia.org

The Jewish Community of Dlavkov u Brna, online abrufbar unter. dbs.anumuseum.org.il/skn/en/c6/e244469/Place/Slavkov_u_Brna

Liste der verlegten Stolpersteine, online abrufbar unter: wikipedia/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Slavkov_u_Brna