Colmberg (Mittelfranken/Bayern)

Datei:Colmberg in AN.svg Der mittelfränkische Markt Colmberg (Landkreis Ansbach) mit derzeit ca. 2.100 Bewohnern (mit eingemeindeten Ortsteilen) liegt im oberen Altmühltal - zwischen Rothenburg o.T. und Ansbach (Kartenskizze 'Landkreis Ansbach', Hagar 2010, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Gegen Mitte des 19.Jahrhunderts war jeder dritte Dorfbewohner Colmbergs jüdischen Glaubens.

Erstmals wurde ein Jude in Colmberg im Jahre 1402 erwähnt; erst mehr als ein Jahrhundert später ist erneut von jüdischen Dorfbewohnern die Rede, die auf Grund von „Ausschaffungsdekreten“ auch aus Colmberg zeitweilig vertrieben wurden; ab den 1580er Jahren sollen dann keine Juden mehr im Dorf gewohnt haben. Erst während des Dreißigjährigen Krieges lebten erneut wieder vorübergehend einige jüdische Familien in Colmberg. Die Anfänge einer Gemeinde lassen sich zu Beginn des 18.Jahrhunderts nachweisen; 1714 waren vier Familien im Orte ansässig. Die jüdischen Familien - alle mit Schutzbriefen ausgestattet - waren bei den christlichen Dorfbewohnern im allgemeinen nicht wohlgelitten; mehrfache Versuche, ihre Ansiedlung aufzuheben, scheiterten. Nach den Anfeindungen seitens der christlichen Dorfbewohner im 17./18.Jahrhundert folgten im 19.Jahrhundert Konflikte innerhalb der kleinen jüdischen Gemeinschaft. So wurden z.B. persönliche Rivalitäten ausgetragen vor dem Hintergrund religiös motivierter Überzeugungen.

Die Colmberger Juden verdienten bis ins ausgehende 19.Jahrhundert ihren Lebensunterhalt zumeist im Viehhandel. In der Colmberger Pfarrchronik findet man 1807 den folgenden Eintrag: „ ... Die sich in der Pfarrei allein zu Colmberg befindlichen Juden sind alle unmittelbar königl. Schutzjuden. Suchen sich größtentheils vom Vieh-Handel zu nähren, dann von dem so genannten Schmusen, Wiesen-Pachtungen und Futter-Verkauf an Schäfereien, und die eigenen Häuser mit dem Gemeind-Recht leben zum Theil von dem wiewohl geringen Ertrag desselbigen. Haben viele Arme unter sich, die anderen müssen sich so fortbringen, Wohlhabende sind sehr wenige unter ihnen. ...

Eine Synagoge soll hier seit den 1730er Jahren im Obergeschoss eines Fachwerkgebäudes bestanden haben; es war ein einfacher Raum; wie in der „Scheunensynagoge“ in Bechhofen waren die Innenwände des Synagogenraumes durch den aus Brody stammenden jüdischen Maler Elieser Sussmann kunstvoll verziert worden.

Anmerkung: Die kunstvolle Ausmalung des Betsaals wurde erst Ende der 1920er Jahre (!) entdeckt, nachdem man mehrere Farbschichten entfernt hatte. Nach der Konservierung durch das Landesamt für Denkmalpflege soll die historisch wertvolle Bemalung nach München gebracht worden sein.

[vgl. Bechhofen (Bayern)]

  Jüdisches Gemeindehaus mit Synagoge (Aufn. Th. Harburger, 1929)

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%2089/Colmberg%20Synagoge%20107.jpg  http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%2089/Colmberg%20Synagoge%20106.jpg Thora-Schrein (Aufn. 1929, aus: Th. Harburger)

Als gegen Ende der 1840er Jahre eine umfangreiche Renovierung der Synagoge anstand und dafür die finanziellen Mittel der wenigen hier ansässigen jüdischen Familien nicht ausreichten, wurde die Durchführung eine Kollekte im Königreich beantragt, die seitens der bayrischen Regierung positiv beschieden wurde; so hieß es in der Anweisung vom 5.Sept. 1849:

https://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20442/Kolmberg%20Intelligenzblatt%2018490913.jpg

Das Amt des Vorsängers übte ein seitens der Gemeinde angestellter jüdische Lehrer aus, der gleichzeitig auch Schächter war.

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20118/Colmberg%20Israelit%2018081890.jpg

Stellenangebote aus der Zeitschrift „Der Israelit” vom 15.12.1878 und vom 18.8.1890

Um sein Gehalt aufzubessern, hielt der jüdische Lehrer Heimann Gänse und bot diese dann zum Verkauf an, wie ff. Anzeigen zeigen: 

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20193/Kolmberg%20Israelit%2027101890.jpg http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20152/Oettingen%20Israelit%2014111892.jpg

Mitte der 1890er Jahre besaß die Gemeinde keinen eigenen Lehrer mehr; bereits in den Jahren zuvor suchten die Kinder zeitweise die Religionsschule im benachbarten Jochsberg auf; danach sorgte ein „Wanderlehrer“ aus Ansbach für deren religiöse Unterweisung.

Über ein eigenes Friedhofsgelände verfügte die Colmberger Judenschaft nicht; verstorbene Gemeindeangehörige wurden in Bechhofen beerdigt.

Juden in Colmberg:

         --- 1691 ...........................  3 jüdische Familien,

--- 1718 ...........................  7     “        “   (ca. 35 Pers.),

    --- 1730 ...........................  9     “        “   ,

    --- 1803 ........................... 18     "        "   (66 Pers.)

    --- 1811 ........................... 15     “        “   (63 Pers.),

    --- 1840 ........................... 80 Juden,

    --- 1856 ........................... 75   “  ,

    --- 1892 ........................... 80   “  (in 15 Familien),

    --- 1898 ........................... 62   “  ,

    --- 1910 ........................... 16   “  ,

    --- 1925 ........................... wenige.

Angaben aus: Karl Ernst Stimpfig, Die Juden in Leutershausen, Jochsberg, Colmberg und Wiedersbach

 

Als um die Jahrhundertwende innerhalb der Colmberger Gemeinde erneut Streitigkeiten auftraten, drohte bereits damals eine Auflösung der Gemeinde. Zudem war die finanzielle Situation der immer kleiner werdenden Gemeinde weiterhin sehr angespannt.

Gegen Mitte der 1930er Jahre wurde das Synagogengebäude vom neuen Besitzer abgerissen und an dessen Stelle ein Neubau errichtet. Die kunstvoll bemalte Vertäfelung und Einrichtung dieser Dorfsynagoge wurde wohl zuvor in die Obhut des Verbandes Bayrischer Israelitischer Gemeinden gegeben; über deren Verbleib ist aber nichts bekannt. 

Seit Anfang der 1930er Jahre waren die wenigen Colmberger Juden der Kultusgemeinde Feuchtwangen angeschlossen. Die letzten jüdischen Dorfbewohner wurden 1938 nach Nürnberg zwangsumgesiedelt; wem nicht die Emigration gelang, der wurde 1941/1942 deportiert.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des „Gedenkbuches – Opfer der Verfolgung der Juden ...“ sind nachweislich 18 gebürtige bzw. längere Zeit hier ansässig gewesene jüdische Bewohner Colmbergs Opfer der NS-Gwaltherrschaft geworden (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/colmberg_synagoge.htm).

 

Eine Hinweistafel o.ä., die auf ehemalige jüdische Bewohner Colmbergs verweist, gab es in der Ortschaft lange Zeit nicht.

Jüngst wurde in der Ansbacher Straße im Markt Colmberg ein „Dokumentationszentrum Familiengeschichten – Jüdisches Leben in Colmberg“ geschaffen, das Teil des Projekts „Spuren jüdischen Lebens in Mittelfranken“ ist. Hier wird an die fast 300jährige von Christen und Juden gemeinsam erlebte Geschichte erinnert; als Schwerpunkt der Dokumentation werden Familiengeschichten aus der ehemaligen jüdischen Gemeinde Colmberg dargestellt (Aufn. W, 2020, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0).

 

 Als Sohn eines jüdischen Textilhändlers wurde Karl Amson Joel 1889 in Colmberg geboren. Ende der 1920er Jahre gründete er in Nürnberg einen Versandhandel für Haustextilien und Bekleidung; kurz darauf begann er mit einer eigenen Fabrikation. Bald gehörte sein Wäsche- und Konfektionsversandhaus zu den Großen der Branche. Diffamierende Angriffe des fränkischen Gauleiters Julius Streicher ließen Karl Amson Joel 1934 nach Berlin übersiedeln, wo er sein Unternehmen auszubauen versuchte. Doch schon wenige Jahre später wurde sein Unternehmen „arisiert“; weit unter Wert erwarb es Josef Neckermann. Über verschiedene europäische Länder erreichte K.A.Joel schließlich die USA, wo er 1942 erneut einen Betrieb gründete. In den 1950er Jahren erhielt er für die Zwangsenteignung eine finanzielle Entschädigung von Neckermann.

(Anm.: Sein Enkel Billy Joel machte in den USA als Sänger und Musiker Karriere.)

 

 

 

Weitere Informationen:

Theodor Harburger, Werke jüdischer Volkskunst in Bayern, in: "Bayerische Israelitische Gemeindezeitung", No. 13 vom 1.7. 1931, S. 195 - 199

Gerhard Wilhelm Daniel Mühlinghaus, Der Synagogenbau des 17. u. 18.Jahrhunderts im aschkenasischen Raum, Dissertation, Philosophische Fakultät Marburg/Lahn, 1986, Band 2, S. 91

Israel Schwierz, Steinerne Zeugen jüdischen Lebens in Bayern. Eine Dokumentation, Hrg. Bayrische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit. München 1992, S. 156

Theodor Harburger, Die Inventarisation jüdischer Kunst- und Kulturdenkmäler in Bayern, Band 2: Adelsdorf - Leutershausen, Hrg. Jüdisches Museum Franken - Fürth & Schnaiitach, Fürth 1998, S. 147 - 155

Colmberg, in: alemannia-judaica.de (mit zumeist personenbezogenen Dokumenten zur jüdischen Ortshistorie)

Karl Ernst Stimpfig, Die Juden in Leutershausen, Jochsberg, Colmberg und Wiedersbach - Eine Dokumentation, 2.Aufl., Leutershausen 2001

Steffen Radlmaier,  Die Joel-Story: Billy Joel und seine deutsch-jüdische Familiengeschichte, Heyne-Verlag, München 2009

B. Eberhardt/H.-Chr. Haas, Colmberg, in: Mehr als Steine ... Synagogengedenkband Bayern, Band 2, Kunstverlag Josef Fink, Lindenberg/Allgäu 2010, S. 146 - 163

Gunther Reese (Hrg.), Spuren jüdischen Lebens rund um den Hesselberg, in: "Kleine Schriftenreihe Region Hesselberg", Heft 6, Unterschwaningen 2011 (Ortsartikel Colmberg)

Liebenzeller Gemeinschaft Colmberg e.V. (Hrg.), Wenn Mauern reden könnten. Gedenkschrift zum 75.Jahrestag der Reichspogromnacht in Colmberg, Nov. 2013

N.N. (Red.), Bezirk Mittelfranken: Jüdische Familiengeschichte in Colmberg, in: „Fränkischer“ vom 16.7.2020

Markt Colmberg (Hrg.), Dokumentationszentrum FAMILIENGESCHICHTEN – Jüdisches Leben in Colmberg (Flyer), 2020