Goldingen/Kuldiga (Lettland)

Altstadt Riga Kuldiga a.d. Venta – derzeit von ca.12.000 Einwohnern besiedelt – liegt im Westen Lettlands - ca. 140 Kilometer von der Hauptstadt Riga entfernt.

Bereits seit dem späten 14.Jahrhundert lebten Juden zerstreut, ohne Rechtsstatus in Kurland/Kurzeme (außer in Pilten/Piltene). Vermutlich entstand die erste jüdische Siedlung in Kuldiga gegen Ende des 17.Jahrhunderts. Von 1799 an (Kurland wurden von Russland annektiert) wurde Juden in der Region staatsbürgerliche Rechte gewährt.

Die ersten Juden in Goldingen waren stark beeinflusst von der deutschen Kultur und der jüdischen Aufklärungs-Bewegung (Haskalah). Später wanderten Juden aus Russland und Litauen, die Anhänger der chassidistischen Bewegung waren, ein. Kuldigas Juden verdienten ihren Lebensunterhalt durch Kleinhandel und Hausieren, als Pächter von Gasthöfen und als Produzenten von Branntwein. Ab Ende des 19. Jahrhunderts begann sich ihre wirtschaftliche Situation deutlich zu verbessern; jüdische Kaufleute verdrängten in einigen Fällen die alteingesessenen deutsch-baltischen Geschäftsleute.

Die jüdische Gemeinde in Kuldiga wuchs schnell: Im Jahr 1800 gab es ca. 660 jüdische Kaufleute und Handwerker im Kreis Goldingen (15 % der Gesamtbevölkerung von ca. 4.300).

Um 1800 wurde die erste (offizielle) Synagogein Goldingen gebaut und eine Begräbnis-Gesellschaft (Chewra Kadischa) gegründet. Kurze Zeit danach wurde eine Talmud-Thora-Schule eröffnet. Der erste Amtsantritt eines Rabbiners datiert im Jahr 1826.

Synagoge in Goldingen (hist. Aufn., aus: wikipedia.org, gemeinfrei))

Die erste staatliche jüdische Schule für Jungen wurde 1850 eröffnet. 1901 gab es drei private jüdische Schulen in der Stadt, eine für Jungen und die beiden anderen für Mädchen; Unterrichtssprache an der Schule waren Deutsch und Hebräisch.

Im Jahr 1835 war die jüdische Bevölkerung auf ca. 2.300 Personen angewachsen (entsprach ca. 75 Prozent der Bevölk.). Gegen Mitte des 19.Jahrhunderts bestritt die jüdische Bevölkerung ihren Lebenserwerb mit Handel (mehr als 100 Betriebe), aber vor allem im Handwerk.

Anm. Um 1840 waren ca. 170 Kuldigaer Juden (ca. 20 Familien) in das südrussische Cherson (in Grenzlage zum Osmanischen Reich) abgewandert, um dort Landwirtschaft zu betreiben. Die zaristische Regierung hatte ihnen als Gegenleistung Land, Steuerbefreiung und eine Befreiung vom Militärdienst zugesichert.

In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts kam eine große Anzahl von Letten in die Stadt und die jüdische Gemeinschaft verlor ihre Mehrheit; um 1900 machte die ca. 2.500 Personen zählende jüdische Bevölkerung nur noch ca. 26 Prozent der Gesamtbevölkerung aus. Ein Grund für den personellen Rückgang war auch die zunehmende Emigration; während ein Teil in größere lettische Städte (Libau/Liepaja und Windau/Ventspils) verzog, wanderten zahlreiche Familien in die USA und nach Südafrika aus.

Bis 1935 war die jüdische Bevölkerung weiter zurückgegangen; nun war nur noch jeder zehnte Stadtbewohner mosaischen Glaubens; u.a. war der Rückgang auch auf die Tatsache zurückzuführen, dass während des Ersten Weltkriegs die Juden von Kurland
wegen ihrer Sympathien zu Deutschland ins Landesinnere von Russland verschleppt worden waren. Nach dem Krieg war dann etwa ein Drittel der Juden wieder in die Stadt zurückgekehrt. Im Jahre 1935 waren von 205 Geschäften/Unternehmen in der Stadt etwa die Hälfte im Besitz von Juden.

Am 23. August 1939, errichtete die sowjetischen Armee einen Stützpunkt in Lettland und im Sommer 1940 wurde ein sowjetisches Regime installiert. Die jüdischen öffentlichen Einrichtungen wurden schrittweise aufgelöst. Nach der deutschen Invasion in Russland (Juni 1941) gelang einem kleinen Teil der Juden aus Kuldiga in das Landesinnere von Russland zu fliehen, die Mehrheit war aber in der Stadt geblieben. Unmittelbar nach der Besetzung der Stadt begannen lettische Faschisten mit Ausschreitungen gegen Juden und ermordeten zahlreiche von ihnen. Die restlichen Juden wurden zur Zwangsarbeit verpflichtet. Später wurden alle Juden in der Synagoge zusammengetrieben und dort zwei Wochen festgehalten. Die Männer wurden in ein nahes Waldgelände gebracht; dort wurden sie von Letten aus Kuldiga und Wehrmachtsangehörigen ermordet. Das verwaiste Eigentum der Juden wurde unter der einheimischen Bevölkerung versteigert.

Die Stadt wurde durch die Sowjets im Jahr 1944 befreit.

Nach dem Krieg sind einige Reihe von Familien wieder in die Stadt zurück gekehrt.
Im Laufe der Zeit verließen die Überlebenden die Stadt, viele von ihnen gingen in den neugegründeten Staat Israel.

Das erhaltengebliebene Synagogengebäude wurde Anfang der 1950er Jahre in ein Kino umgewandelt. Seit 2011 befindet sich im Gebäude die Stadtbibliothek.

  Ehem. Synagoge, heute Stadtbibliothek (Aufn. D., 2012, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

Weitere Informationen:

The encyclopedia of Jewish Life before und during the Holocaust, New York, 2001, Vol. 2, S. 689 (Kuldiga/Goldingen)

History of Kuldiga (Goldingen), Courland, Lavia, in: JewishGen KehilaLinks, online abrufbar unter. kehilalinks.jewishgen.org/kuldiga/Kuldigahistory.htm

The jewish history of Kuldiga, Goldingen, in: Beit Hatfutsot – The Muzeum of the Jewish People, online abrufbar unter: dbs.bh.org.il/place/kuldiga-goldingen