Ermetzhofen (Mittelfranken/Bayern)

Kreise   Datei:Ergersheim in NEA.svg Ermetzhofen mit derzeit ca. 300 Einwohnern ist seit 1974 ein Ortsteil der Kommune Ergersheim (zum Verwaltungsbezirk Uffenheim gehörig) im Landkreis Neustadt a.d.Aisch - Bad Windsheim (Skizzen der mittelfränkischen Landkreise, aus: blv-mittelfranken.de/index.php/kreise  und  'Landkreis Neustadt/Aisch', Hagar 2010, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Während der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts machte der jüdische Bevölkerungsanteil im Dorf etwa 25% aus.

In der ersten Hälfte des 16.Jahrhunderts siedelten sich vermutlich die ersten jüdischen Familien im Dorfe Ermetzhofen an; aus dieser Zeit stammt auch der hiesige jüdische Begräbnisplatz. Ein kontinuierlicher Aufenthalt der Juden in Ermetzhofen ist nicht belegt; doch gilt als sicher, dass sich im ausgehenden 17./beginnenden 18.Jahrhundert eine jüdische Gemeinde bildete. Ihre Angehörigen standen unter dem Schutz der Freiherrn von Seckendorff. Die hiesige Judenschaft verfügte über alle notwendigen gemeindlichen Einrichtungen. Eine erste Synagoge im Judensängervorhaus soll es bereits um 1750 bzw. 1770 gegeben haben; zudem existierte eine offiziell-gemeindliche Mikwe, ein Friedhof und ein Schächthaus.

Zur Besorgung religiöser gemeindlicher Aufgaben war bis Anfang des 20. Jahrhunderts ein Religionslehrer angestellt. Besondere Erwähnung muss der seit 1830 als Lehrer tätige Samson Cohn finden, der mehr als ein halbes Jahrhundert (bis 1885) in Ermetzhofen seinen Wirkungskreis hatte.

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Stellenausschreibungen in der Zeitschrift „Der Israelit“ vom 8.Jan.1885 und vom 20.Juni 1892

Die jüdische Begräbnisstätte war auf Basis eines Vertrages mit der Ortsherrschaft 1654 am südlichen Dorfrande in Richtung Pfaffenhofen angelegt worden (nach einer anderen Angabe soll bereits gegen Mitte des 16.Jahrhunderts das Gelände als Friedhof benutzt worden sein); gegen ein jährliches "Grabgeld" war den jüdischen Familien ein „Gärtlein“ zugestanden worden. Mehr als ein Jahrhundert später (1777) wurde durch ein fürstliches Dekret das Gesuch der Judenschaft genehmigt, ihren Begräbnisplatz zu erweitern - ungeachtet der Einwendung seitens der Pfarrei.

Auf dem Areal wurden auch die verstorbene Juden aus Burgbernheim, Uffenheim, Gnodstadt und Welbhausen beerdigt.

http://www.hdbg.de/juedische-friedhoefe/abbildungen/schwierz/ermetzhofen/Schwiertz_Ermetzhofen_005.jpg http://www.hdbg.de/juedische-friedhoefe/abbildungen/schwierz/ermetzhofen/Schwiertz_Ermetzhofen_003.jpg

 alte Grabsteine - dicht gedrängt auf dem jüdischen Friedhof von Ermetzhofen (Aufn. I. Schwierz, aus: hdbg.de)

                                      Taharahaus am Rande des jüdischen Friedhofs (Aufn. ikg-bayern.de)

Die Gemeinde unterstand zunächst dem Bezirksrabbinat Welbhausen, anschließend dem von Ansbach.

Juden in Ermetzhofen:

          --- um 1630 .....................   4 Judenhäuser

    --- um 1705 .....................  10     “        'mit 77 Seelen',

    --- 1736 ........................   4 jüdische Familien,

    --- 1750 ........................   7     “       “    ,

    --- 1796 ........................   9     “       “    ,

    --- 1808 ........................  17     “       “    ,

    --- 1826 ........................  19     “       “    ,

    --- 1842 ........................  90 Juden (ca. 25% d. Dorfbevölk.),

    --- 1869 ........................ 103   “  ,

    --- 1886 ........................ 107   “  ,

    --- 1900 ........................  87   “   (ca. 24% d. Dorfbevölk.),      

    --- 1910 ........................  47   “   (ca. 13% d. Dorfbevölk.),

    --- 1925 ........................  35   “  ,

    --- 1933 ........................  34   “  ,

    --- 1938 (Sept.) ................  19   “  ,

             (Dez.) .................  keine.                  

Angaben aus: Baruch Z.Ophir/F. Wiesemann (Hrg.), Die jüdischen Gemeinden in Bayern 1918 - 1945, S. 175

und                 Karl Ernst Stimpfig, Die Landjuden im Raum Uffenheim, S. 17

 

Nach der NS-Machtübernahme verstärkte sich im Dorf die bereits in den 1920er Jahren spürbare antisemitische Haltung: Jüdische Händler wurden offen boykottiert und mussten sich nun zunehmend von der im Nebenerwerb betriebenen kleinen Landwirtschaft ernähren. Der seit 1933 im Dorf tätige evangelische Pfarrer und der NSDAP-Ortsgruppenleiter heizten die judenfeindliche Stimmung weiter an. 1936 wurden die jüdischen Kinder vom Besuch der hiesigen Volksschule ausgeschlossen; sie mussten nun täglich einen weiten Schulweg nach Marktbreit machen. Zwischen 1933 und Sept. 1938 verließ etwa ein Drittel der jüdischen Bewohner das Dorf. Wenige Wochen vor dem Pogrom wurden die noch verbliebenen Juden von den Ortsbehörden unter Druck gesetzt, ihren Besitz zu veräußern und Ermetzhofen zu verlassen. Die Synagoge musste für 400,- RM an die Kommune verkauft werden.

In der „Kristallnacht“ wurden die jüdischen Männer in Ermetzhofen inhaftiert und ins KZ Dachau eingeliefert. Auch die übrigen jüdischen Bewohner wurden festgenommen und aufgefordert, umgehend das Dorf zu verlassen; die Ausgewiesenen durften nur das Nötigste mitnehmen. Bereits Anfang Dezember 1938 war Ermetzhofen „judenrein“.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." sind 38 gebürtige bzw. längere Zeit in Ermetzhofen ansässig gewesene jüdische Bewohner Opfer des Holocaust geworden (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/ermetzhofen_synagoge.htm)..

 

In der NS-Zeit war der jüdische Friedhof geschändet und teilweise abgeräumt worden, wobei Grabsteine auch zum Straßenbau Verwendung gefunden hatten. 1959 wurde das am südlichen Ortsrand liegende Areal wieder instand gesetzt und zwei Jahrzehnte später unter Denkmalschutz gestellt; ca. 400 Grabsteine aus der Zeit zwischen ca. 1790 und 1936 befinden sich auf dem mehr als 4.000 m² großen Friedhofsgelände.

                   

   Jüdischer Friedhof Ermetzhofen (Aufn. Rued-Di, 2017, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0  und  Chr. Daxelmüller, 1981)

Das einstige Synagogengebäude überstand die Kriegsjahre; es wurde zu einem Wohnhaus umgebaut.

 

 

 

Weitere Informationen:

Baruch Z.Ophir/F. Wiesemann (Hrg.), Die jüdischen Gemeinden in Bayern 1918 - 1945. Geschichte und Zerstörung, Oldenbourg-Verlag, München/Wien 1979, S. 175/176

Johanna Morgenstern-Wulff, Der jüdische Friedhof von Ermetzhofen - Eine Dokumentation im Auftrag der Gemeinde Ergersheim, Uffenheim 1988

Israel Schwierz, Steinerne Zeugen jüdischen Lebens in Bayern. Eine Dokumentation, Hrg. Bayrische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit, München 1992, S. 161/162

Michael Trüger, Der jüdische Friedhof in Ermetzhofen, in: "Der Landesverband der Israel. Kultusgemeinden in Bayern", 10.Jg., No. 67/1995, S. 23

Ermetzhofen (Gremeinde Ergersheim), in: alemannia-judaica.de (mit Dokumenten zur jüdischen Ortshistorie)

Der jüdische Friedhof von Ermetzhofen, in: alemannia-judaica.de

Karl Ernst Stimpfig, Die Landjuden im Raum Uffenheim. Dokumentation jüdischen Lebens in den Kultusgemeinden Ermetzhofen, Gnodstadt, Welbhausen und Uffenheim mit der Geschichte des Rabbinats Welbhausen - Eine Dokumentation, Hrg. Stadt Uffenheim, 2002, S. 15 - 102

B. Eberhardt/C. Berger-Dittscheid (Bearb.), Ermetzhofen, in: Mehr als Steine ... Synagogengedenkband Bayern, Band 2, Kunstverlag Josef Fink, Lindenberg/Allgäu 2010, S. 225 – 237

Lothar Mayer, Jüdische Friedhöfe in Mittel- und Oberfranken, Michael Imhof Verlag, Petersberg 2012, S. 78 - 81

Stefanie Fischer, Ökonomisches Vertrauen und antisemitische Gewalt. Jüdische Viehhändler in Mittelfranken 1919 – 1939, in: A.Brämer/M.Rürup (Hrg.), Hamburger Beiträge zur Geschichte der deutschen Juden, Band XLII, Wallstein Verlag Göttingen 2014