Falkenstein (Sachsen)

Bildergebnis für vogtlandkreis ortsdienst karte Falkenstein ist eine Kleinstadt mit derzeit ca. 7.700 Einwohnern im sächsischen Vogtlandkreis – knapp 20 Kilometer östlich von Plauen gelegen (Ausschnitt aus hist. Karte, aus: wikiwand.com/de/Amtshauptmannschaft_Plauen  und  Kartenskizze 'Vogtlandkreis', aus: ortsdienst.de/sachsen/vogtlandkreis).

 

Falkenstein war ein „freies“ Bergstädtchen; laut der Bergordnung von 1589 durften sich Juden hier grundsätzlich nicht niederlassen.

Falkenstein um 1840 (Abb. aus: wikipedia.org, gemeinfrei)

 

Erst die Aufhebung des Falkensteiner Bergamtes (1854) und das sog. "Freizügigkeitsgesetz" von 1867 erlaubten den Zuzug von Juden. Im ausgehenden 19.Jahrhundert siedelten sich in Falkenstein jüdische Familien hier an. Das erste jüdische Geschäft am Ort eröffnete der 1886 zugewanderte Max Bornstein. Die meisten Juden zogen nach dem Ersten Weltkrieg nach Falkenstein; es waren zumeist jüdische Familien aus Osteuropa; ihren Lebenserwerb bestritten sie zumeist als Händler, Arbeiter und Hausierer.

Bereits um 1910 war die Zahl der Falkenstein lebenden Juden so groß, dass Gottesdienste abgehalten werden konnten; zu Zusammenkünften traf man sich in Beträumen, die in Privatwohnungen bzw. Hintergebäuden untergebracht waren. Zeitweilig gab es in Falkenstein zwei Betsäle, weil sich chassidische und orthodoxe Juden in religiösen Fragen oft uneins waren.

Der hier gegründete Verein „Agudas Israel” ließ den Glaubensangehörigen eine streng-religiöse Erziehung zuteil werden; ein eigens angestellter Religionslehrer erteilte den jüdischen Kindern aus Falkenstein und den Nachbarorten Auerbach, Lengenfeld, Rodewisch, Schöneck und Treuen Unterricht.

Verstorbene Juden Falkensteins - wie auch anderer vogtländischer Orte - fanden auf dem jüdischen Friedhof in Plauen-Kauschwitz ihre letzte Ruhe. 

  undefinedTrauerhalle (Aufn. G.Bülow, 2016, aus: wikipedia.org, CCO)

Die jüdischen Bewohner Falkenstein gehörten offiziell der Israelitischen Kultusgemeinde Plauen an.

Juden in Falkenstein:

         --- 1890 ...........................   7 Juden,

    --- 1895 ...........................  15   “  ,

    --- 1905 ...........................  30   “  ,

    --- 1910 ...........................  36   “  ,

    --- 1925/29 .................... ca. 100   “  ,

    --- 1933 ...........................  78   “  (in ca. 20 Familien),

    --- 1936 (Jan.) ....................  13 Familien,

    --- 1937 (Jan.) ....................  45 Juden,

    --- 1939 (Nov.) ....................  11   “  ,

    --- 1940 (Dez.) ....................   8   “  ,

    --- 1942 (April) ...................   keine.

Angaben aus: Ralph Ide, Statistische Angaben zu den Falkensteiner Juden

Platz am Rathaus - hist. Postkarte von ca. 1910 (aus: wikipedia.org, CCO)

Im Herbst 1923 kam es in Falkenstein zu ersten antisemitischen Ausbrüchen: Die Türen aller von Juden bewohnter Häuser wurden mit Hakenkreuzen beschmiert. Nach der NS-Machtübernahme wurde auch in Falkenstein der Antisemitismus schärfer; erste Maßnahme war auch hier der Boykott jüdischer Geschäfte. Die Juden wurden nun immer mehr ins wirtschaftliche Abseits gedrängt; am Herbstmarkt von 1935 waren keine Juden mehr zugelassen. In einem Flugblatt „An die Einwohnerschaft Falkensteins” hatte sich Ende August 1936 der hiesige Bürgermeister und NSDAP-Ortsgruppenleiter an die Bevölkerung gewandt:

Mit der Machtübernahme durch den Nationalsozialismus ist der nationalsozialistische Kampf nicht beendet. Er beginnt im Gegenteil erst recht und wird auch bis zur letzten Stufe im alten Geiste fortgeführt. ...

... Die Unterzeichneten haben sich daher entschlossen, folgende Anordnung zu erlassen:

1. Die Städtischen Unterstützungsempfänger erhalten ihre Unterstützung aus öffentlichen Mitteln n i c h t, um bei Juden, Judengenossen ... zu kaufen. ....

2. Kein deutscher Volksgenosse kauft oder verkehrt mehr bei Juden, Judengenossen, reaktionären und marxistischen Geschäftsleuten. Er geht auch nicht mehr zu jüdischen Rechtsanwälten und Ärzten usw. Wer dies nicht beachtet, läuft Gefahr, öffentlich gebrandmarkt und unter Umständen wegen Störung der öffentlichen Ruhe und Ordnung zur Rechenschaft gezogen zu werden. ...

Städtische Aufträge, Lieferungen und Arbeiten erhalten insbesondere künftig nicht mehr:

a. wer als Mitglied oder als Nichtmitglied der Partei mit Juden, Judengenossen ... verkehrt oder mit ihnen Geschäfte macht. ...

...

d. selbstverständlich alle Juden, Judengenossen, marxistische, reaktionäre und konfessionelle Staatsfeinde, ...

Bereits 1934 hatten die ersten jüdischen Familien den Ort verlassen. Im Rahmen der sog. „Polen-Ausweisung” (Ende Oktober 1938) mussten 18 Juden Falkenstein verlassen; zusammen mit Juden aus Chemnitz, Plauen und Zwickau wurden sie in Richtung polnischer Grenze abgeschoben.

Anfang März 1942 wurde - wie es in einem Polizeibericht hieß - „Falkenstein vollkommen entjudet”; auf Anordnung der Gestapo wurden die Ausgewiesenen auf Anordnung der Gestapo zunächst in Plauen untergebracht; von hier aus wurden sie „in den Osten“ deportiert.

Nach Kriegsende kehrten zehn Juden nach Falkenstein zurück; allerdings blieben sie hier nur bis Anfang der 1950er Jahre.

 

Denkmal für die verfolgten Juden des Vogtlandes in Plauen-Kauschwitz (Aufn. Georg Bülow, 2016, aus: wikipedia.org, CCO)

 

Hinweis: Im gleichnamigen hessischen Falkenstein lebte bis zu Beginn des 20.Jahrhunderts eine kleine jüdische Gemeinschaft.  [vgl. Königstein (Hessen)]

 

 

Seit 2022 erinnern in Klingenthal (Ecke Schlossstraße) fünf sog. „Stolpersteine“ an Angehörige der jüdischen Familie Braun/Levinson. An der Stelle des inzwischen abgerissenen Wohn- u. Geschäftshauses hatten Hermann u. Gertrud Braun seit 1892 ein Geschäft für Damen- u. Herrenkonfektion betrieben. Nur ein einziges Familienmitglied hat den Holocaust überlebt.

 

 

 

Weitere Informationen:

Auszüge aus einer Falkensteiner Chronik (um 1940)

M.Brocke/E.Ruthenberg/K.U.Schulenburg, Stein und Name. Die jüdischen Friedhöfe in Ostdeutschland (Neue Bundesländer/DDR und Berlin), in: "Veröffentlichungen aus dem Institut Kirche und Judentum", Hrg. Peter v.d.Osten-Sacken, Band 22, Berlin 1994, S. 335

Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus - Eine Dokumentation II, Hrg. Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 1995, S. 661

Fritz Groh, Chronik der Stadt Falkenstein, hrg. von der Stadt Falkenstein, Falkenstein 1998

The Encyclopedia of Jewish Life before and during the Holocaust (Vol. 1), New York University Press, Washington Square, New York 2001, S. 377

Ralph Ide, Mehrere Aufsätze über ‘Juden in Falkenstein’, in: "Falkensteiner Anzeiger" (2001/2003)

Ralph Ide, Vortrag im Bürgersaal des Rathauses Falkenstein am 7.November 2002 zur ‘Reichskristallnacht’ am 9.November 1938

Ralph Ide, Zur Geschichte der Juden in Falkenstein, Hrg. Stadt Falkenstein, Falkenstein 2004

Ralf Bachmann, Die Bornsteins. Eine deutsch-jüdische Familiengeschichte, Sax Verlag Markkleeberg 2006

Thorald Meisel (Red.), Stolpersteine erinnern an das Schicksal jüdischer Familien, aus: "Freie Presse" vom 23.9.2022 (betr. Klingenthal)