Großlangheim (Unterfranken/Bayern)

Datei:Großlangheim in KT.svg Großlangheim mit derzeit ca. 1.600 Einwohnern ist ein Markt im unterfränkischen Landkreis Kitzingen und Sitz der gleichnamigen Verwaltungsgemeinschaft - nur wenige Kilometer östlich Kitzingens (Kartenskizze 'Landkreis Kitzingen', Hagar 2010, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

In Großlangheim bestand eine kleine israelitische Gemeinde, deren Wurzeln in die Zeit des ausgehenden 16.Jahrhunderts zurückreichen.

In der 1699 erstellten sog.“Würzburger Judenerhebung“ sind für Großlangheim 15 Personen unter brandenburgisch-ansbachischen und 19 Personen unter schwarzenbergischen Schutz aufgelistet; die Zahl der unter dem Schutz des Hochstifts Würzburg stehenden jüdischen Familien ist nicht genannt. Erst in der ersten Hälfte des 18.Jahrhunderts sind vier bis sechs Familien nachgewiesen.

Bei der Erstellung der Matrikel (1817) sind für den Ort 13 Familienvorstände aufgelistet. Ellenwaren-, Vieh- und Getreidehandel waren damals zumeist die Erwerbsquellen der hiesigen jüdischen Familien.

Das langjährige Vorhaben eines Synagogenneubaus konnte dann schließlich mit Genehmigung der Behörden umgesetzt werden, die nun eine bayernweite Kollekte für den Neubau unterstützten. Seit 1837 besaß die Gemeinde eine neuerbaute Synagoge, die einen seit Jahrzehnten exisstierenden Betraum in einem Privathause ersetzte. Zu den gemeindlichen Einrichtungen gehörte auch ein daneben stehendes Gemeindehaus, in dem sich die Religionsschule (mit Lehrerwohnung) und ein rituelles Bad befanden.

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Synagoge in Großlangheim (hist. Aufn., aus: Th. Harburger, Die Inventarisation ...) 

Ihre verstorbenen Gemeindeangehörigen begrub die Judenschaft Großlangheims auf dem jüdischen Verbandsfriedhof in Rödelsee. 

Die Gemeinde gehörte zum Bezirksrabbinat Kitzingen.

Wenige Jahre vor dem Ersten Weltkrieg kam es zur Zusammenlegung der beiden jüdischen Gemeinden Großlangheim und Rödelsee.

Juden in Großlangheim:

    --- 1675 .......................  6 jüdische Haushaltungen,

    --- um 1700 ................ ca. 50 Juden,

    --- 1726 ....................... 36   "  ,

    --- um 1765 ....................  7 jüdische Familien,

    --- 1814 ....................... 14     "        "    (ca. 70 Pers., ca. 6% d. Bevölk.),

    --- 1837 ....................... 70 Juden (in 15 Familien),

    --- 1869 ....................... 63   "  ,

    --- 1880 ....................... 49   „  ,

    --- 1900 ....................... 37   „  ,

    --- 1910 ....................... 23   „   (ca. 2% d. Bevölk.),

    --- 1933 ....................... 13   „  ,

    --- 1942 (Jan.) ................  4   „  ,

             (Okt.) ................  keine.

Angaben aus: Großlangheim, in: alemannia-judaica.de

und                 W.Kraus/H.-Chr. Dittscheid/G. Schneider-Ludorff (Hrg.), Mehr als Steine Synagogengedenkband Bayern, Unterfranken, Teilband III/2.2, S. 1012

 

Ab der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts reduzierte sich die ohnehin schon kleine Gemeinde auf nur wenige Familien.

zwei gewerbliche Anzeigen von 1861 und 1924:

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1933 lebten nur noch 13 jüdische Bewohner im Ort. Das noch mehrere Jahre andauernde offenbar gute Einvernehmen zwischen nicht-jüdischen und jüdischen Bewohnern Großlangheims veranlasste im Mai 1936 den Regierungspräsidenten von Unterfranken, bei der bayrischen Staatsregierung Klage darüber zu führen. Während des Novemberpogroms wurde das Inventar der Synagoge durch ein SS-Kommando vernichtet; das Gebäude blieb aber erhalten. Beteiligt an den antijüdischen Ausschreitungen waren auch Ortsbewohner. Zwei jüdische Männer wurden festgenommen und ins KZ Dachau verschleppt. Die letzten vier Juden/Jüdinnen wurden im Laufe des Jahres 1942 über Würzburg nach Izbica/b. Lublin bzw. nach Theresienstadt deportiert.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." sind 17 aus Großlangheim stammende jüdische Personen bekannt, die Opfer der Shoa geworden sind (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/grosslangheim_synagoge.htm).

 

Eine am einstigen Synagogengebäude angebrachte Gedenktafel trägt die Inschrift:

Dieses Gebäude, dessen Inneneinrichtung in der Pogromnacht 1938 vernichtet wurde,

diente der Jüdischen Kultusgemeinde GROSSLANGHEIM als Synagoge.

Zur Erinnerung und zum Andenken an unsere ehemaligen jüdischen Mitbürger.

Ehem. Synagogengebäude (Aufn. Kommune Großlangheim, um 2005)

Das jahrzehntelang als Feuerwehrdepot genutzte Gebäude dient nach seiner Sanierung (um 2003) als Stätte kultureller Veranstaltungen.

 

[vgl. Kleinlangheim (Bayern)]

[vgl. Wiesenbronn (Bayern)]

 

 

Weitere Informationen:

Sebastian Zeißner, Geschichte von Großlangheim, Würzburg 1933

Baruch Z.Ophir/Falk Wiesemann, Die jüdischen Gemeinden in Bayern 1918 - 1945. Geschichte und Zerstörung, Oldenbourg-Verlag, München 1979, S. 308/309

Anton Käsbauer, Markt Großlangheim, Volkach 1986

Israel Schwierz, Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayern - Eine Dokumentation, Hrg. Bayrische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit, 2.Aufl., München 1992, S. 67

Theodor Harburger, Die Inventarisation jüdischer Kunst- und Kulturdenkmäler in Bayern, Band 1/1998, S. 230

Herbert Liedel/Helmut Dollhopf, Jerusalem lag in Franken. Synagogen und jüdische Friedhöfe, Echter-Verlag GmbH, Würzburg 2006

Ralf Weiskopf (Red.), Eine Zeit, die uns wach halten sollte, in: „Main-Post“ vom 3.12.2006

Dirk Rosenstock (Bearb.), Die unterfränkischen Judenmatrikeln von 1817. Eine namenkundliche und sozialgeschichtliche Quelle, in: "Veröffentlichungen des Stadtarchivs Würzburg", Band 13, Würzburg 2008, S. 176/177

Großlangheim, aus: alemannia-judaica.de (mit Dokumenten zur jüdischen Ortshistorie)

Hans Schlumberger/Hans-Christof Haas (Bearb.), Großlangheim mit Rödelsee, in: W.Kraus/H.-Chr. Dittscheid/G. Schneider-Ludorff (Hrg.), Mehr als Steine Synagogengedenkband Bayern, Unterfranken, Teilband III/2.2, Kunstverlag Josef Fink, Lindenberg/Allgäu 2021, S. 987 - 1019