Grussenheim (Elsass)

Kreis Colmar.png Grussenheim ist eine kleine Ortschaft mit derzeit ca. 900 Einwohnern - nur wenige Kilometer nordöstlich von Colmar gelegen (Ausschnitt aus hist. Karte von 1905 ohne Eintrag von Grussenheim, aus: wikipedia.org, gemeinfrei).

 

Gegen Mitte des 19.Jahrhunderts erreichte die jüdische Gemeinde von Grussenheim mit mehr als 300 Angehörigen ihren personellen Zenit.

Im oberelsässischen Grussenheim (auch: Grüssenheim) bildete sich eine jüdische Gemeinde am Anfang des 18.Jahrhunderts; erste Hinweise darauf, dass sich jüdische Familien im Orte niedergelassen hatten, stammen bereits aus der Zeit unmittelbar nach Ende des Dreißigjährigen Krieges. An die Zeit der ersten jüdischen Niederlassung erinnert der bis heute im Ort existierende „Judenhof“. In den Jahren 1860/1880 betrug die Zahl der Gemeindeangehörigen mehr als 300 Personen und stellten damit einen beachtlichen Anteil der Dorfbevölkerung.

Aus dem letzten Viertel des 18.Jahrhunderts stammt die erste Synagoge, der auch eine Mikwe angeschlossen war. Zur Zeit ihrer höchsten Blüte (um 1850/1860) ließ die Grussenheimer Kultusgemeinde dann ein neues Synagogengebäude errichten.

 

Synagoge in Grussenheim (Ausschnitt aus Bildpostkarte und hist. Aufn.)

 Anzeige aus der Zeitschrift „Der Israelit“ vom 1.6.1881

Ab den 1830er Jahren bis gegen Ende des Ersten Weltkrieges verfügte die Judenschaft über eine eigene Schule.

                Anzeigen vom Febr. 1903/1904    

Verstorbene Juden Grussenheims fanden zunächst auf dem israelitischen Verbandsfriedhof in Mackenheim ihre letzte Ruhe; seit dem ersten Viertel des 19.Jahrhunderts stand dann ein eigenes Beerdigungsgelände zur Verfügung.

Bis 1910 gehörte die Grussenheimer Gemeinde zum Rabbinat Bergheim, danach zum Rabbinat Rappoldsweiler.

Juden in Grussenheim:

         --- 1689 ..........................   4 jüdische Familien,

    --- 1784 ..........................  29     “       “    ,

    --- 1846 .......................... 257 Juden,

    --- 1861 .......................... 329   “  ,

    --- 1900 .......................... 274   “  ,

    --- 1905 .......................... 193   “  ,

    --- 1910 .......................... 160   “  ,

    --- 1926 ..........................  70   “  (in ca. 20 Familien)

    --- 1936 ..........................  64   “  ,

    --- 1940 (Dez.) ...................   keine.

Angaben aus: Michel Rothé/Max Warschawski, Les synagogues d’Alsace et lieur histoire, S. 51

 

Die in den 1920er Jahren in Grussenheim wohnhaften jüdischen Familien lebten vom Handel mit Landprodukten- und Pferden; daneben gab es einige Gewerbebetriebe, z.B. Metzgereien.

Bis zum deutschen Einmarsch hatten die meisten jüdischen Bewohner Grussenheim verlassen; etwa 20 verblieben im Ort, wurden deportiert und - bis auf einen einzigen - ermordet. Das Synagogengebäude wurde auf Anweisung der deutschen Besatzungsmacht 1940 zerstört, der Friedhof teilweise verwüstet.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem wurden 24 aus Grussenheim stammende bzw. längere Zeit hier ansässig gewesene Juden Opfer der "Endlösung" (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: juden-in-baden.de/grussenheim_synagogue.htm).

 

Nach 1945 entstand keine neue jüdische Gemeinde mehr in Grussenheim. Das westlich des Ortes gelegene, mit einer hässlichen Betonmauer umgebene Friedhofsgelände wurde nach 1945 wieder instandgesetzt und wird bis heute gepflegt; es weist etwa 500 Grabsteine auf.

            Blick auf den Friedhof in Grussenheim (Aufn. J. Hahn, 2004)

Seit 2020 findet man in Grussenheim vier sog. „Stolpersteine“, die an deportierte und in Auschwitz-Birkenau ermordete ehemalige jüdische Bewohner erinnern.

Stolperstein für Leon Bloch (Grussenheim).jpgStolperstein für Emile Heimendinger (Grussenheim).jpgStolperstein für Nathalie Weil (Grussenheim).jpgStolperstein für Pauline Samuel (Grussenheim).jpg Aufn. Chr. Michelides, 2022 aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0

 

 

 

Weitere Informationen:

Joseph Bloch, Grussenheim. Die Schule und die Lehrer, in: Grussenheims verschwundene jüdische Gemeinschaft, o.O. 1960

Marcel Mordechai Sulzer, Grussenheim. Une communauté juive de la campagne alsacienne au début du XXe siècle (auch online abrufbar)

Günter Boll, Jekutiel ben Aharon von Grussenheim (gest. 1719), online abrufbar

Michel Rothé/Max Warschawski, Les synagogues d’Alsace et lieur histoire, Jerusalem 1992, S. 160

The Encyclopedia of Jewish Life before and during the Holocaust (Vol. 1), New York University Press, Washington Square, New York 2001, S. 465/466

Grussenheim, in: alemannia-judaica.de (mit Dokumenten zur jüdischen Ortshistorie)

Auflistung der in Grussenheim verlegten Stolpersteine, online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_im_Département_Haut-Rhin#Soultz-Haut-Rhin