Höchst a.d.Nidder (Hessen)

 Wetteraukreis Karte Höchst a.d. Nidder - derzeit ca. 1.300 Einwohner - ist ein Ortsteil der Kommune Altenstadt im hessischen Wetteraukreis ca. 25 Kilometer nordöstlich von Frankfurt/M. bzw. westlich von Büdingen entfernt gelegen (Ausschnitt aus hist. Karte von 1905 ohne Eintrag von Höchst/Nidder, aus: wikipedia.org, gemeinfrei  und  Kartenskizze 'Wetteraukreis', aus: ortsdienst.de/hessen/wetteraukreis).

 

In Höchst a.d. Nidder – bis 1806 den Freiherren von Günderrode untertänig - lebten nachweislich seit Anfang/Mitte des 18.Jahrhunderts wenige jüdische Familien. Im ersten Viertel des 19.Jahrhunderts erreichte die um 1805 offiziell gegründete Gemeinde mit ca. 80 Angehörigen ihren personellen Zenit; die jüdischen Familien am Ort lebten in sehr einfachen Verhältnissen.

Neben einer Betstube (in der ersten Etage eines Fachwerkhauses in der Hauptstraße) verfügte die Judenschaft ab den 1820er Jahren auch über ein eigenes Friedhofsgelände*. (* Im 18.Jahrhundert soll es im Ort bereits einen Begräbnisplatz gegeben haben, auf dem 1770 letztmals eine Beerdigung stattgefunden haben soll.)

Eine Mikwe und eine winzige Religionsschule komplettierten die gemeindlichen Einrichtungen; allerdings konnte sich die finanzschwache Gemeinde auf Dauer keinen eigenen Lehrer/Vorbeter leisten, so dass Gemeindeangehörige ehrenamtlich diese Aufgabe übernahmen.

Die Gemeinde unterstand dem orthodoxen Provinzialrabbinat von Gießen.

Juden in Höchst a.d.Nidder:

--- um 1720 ......................  4 jüdische Familien,

--- 1818 ......................... 81 Juden,

--- 1830 ......................... 67   “  ,

--- 1861 ......................... 58   “  ,

--- 1880 ......................... 37   “  ,

--- 1900 ......................... 13   “  ,

--- 1910 ......................... 19   “  ,

--- 1924 ......................... 11   “  (in 3 Familien),

--- 1933 .........................  6   “  ,

--- 1939 (Dez.) ..................  keine.

Angaben aus: Elisabeth Johann, Unsere jüdischen Nachbarn - Ein fast vergessener Teil der Ortsgeschichte ...

 

Zu Beginn des 20.Jahrhunderts lebten im Dorf nur noch wenige jüdische Familien; Anfang der 1930er löste sich die Gemeinde auf.

Beim Novemberpogrom 1938 wurden die Wohnungen der beiden noch hier lebenden jüdischen Familien demoliert. Die älteren Bewohner sperrte man über Nacht ins Ortsgefängnis ein. Sie verließen im Laufe des Jahres 1939 ihren Heimatort und gingen in die Emigration.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem wurden sieben gebürtige Höchster Juden Opfer des Holocaust (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/hoechst_nidder_synagoge.htm).

 

Das Gebäude, in dem sich der Betsaal der ehemaligen jüdischen Gemeinde befand, ist bis auf den heutigen Tag erhalten.

Auf dem Gelände des jüdischen Friedhofs – es liegt heute inmitten der Wohnbebauung - befinden sich ca. 35 Grabstätten.

http://juden-in-baden.de/images/Images%20150/Hoechst%20Friedhof%201052.jpgJüdischer Friedhof in Höchst a.d. Nidder (Aufn. J. Hahn, 2008)

2023 wurden in Höchst fünf sog. „Stolpersteine“ verlegt, die an das Schicksal des jüdischen Ehepaares Isaak und Jeanette Haas und an Bertha Seligmann u. ihre beiden Kinder erinnern.cwo_MUestolpersteine_020923 verlegt in der Mittelstraße (Aufn. Ingeborg Schneider, 2023)

Hinweis:  Etwa zeitgleich wurden im Kernort Altenstadt zwölf Gedenktäfelchen verlegt.

 

 

Weitere Informationen:

Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Societäts-Verlag Frankfurt/M. 1971, Bd. 1, S. 375

Thea Altaras, Synagogen in Hessen. Was geschah seit 1945?, Königstein i.T. 1988, S. 188 (Neubearbeitung 2007)

Elisabeth Johann, Unsere jüdischen Nachbarn - Ein fast vergessener Teil der Ortsgeschichte von Altenstadt, Höchst an der Nidder und Lindheim 14. - 20. Jahrhundert, Hrg. Vorstand der Gemeinde Altenstadt 1991

Studienkreis Deutscher Widerstand (Hrg.), Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung 1933 – 1945, Hessen I Regierungsbezirk Darmstadt, 1995 S. 309/310

Höchst a.d.Nidder, in: alemannia-judaica.de

Ingeborg Schneider (Red.), Wieder einen Platz in der Erinnerung bekommen, in: „Frankfurter Neue Presse“ vom 2.9.2023