Holten-Sterkrade (Nordrhein-Westfalen)

Datei:Ruhrgebiet.jpg Karte Holten ist mit derzeit ca. 5.500 Einwohnern Teil des Stadtbezirks Sterkrade - einem Stadtteil von Oberhausen im Ruhrgebiet (Karte Ruhrgebiet um 1940, aus: gen.wiki.genealogy.net  und  Stadtteil-Kartenskizze, Cihad 2018, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0).

 

1504 wurden erstmals Juden in Holten - im Zusammenhang mit einer Übersiedlung nach Duisburg - erwähnt. Während der zweiten Hälfte des 17.Jahrhunderts soll mindestens eine jüdische Familie hier gelebt haben; Beleg dafür ist der Erwerb eines Begräbnisgrundstücks (1691). Im Jahre 1714 wurde durch Moses Simonis ein weiteres Areal - auf dem Veensteg außerhalb Holtens – erworben, das fortan der Gemeinde als ihr Friedhof diente. Um 1840/1850 erfolgte dann eine dauerhafte jüdische Niederlassung im agrarisch geprägten Holten. Die wenigen hier lebenden Familien waren zunächst dem Synagogenbezirk Duisburg angeschlossen. 1877 bildeten sie einen eigenen Synagogenbezirk, dem andere Ortschaften wie Sterkrade, Beek, Bruckhausen, Buschhausen, Marxloh und Hamborn angeschlossen waren. Als um die Jahrhundertwende die Zahl der in den angegliederten Orten lebenden Juden deutlich höher war als in Holten, wurde die Kultusgemeinde 1905 in „Synagogengemeinde Hamborn“ umbenannt. Obwohl die Zahl der Holtener Juden nur gering war, konnte ihr Austritt aus der Hamborner Gemeinde und die Bildung der „Selbstständigen Gemeinde Sterkrade-Holten“ (1910) durchgesetzt werden.

[vgl. Hamborn (Nordrhein-Westfalen)]

Gegen Ende der 1850er Jahre hatten die wenigen jüdischen Familien in Holten ein neues Synagogengebäude auf einem Hinterhofgelände in der Kirchstraße, der heutigen Mechthildisstraße, errichten lassen. Die im nahen Sterkrade wohnenden jüdischen Familien besuchten auch die Synagoge in Holten oder Hamborn, ab Ende der 1920er Jahre die in Oberhausen. Die Holtener Synagoge wurde bis in die 1920er Jahre genutzt. Kontroversen um eine Renovierung des inzwischen verfallenen Gebäudes führten schließlich zu dessen Verkauf; dazu trug auch der Mitgliederschwund der Holtener Gemeinde bei. Das Gebäude wurde später zu einem Wohnhaus umgebaut; es ist bis heute erhalten.

Ehem. Synagogengebäude in Holten (Aufn. A., 2014, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

Jüdische Kinder besuchten die öffentliche Ortsschule; nur Religionsunterricht erteilte ein von der Gemeinde angestellter jüdischer Lehrer.

Einen jüdischen Friedhof gab es in Holten seit Beginn des 18.Jahrhunderts; das kleine, 1714 angekaufte Areal lag unweit des Ortskerns an der Vennstraße. Bis zum Ende des 19.Jahrhunderts wurde die Begräbnisstätte auch von Juden aus Hamborn, Marxloh und Bruckhausen genutzt.

Juden in Holten:

    --- 1855 ..........................  31 Juden,

    --- 1879 ..........................  47   “  ,

    --- um 1910 .......................   7 jüdische Familien,

    --- um 1925 .......................   5     “       “    ,

    --- 1927 ...................... ca. 120 Juden,*     * mit Sterkrade

--- 1933 ...................... ca.  10   “  .

Angaben aus: Michael Brocke (Hrg.), Feuer an dein Heiligtum gelegt - Zerstörte Synagogen 1938 ..., S. 643 (Anhang)

 

Als um 1925 nur noch fünf jüdische Familien in Holten lebten, konnte das Gemeindeleben kaum noch aufrecht erhalten werden. In Sterkrade war die Zahl der jüdischen Familien zu dieser Zeit wesentlich höher; insgesamt sollen es mehr als 100 Personen gewesen sein.

Während des Pogroms vom November 1938 blieb das in Privathand befindliche ehemalige Synagogengebäude in der Mechthildisstraße unangetastet. Die Ritualien und Teile der Inneneinrichtung, die bereits Jahre zuvor in die Hände der Hamborner Gemeinde übergegangen waren, wurden dort aber vollständig vernichtet. Nicht alle Schicksale der Holtener Juden sind bis heute geklärt; die alten Menschen wurden zumeist deportiert.

Der in der NS-Zeit stark verwüstete Friedhof - die letzte Beerdigung fand hier 1924 statt - wurde in den 1990er Jahren wieder in einen ansehbaren Zustand versetzt; etwa 20 - 30 Grabsteine wurden aufgerichtet und restauriert; der älteste Stein stammt aus dem Jahre 1759.

    Jüdischer Friedhof, Vennstraße (Aufn. A., 2014, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)  

Das ehemalige Synagogengebäude wurde jüngst von der Stadt Oberhausen käuflich erworben.

Mehrere sog. „Stolpersteine“ halten in Sterkrade die Erinnerung an nicht-jüdische NS-Opfer wach.

Aufn. A., 2016, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 4.0

 

 [vgl. Oberhausen (Nordrhein-Westfalen)]

 

 

 

Weitere Informationen:

Erik Emig, Jahre des Terrors. Der Nationalsozialismus in Oberhausen. Gedenkbuch für die Opfer des Faschismus, Oberhausen 1967

Gabriele Mrugulla, Studie zur Geschichte der Juden in Oberhausen, Schriftliche Hausarbeit für das Lehramt der Sek.II, Gesamthochschule Duisburg, 1984

Stadt Oberhausen (Hrg.), Der 9.November 1938 in Oberhausen. Eine Dokumentation, Oberhausen 1988

Martina Franzke, Die “Arisierung” jüdischen Eigentums im nationalsozialistischen Deutschland 1933 - 1945. Am Beispiel der Stadt Oberhausen, Diplomarbeit im Fach Sozialwissenschaften, GH Duisburg 1991

Benno Reicher, Jüdische Geschichte und Kultur in NRW - ein Handbuch, in: "Kulturhandbücher NRW", Band 4, S. 218 - 222, Hrg. Sekretariat für gemeinsame Kulturarbeit in NRW, 1993

Ursprünge und Entwicklungen der Stadt Oberhausen - Quellen und Forschungen zu ihrer Geschichte, Band 4, Hrg. Historische Gesellschaft Oberhausen e.V., Verlag Karl Maria Laufen, Oberhausen 1994, S. 15 - 119

Ludger Heid, Jüdische Arbeiterfürsorgeämter im rheinisch-westfälischen Industriegebiet 1919 - 1927, in: "Duisburger Forschungen", Band 43, Duisburg 1997, S. 287 - 310

Ludger Heid, Arbeit und Alltag ostjüdischer Arbeiter im rheinisch-westfälischen Industriegebiet, in: Kirsten Menneken/Andrea Zupancic (Hrg.), Jüdisches Leben in Westfalen, Klartext Verlag, Essen 1998, S. 132 ff.

Michael Brocke (Hrg.), Feuer an dein Heiligtum gelegt - Zerstörte Synagogen 1938 Nordrhein-Westfalen, Ludwig Steinheim-Institut, Kamp Verlag Bochum 1999, S. 410/411

Elfi Pracht-Jörns, Jüdisches Kulturerbe in Nordrhein-Westfalen. Teil II: Regierungsbezirk Düsseldorf, J.P. Bachem Verlag, Köln 2000, S. 246 – 250

Sebastian Mohr, Spurensuche – Jüdisches Leben in Holten, in: "Schichtwechsel", 2/2007 (auch online unter: www.schicht-wechsel.net)

Martin Kleinwächter (Red.), Synagoge in Oberhausen Holten war fast eine Bauruine, in: „WAZ - Westdeutsche Allgemeine Zeitung“ vom 31.8.2019

Martin Kleinwächter (Red.), Stadt hat die ehemalige Synagoge in Holten erworben, in: „WAZ – Westdeutsche Allgemeine Zeitung“ vom 26.11.2019

Ralph Wilms (Red.), Ein „Wegweiser“ zu jüdischen Friedhöfen, in:NRZ- Neue Ruhr-Zeitung“ vom 7.7.2020

Claudia Stein-Laschinsky/Monika Elm, Verlorene Heimat. Die jüdische Gemeinde Holten 1504 - 1941, Verlag Karl Maria Laufen, Oberhausen 2022

Mailin Pannebäcker (Hrg.), Die Jüdischen Friedhöfe in Oberhausen – ein Wegweiser (Taschenbuch), Oberhausen 2020

N.N. (Red.), Gunter Demnig setzt 28 neue Stolpersteine für Oberhausener, in: „NRZ - Neue Ruhr-Zeitung“ vom 17.3.2022