Kattowitz (Oberschlesien)

Jüdische Gemeinde - Hindenburg - Zabrze (Oberschlesien)undefinedErst in der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts entwickelte sich das kleine Dorf Kattowitz, das heutige Katowice, zu einer Großstadt; heute besitzt Katowice mehr als 300.000 Einwohner und ist Hauptstadt der polnischen Woiwodschaft Schlesien (Oberschlesisches Industrierevier, aus: commons.wikimedia.org, gemeinfrei  und  Ausschnitt aus hist. Landkarte von 1905, aus: wikipedia.org, gemeinfrei).

 

Erstmals siedelte sich eine jüdische Familie 1825 in Kattowitz an. Eine jüdische Gemeinde wurde 40 Jahre später (1865) gegründet - im selben Jahr, in dem Kattowitz offiziell die Stadtrechte erhielt. Vor 1850 gehörten die wenigen Juden von Kattowitz dem Myslowitzer Synagogenbezirk an. Nach Gründung einer selbstständigen Gemeinde wurden die jüdischen Familien verschiedener umliegender Orte dem Synagogenbezirk Kattowitz eingegliedert.

Die ersten organisierten Gottesdienste der Kattowitzer Juden wurden ab 1850 in Bogutschütz abgehalten, wo es eine kleine Betstube gab. Die erste Kattowitzer Synagoge - entworfen vom jüdischen Architekten Ignatz Grünfeld - wurde 1861/1862 an der Ecke Grundmann-/Schillerstraße errichtet und im September 1862 von den Rabbinern Deutsch und Jaffé eingeweiht; sie bot ca. 200 Männern und 120 Frauen Platz.

Alte Synagoge in Kattowitz - Aufn. um 1870 (aus: wikipedia.org, gemeinfrei)

kat007.gif The stamp of the Jewish community from the beginning of the 20th century [26 KB] Da bereits Jahre später die Zahl der Gemeindemitglieder sich mehr als verdoppelt hatte, entschloss man sich 1880 zu einem Erweiterungsbau, der aber bald auch nicht mehr ausreichte; deshalb wurde ein größerer Neubau geplant. Mitte September 1900 weihte die jüdische Gemeinde in Kattowitz am damaligen Tiele-Winckler-Platz ihre neue, repräsentative Synagoge ein; das Bauwerk war eines der größten jüdischen Gotteshäuser Deutschlands, in seinem Innern fanden fast 1.200 Menschen Platz; damit wollte die aufblühende Kattowitzer Gemeinde auf ihre Bedeutung hinweisen. Die Synagoge bildete zusammen mit dem Gemeindehaus sowie dem im gleichen Jahr errichteten städtischen Gymnasium eine architektonische Einheit; prägend für die Stadtsilhouette war die riesige Kuppel.

hist. Ansichtskarte (aus: wikipedia.org, gemeinfrei)

 

Neue Synagoge Kattowitz (hist. Postkarten, um 1900/1905)

1860 wurde eine zweiklassige jüdische Privatschule ins Leben gerufen, die dann zehn Jahre später zur öffentlichen Elementarschule erhoben wurde.

Verstorbene Kattowitzer Juden wurden zunächst auf dem jüdischen Friedhof in Myslowitz begraben. Ende der 1860er Jahre erwarb die Gemeinde ein Gelände im Westen der Stadt, das vom Rabbiner aus Beuthen (Dr. Rosenthal) 1868 feierlich eingeweiht wurde. Auf dem Gelände wurde 1870 das erste Begräbnis eines Erwachsenen vorgenommen.

Im Jahre 1884 fand in Kattowitz die erste internationale zionistische Konferenz - eine Versammlung der Chibbat-Zion-Bewegung - statt, auf der die Teilnehmer übereinkamen, neue jüdische Siedlungen in Palästina zu unterstützen.

Juden in Kattowitz:

    --- 1825 ...........................  eine jüdische Familie (ca. 670 Einw.),

    --- 1844 ...........................     17 Juden,

    --- 1855 ...........................    105   “  ,

    --- 1867 ...........................    624   “   (ca. 12% d. Bevölk.),

    --- 1870 ...........................    812   “  ,

    --- 1895 ....................... ca.  1.600   “  ,

    --- 1899 ....................... ca.  2.200   “  ,

    --- 1910 ....................... ca.  3.000   “   (ca. 7% d. Bevölk.),

    --- 1924/25 .................... ca.  4.000   “  ,

    --- 1931 ....................... ca.  5.700   “  ,

    --- 1932 ....................... ca.  9.000   “  ,

    --- 1939 ....................... ca.  8.600   “   (ca. 6% d. Bevölk.),

    --- 1940 ....................... ca.    850   “  .

Angaben aus: P.Maser/A.Weiser, Juden in Oberschlesien, S. 116

 

Am politischen Leben von Kattowitz nahmen Juden regen Anteil; so stellten sie im ausgehenden 19. und beginnenden 20.Jahrhundert einen relativ großen Teil der Stadtverordneten und Magistratsmitglieder (vgl. dazu namentliche Nennung der jüdischen Stadtverordneten in: jewishgen.org/yizkor/katowice/kat006.html).

Kattowitz - Poststrasse.jpgPoststraße in Kattowitz - Postkarte um 1900 (aus: wikipedia.org, CCO)

Das Zusammenleben von jüdischer und christlicher Bevölkerung verlief relativ konfliktfrei, doch gab es innere Spannungen zwischen konservativeren und liberalen Gemeindemitgliedern. Neben einer deutsch-geprägten Gruppierung hatte sich eine „ostjüdische“ Gruppierung gebildet, die sich in ihrer Religiosität und Lebensweise beträchtlich von den hier ‚alteingesessenen’ Juden unterschied. Verschärft wurde der innerjüdische Konflikt dadurch, dass Kattowitz zur Drehscheibe für auswanderungs- und rückkehrwillige „Ostjuden“ wurde, die oftmals auf finanzielle Hilfen angewiesen waren. Aus einem Bericht des Rabbiners Jacob Cohn von 1891: „ ... Viele Monate hindurch passierten den Bahnhof Kattowitz fast täglich Hunderte der Unglücklichen, Männer, Frauen und Kinder. Das Hülfswerk war wohl organisiert, so daß während des Aufenthalts hierselbst die Emigranten, die aus ihren Wohnorten vertrieben, sich in weiter Ferne eine neue Heimat suchen mußten, von gütigen Frauenhänden mit Speise und Trank versorgt wurden. ...”

In einer Volksabstimmung von 1921 entschied sich Kattowitz für den Verbleib beim Deutschen Reich; es fiel aber dennoch 1922 an Polen. Nach der NS-Machtübernahme in Deutschland verschärften sich die nationalen Konflikte zwischen polnischer und deutscher Bevölkerung in Kattowitz erheblich; zu den Hauptleidtragenden dieser Entwicklung zählten die Juden der Stadt, die sich in ihrer Mehrzahl als Deutsche fühlten und aus diesem Grunde von der polnischen Seite entsprechend attackiert wurden. Zudem verschärfte der auch auf polnischer Seite vorhandene Antisemitismus die Spannungen. In den 1930er Jahren kam es seitens der Nationalradikalen zu organisierten Wirtschaftsboykotts, zu Anschlägen auf jüdische Versammlungsstätten und zu Straßenüberfällen; auch die Bauernpartei schlug sich auf die Seite der Antisemiten, indem sie die Auswanderung der Juden forderte; selbst die Sozialistische Partei vertrat einen antijüdischen Kurs. Ab 1935/1937 nahmen Gewalttätigkeiten gegen jüdische Bewohner noch zu: So wurden Schlägertrupps mit antisemitischen Plakaten vor jüdischen Geschäften postiert; nicht selten demolierten sie die Läden. Auch Verbote bestimmter Tätigkeiten mussten Juden akzeptieren. Folge war, das einige Juden aus Kattowitz wegzogen.

Die deutsche Okkupation besiegelte dann das Ende der jüdischen Gemeinde in Kattowitz: Am 5.9.1939 - einen Tag nach der Besetzung der Stadt durch die deutsche Wehrmacht - wurde die Synagoge in Brand gesteckt - unter dem Vorwand, im Gebäude verborgene Heckenschützen unschädlich zu machen. Das Bauwerk brannte völlig nieder, seine Reste wurden danach abgetragen, nach Kriegsende die Freifläche teilweise überbaut.

Gegen Jahresende 1939 war die jüdische Bevölkerung von Kattowitz - bis auf einige hundert Menschen - vollständig aus der Stadt „entfernt“ worden; die deutschen Besatzungsbehörden hatten die allermeisten Juden in die Ghettos Sosnowitz, Tschenstochau, Bedzin abtransportieren lassen. Im Rahmen der sog. „Organisation Schmelt” mussten dann Tausende - darunter auch Kattowitzer Juden - Zwangsarbeit leisten.

"ORGANISATION SCHMELT" bezeichnete die organisierte Zwangsarbeit der jüdischen Bevölkerung im Ostteil Oberschlesiens. Diese Organisation koordinierte von 1940 bis 1944 die Zwangsarbeit in den Arbeitslagern. Zehntausende von Juden wurden zu diesem Zwecke aus den Ghettos herausgeholt und in die Arbeitslager eingewiesen. Eingerichtet wurde diese Organisation vom SS-Brigadeführer Albrecht Schmelt, der als Himmlers "Sonderbeauftragter des Reichsführers der SS für fremdvölkischen Arbeitseinsatz in Oberschlesien" fungierte und als Polizeipräsident von Breslau eingesetzt war.  Ab 1940 wurden kleine Arbeitslager bzw. Werkstätten in Ostoberschlesien einzurichten; diese lagen meist in unmittelbarer Nähe kriegswichtiger Produktionsstätten. Anfangs wurden die jüdischen Lagerinsassen nur bei Außenarbeiten eingesetzt, etwa beim Ausheben von Panzergräben, bei Kanalisations- und Flussregulierungsarbeiten, beim Straßen- und Schienenbau. Später richteten einige Industrieunternehmen Zweigbetriebe in den Lagern ein, oder es wurden eigens Lager in unmittelbarer Nachbarschaft großer Industrieanlagen geschaffen. Die in diesen Werkstätten arbeitenden Juden gingen nach Ende ihrer täglichen Arbeit in ihre Wohnungen bzw. ins Ghetto zurück. Bald dehnte die "Organisation Schmelt" ihren Einflussbereich auch nach Niederschlesien und ins Sudetenland aus und schuf dort neue Arbeitslager. - Ab 1942 wurden die Ghettos liquidiert und ihre Bewohner in das nahegelegene Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert; ein Jahr später wurden die jüdischen Zwangsarbeiter abtransportiert und vernichtet.

 

Nach Ende des Krieges zogen wieder ca. 1.500 polnische Juden in die Stadt Kattowitz/Katowice - zumeist kamen sie aus der Sowjetunion, wo sie die Kriegsjahre überlebt hatten. In der Stadt wurde das 'Jüdische Komitee für Oberschlesien' gegründet, das tausende jüdische Flüchtlinge auf ihren Weg gen Westen unterstützte.

Im Gefolge des Pogrom von Kielce (1946) und der antisemitischen Kampagnen nach 1967 verließen die meisten jüdischen Bewohner die Stadt; es blieben nur wenige hundert, meist alte Menschen zurück. Die heutige jüdische Gemeinschaft von Katowice zählt etwa 100 bis 200 Personen (Stand 2016).

 Aufn. Janusz Szcepanczyk, 2007, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0

Seit 1988 erinnert am ehemaligen Standort der Synagoge ein Gedenkstein an die einstige große jüdische Gemeinde von Kattowitz und deren Angehörige, die Opfer der „Endlösung“ wurden. Die Stiftung „Or Chaim“ hat sich zum Ziel gesetzt, die 1939 zerstörte Synagoge wieder aufzubauen; unterstützt wird diese Initiative von den christlichen Kirchen.

Auf dem jüdischen Friedhof haben sich ca. 1.500 Grabstätten erhalten, z.T. mit monumentalen und repräsentativen Grabmälern. In den letzten Jahren wurde damit begonnen, den Friedhof zu sanieren.

 Cmentarz żydowski w Katowicach 11.JPGCmentarz żydowski w Katowicach 10.JPG

Teilansichten des jüdischen Friedhofs (Aufn. Polar, 2015, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0 pl)

File:Katowice Jewish Cemetery4.jpg

File:Katowice Jewish Cemetery Grünfeld.jpgJüdischer Friedhof in Katowice (Aufn. P. Silesius, 2006, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

 

 

 

Nur wenige Kilometer östlich von Kattowitz liegt Myslowitz (poln. Myslowice, derzeit ca. 74.000 Einw.). Hier bestand am Ende des 19.Jahrhunderts eine starke, recht wohlhabende jüdische Gemeinde, deren Wurzeln bis ins 17.Jahrhundert reichten. Erst Ende der 1840er Jahre konstituierte sich offiziell eine eigene Gemeinde. Doch bereits seit 1826 versammelten sich die Myslowitzer Juden in einem eigenen Betsaal. Ein repräsentatives Synagogengebäude, das maurische und neoromanische Stilelemente besaß, stand am zentralen Wilhelmplatz; es war Ende der 1880er Jahre nach Plänen des Regierungsbaumeisters Ignatz Grünwald hier errichtet und unter Teilnahme einer großen Öffentlichkeit eingeweiht worden.

Synagoge in Myslowitz (Aufn. um 1895) - Siegelmarke der Gemeinde

Ein Begräbnisgelände wurde bereits Ende des 18.Jahrhunderts angelegt; hier wurden auch Verstorbene aus der Region begraben.

Juden in Myslowitz:

    --- 1771 ...........................    43 Juden,

--- 1811 ...........................    89   “  ,

    --- 1869 ........................... 1.040   “   (ca. 16% d. Bevölk.),

    --- 1887 ....................... ca.   900   “  ,

    --- 1910 ...........................   488   “  ,

    --- 1931 ...........................   463   “  ,

    --- 1939 ...........................   162   “   (ca. 1% d. Bevölk.).

                       Angaben aus: Myslowice, in: sztetl.org.pl

Lebensgrundlage der Myslowitzer Juden waren Handel und Arbeit in der hiesigen Industrie. - In den 1880/1890er Jahren diente Myslowitz russischen Juden, die vor Pogromen in der Heimat geflohen waren, als Zwischenstation auf ihrem Wege nach Nordamerika. Während des Ersten Weltkrieges verließ ein Großteil der Myslowitzer Juden die Stadt, um sich in anderen deutschen Großstädten niederzulassen. Im folgenden Jahrzehnt waren mehrheitlich Juden polnischer Nationalität in der Stadt wohnhaft. Wenige Monate nach Kriegsbeginn wurden die meisten vertrieben und in einem Arbeitslager in der Region inhaftiert. Die wenigen verbliebenen wurden 1943 deportiert und ermordet.

Das alte Friedhofsgelände, der bis in allerjüngste Zeit verwahrloste und fast vollkommen von Vegetation überwuchert war, ist 2013 - dank einiger Aktivisten - wieder in einen ansehbaren Zustand versetzt worden.

 

 

 

In der mitten im oberschlesischen Revier liegenden Stadt Schwientochlowitz (poln. Swietochlowice, derzeit ca. 50.000 Einw.) gab es um 1900 eine kleine jüdische Gemeinschaft, die kaum mehr als 100 Angehörige zählte; diese wurden zumeist Opfer der Shoa. Zwischen 1943 und Januar 1945 gab es in der Stadt ein Außenlager von Auschwitz, in dem bis zu 1.300 Häftlinge zur Zwangsarbeit in einem Rüstungsbetrieb eingesetzt worden waren.

 

 

Tarnowitz (poln. Tarnowskie Góry, derzeit ca. 61.000 Einw.) – etwa 25 Kilometer nördlich von Kattowitz gelegen – war seit der zweiten Hälfte des 18.Jahrhunderts Wohnsitz einzelner jüdischer Familien, denen hier seitens der preußischen Herrschaft eine dauerhafte Ansässigkeit gewährt worden war. Aber erst um 1815 kann von einer nennenswerten Zahl jüdischer Einwohner gesprochen werden; um 1880 erreichte die Zahl der Juden in Tarnowitz ihren Zenit mit immerhin mehr als 600 Personen. Eine jüdische Begräbnisstätte wurde 1815/1820 angelegt. An Stelle eines Bethauses wurde Mitte der 1860er Jahre für die Gemeinde, die seit 1854 autonom war, eine neue Synagoge errichtet. Zu den rituellen Einrichtungen zählte auch eine Mikwe, die 1899 erbaut worden war.

              Synagoge in Tarnowitz (hist. Aufn., um 1930)

Juden in Tarnowitz:

    --- 1815 ..........................  24 Juden,

    --- 1823 ..........................  81   “  ,

    --- 1834 .......................... 185   “  ,

    --- 1849 .......................... 301   “   (ca. 6% d. Bevölk.),

    --- 1861 .......................... 415   “  ,

    --- 1885 .......................... 627   “  ,

    --- 1900 .......................... 418   “  ,

    --- 1925 .......................... 193   “   (0,5% d. Bevölk.),

    --- 1936 .......................... 316   “  ,

    --- 1939 .......................... 113   “  .

                       Angaben aus: Tarnowskie Góry, in: sztetl.org.pl

Im ausgehenden 19.Jahrhundert setzte eine Abwanderung jüdischer Familien in Richtung Westen ein. Mit der Zugehörigkeit zum polnischen Staat verließ Anfang der 1920er Jahre ein weiterer Teil der jüdischen Minderheit ihren Wohnsitz, um sich auf deutschem Staatsgebiet niederzulassen. Im Gefolge der NSDAP-Machtübernahme setzte aber wieder Zuwanderung ein. Zionistische Aktivisten gründeten damals hier eine Ausbildungsstätte für auswanderungswillige Juden. Nach dem Einmarsch deutscher Truppen wurde die Synagoge zerstört. Die verbliebene jüdische Bevölkerung wurde im Winter 1940 ins Generalgouvernement „umgesiedelt“. Nach 1945 wurde ein Teil des jüdischen Friedhofs als evangelischer Friedhof verwendet. Bis zum heutigen Tag blieben hier aber noch ca. 200 Grabsteine und die Friedhofshalle erhalten; allerdings ist das Areal zunehmend von der Vegetation überwuchert.

2006 wurde am ehemaligen Standort der Synagoge eine Stele errichtet, die an die einstige Gemeinde der Stadt erinnert.

vgl. Tarnowitz Oberschlesien)

 

 

 

Im oberschlesischen Ruda (poln. Ruda Slaska, derzeit ca. 137.000 Einw.) – ca. 20 Kilometer nordwestlich von Kattowitz – sind einzelne jüdische Bewohner seit der ersten Hälfte des 18.Jahrhunderts nachweisbar. Mit der Entwicklung der Schwerindustrie im 19.Jahrhundert war ein verstärkter Zuzug in die bis dato von Landwirtschaft geprägten Region zu verzeichnen. Seit ca. 1830 gab es eine israelitische Gemeinde. Etwa 30 Jahre später spaltete sich die Gemeinde, indem sich die autonome „Filial-Synagogen-Gemeinde Antonienhütte“ gründete. Eine im maurischen Stile errichtete Synagoge, die drei kugelförmige Kuppeln besaß, datiert von 1891; sie stand inmitten von Industrieanlagen. Zur Zeit der Synagogeneinweihung setzte sich die Gemeinde aus ca. 430 Personen zusammen. Im ersten Kriegsjahr (1939) wurde das Gebäude zerstört.

                                   

                                         Synagoge von Ruda Slaska (hist. Aufn.)                           Ausschnitt einer Bildpostkarte (um 1900)

Während des Zweiten Weltkrieges gab es in der Stadt ein Außenlager von Auschwitz-Birkenau.

 

 

 

In Nicolai (poln. Mikolow, derzeit ca. 41.000 Einw.) - ca. zehn Kilometer südwestlich von Kattowitz gelegen - gab es eine jüdische Gemeinde, deren Wurzeln bis ans Ende des 17.Jahrhunderts zurückreichen. Erste gemeindliche Einrichtung war ein Friedhof – nachweisbar seit 1726.

                        Synagoge von Nicolai (hist. Aufn. um 1920)

Eine aus dem Jahre 1816 stammende Synagoge bildete den Mittelpunkt der im 19.Jahrhundert stark angewachsenen Gemeinde; zu ihrer Blütezeit zählte sie ca. 800 Angehörige.

Juden in Nikolai:

    --- 1758 ..........................   6 Juden,

--- 1787 ..........................  84   “  ,

--- 1825 .......................... 272   “  ,

    --- 1861 .......................... 504   “   (ca. 11% d. Bevölk.),

    --- 1900 .......................... 192   “  ,

    --- 1910 .......................... 175   “  ,

    --- 1928 ..........................  74   “  ,

    --- 1939 ...................... ca. 240   “  .

                         Angaben aus: Mikolow, in: sztetl.org.pl

Zunehmende Abwanderung der jüdischen Bevölkerung ließ die Gemeinde immer kleiner werden; in den 1930er Jahren wurden noch ca. 250 Juden in Nikolai gezählt. Mit Kriegsbeginn kam das Ende der Gemeinde.

http://www.kirkuty.xip.pl/images/kirkutmikolow/mikolow20.jpg Macewa z Mikołowa

Jüdischer Friedhof in Mikolow (Aufn. K. Bielawski, aus: kirkuty.xip.pl)

Auf dem jüdischen Friedhof befindet sich auch ein Massengrab von KZ-Häftlingen aus Auschwitz, die auf einem Evakuierungsmarsch hier ihr Leben verloren.

Das Synagogengebäude wurde in den 1970er Jahren niedergelegt und an gleicher Stelle eine Grünanlage angelegt.

vgl. Nicolai (Oberschlesien)

 

 

 

In der Kleinstadt Berun (poln. Bieruń, derzeit ca. 19.500 Einw.) – ca. 25 Kilometer südlich von Kattowitz – gibt es heute noch einen jüdischen Friedhof, dessen Anlage um 1780 erfolgte. Auf dem während des Zweiten Weltkrieges durch die deutschen Besatzer verwüsteten Begräbnisgelände sind derzeit noch nahezu 50 Grabsteine bzw. -relikte vorhanden.

Cmentarz żydowski - Bieruń ul. Wita.jpg

Jüdischer Friedhof in Bieruń (Aufn. Jacek Czyba, 2011, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

 

 

 

In Slawków – etwa 25 Kilometer östlich von Kattowitz/Katowice, derzeit ca. 7.000 Einwohner – setzte jüdische Ansiedlung erst im Laufe der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts ein. In den Jahrhunderten zuvor war Juden ein Zutritt zur Bischofsstadt nur erlaubt, wenn hier Märkte und Messen abgehalten wurden.

Mit dem Fortschreiten der Industrialisierung (Bergbau/Metallindustrie) setzte gegen 1850/60 verstärkt eine Zuwanderung ein; dies galt auch für Juden, die hier auch einige Fabriken gründeten, in denen zahlreiche Menschen Arbeit und Brot fanden. Doch die überwiegende Mehrheit der jüdischen Zuwandererfamilien gehörte der sozialen Unterschicht an.

Juden in Slawków:

--- 1865 .....................  64 Juden (ca 2% d. Bevölk.),

--- 1889 ..................... 233   “  ,

--- um 1925 .............. ca. 950   “  ,

--- 1933 ................. ca. 820   “  ,

--- 1937 ................. ca. 850   “  .

Angaben aus: http://swietokrzyskisztetl.pl

Um die Jahrhundertwende lebten etwa 230 Juden in der Stadt, mehr als 100 kamen von außerhalb zu ihren Arbeitsstellen. Bis in die 1920er Jahre nahm die Zahl der jüdischen Bewohner in Slawków noch deutlich zu, wobei die meisten ihren Lebensunterhalt im Handelssektor bestritten.

Auf einem 1893 angekauften Grundstück errichtete die Judenschaft wenige Jahre später ein einstöckiges Synagogengebäude; ganz in der Nähe befand sich eine Mikwe. Zu den gemeindlichen Einrichtungen zählte auch ein 1907 angelegter Friedhof.

Friedhof in Slawków (Aufn. E.Stillberg, 2009, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

SŁAWKÓW - Jewish Communities 1918-1939 - Świętokrzyski Sztetl Die offizielle Gemeindegründung war erst im Jahre 1904 erfolgt.

Zu Beginn der 1930er Jahre lebten etwa 800 Juden in der Stadt.

Mit dem deutschen Angriff auf Polen setzte das Ende der jüdischen Gemeinde von Slawków ein. Nach Errichtung des Ghettos (1941) folgte alsbald die Deportation in Arbeitslager bzw. nach Auschwitz.

Das Synagogengebäude war bereits zu Kriegsbeginn verwüstet worden und diente anschließend als Lagerhaus. Nach 1945 war hier zeitweilig ein kommunales Gemeindezentrum untergebracht, heute dient es Wohnzwecken. Eine an der Hauswand abgebrachte Tafel informiert über die einstige Bestimmung dieses Gebäudes.

 

 

 

Weitere Informationen:

Jakob Cohn, Geschichte der Synagogen-Gemeinde Kattowitz O.-S., Festgabe anläßlich der Einweihung der neuen Synagoge am 12.Sept. 1900, Kattowitz 1900 (als Taschenbuch 2014 erschienen)

W. Majowski, Die israelitische Gemeinde, in: 100 Jahre Stadt Kattowitz 1865 - 1965. Ein Jubiläums- u. Gedenkbuch, Bad Salzgitter 1965, S. 73 f.

Stefi Wenzel, Jüdische Bürger und kommunale Selbstverwaltung in preussischen Städten 1808 – 1848, Verlag Walter de Gruyter, Berlin 1967, S.. 126 ff.

Harold Hammer-Schenk, Synagogen in Deutschland. Geschichte einer Baugattung im 19. u. 20.Jahrhundert, Hans Christians Verlag, Hamburg 1981, Teil 1, S. 361/362 und Teil 2, Abb. 131 und 278

Franciszek Piper, Das Nebenlager ‘Eintrachthütte’, in: "Hefte von Auschwitz", 17/1985, S. 91 ff.

A. Konieczny, Die Zwangsarbeit der Juden in Schlesien im Rahmen der "Organisation Schmelt", in: G.Aly (Hrg.), Sozialpolitik und Judenvernichtung, Hamburg 1991

Peter Maser/Adelheid Weiser, Juden in Oberschlesien, Teil I: Historischer Überblick, in: Schriften der Stiftung Haus Oberschlesien, Landeskundliche Reihe 3.1, Gebr. Mann Verlag, Berlin 1992, S. 107 - 121

Adelheid Weiser, Juden in Oberschlesien, in: Zur Geschichte der deutschen Juden. Ostdeutschland - Böhmen - Bukowina, "Kulturpolitische Korrespondenz", 61/1993, S. 17 - 23

Fr.-Carl Schultze-Rhonhof, Geschichte der Juden in Schlesien im 19. u. 20.Jahrhundert, in: "Schlesische Kulturpflege - Schriftenreihe der Stiftung Schlesien", Band 5, Hannover 1995

Aleksandra Namsylo, The religious Life of Katowice jews in the inter-war period, in: M.Wodzinski/J.Spyra (Hrg.), Jews in Silesia, Crakow 2001, S. 125 - 138

The Encyclopedia of Jewish Life before and during the Holocaust (Vol. 2), New York University Press, Washington Square, New York 2001, S. 602 – 604 und S. 864

Zygmunt Karski (Bearb.), German jews (1865-1922), online abrufbar unter: jewishgen.org/yizkor/katowice/kat006.html

Rolf P. Schmitz (Bearb.), The Jewish Community of Katowice, online abrufbar unter: jewishgen.org/yizkor/katowice/kat006.html

Katowice, in: sztetl.org.pl

Myslowitz, in: sztetl.org.pl

Ruda Slaska, in: sztetl.org.pl

Tarnowskie Góry (jüdischer Friedhof), in: kirkuty.xip.pl (mit zahlreichen Aufnahmen)

Mikolow (jüdischer Friedhof), in: kirkuty.xip.pl (mit zahlreichen Aufnahmen)

The jewish community of Katowice, online abrufbar unter: dbs.anumuseum.org.il/skn/en/c6/e172124/Place/Katowice

Schlesische Tourismusorganisation (Hrg.), Ehemalige Synagoge in Slawków, online abrufbar unter: www-slaskie-travel

Matthias Schön (Bearb.), Impressionen vom jüdischen Friedhof in Slawków – Videoclip, einsehbar unter: https://www.youtube.com/watch?v=o5rYhIoFsrk

Beata Pomykalska/Pawl Pomykalski, Auf den Spuren der Juden Oberschlesiens, Hrg. Haus der Erinnerung an die Juden Oberschlesiens - Zweigstelle des Museums in Gleiwitz, 2020