Kettenbach (Hessen)

Datei:Aarbergen in RÜD.svg Kettenbach ist seit 1970 einer von sechs Ortsteilen der Kommune Aarbergen mit derzeit ca. 1.500 Einwohnern im Rhein-Taunus-Kreis - ca. 25 Kilometer nördlich von Wiesbaden bzw. ca. 20 Kilometer südlich von Limburg gelegen (Kartenskizze 'Rhein-Taunus-Kreis', Hagar 2008, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Seit Mitte des 18. Jahrhunderts war die Ortschaft Kettenbach der religiöse Mittelpunkt für die Juden des Aartales, die in den Dörfern Breithardt, Daisbach, Hausen, Holzhausen, Michelbach und Rückershausen lebten. Ausdruck dieser Gemeinschaft war eine um 1765 gegründete „Chewra Kadischa“, die dank regelmäßiger Beiträge ihrer Mitglieder soziale Dienste leisten konnte.

In der Oberstraße verfügte die Gemeinde über eine Synagoge ("Jurreschul"), die um 1760 eingerichtet und ca. 100 Jahre später erneuert worden war; sie besaß auch einen Schulraum und ein rituelles Bad. Im 19.Jahrhundert war zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde zeitweise ein jüdischer Lehrer angestellt.

Untertaunuskreis – Wikipedia(hist. Karte: Lage von Burgschwalbach, aus: wikipedia.org, gemeinfrei)    Verstorbene Gemeindeangehörige wurden nach 1800 auf dem jüdischen Sammelfriedhof in der Gemarkung Burgschwalbach bestattet; er war auch Begräbnisstätte für Juden aus Balduinstein, Hahnstätten, Hausen, Holzhausen ü. Aar, Oberneisen und Rückershausen. Auf dem ca. 2.600 m² großen Gelände - es wurde bis in die 1930er Jahre belegt - befinden sich heute noch ca. 80 Grabsteine.

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20343/Burgschwalbach%20Friedhof%20166.jpg

Der jüdische Friedhof in Burgschwalbach (Aufn. P. Kaminsky, 2017, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0  und  Hans G. Kuhn, 2012, aus: alemannia-judaica.de)

Eine Gemeindebeschreibung (verfasst 1936):

                                      

Die Gemeinde Kettenbach war dem Rabbinat Wiesbaden zugehörig.

Juden in Kettenbach:

         --- 1843 .........................  23 Juden,

             ..................... ca.  65   “  ,*            * gesamte Gemeinde

    --- 1871 .........................  40   “   (ca. 10% d. Bevölk.),

    --- 1895 .........................  54   “  ,

    --- 1905 ..................... ca. 100   “  ,*

    --- 1925 .........................  37   “  ,

    --- 1933 .........................   9 jüdische Familien (ca. 25 Pers.),

    --- 1938 .........................   9 Juden,

    --- 1939 (Jan.) ..................   keine.  

Angaben aus: Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Bd. 1, S. 443

 

Die Juden des Aartales lebten in recht ärmlichen Verhältnissen; ihren Lebensunterhalt verdienten sie im wenig gewinnbringenden Klein- und Hausierhandel. Anfang der 1930er Jahre wohnten noch acht jüdische Familien in Kettenbach. Als die Kettenbacher Juden ab- bzw. auswanderten, wurde 1935 das Synagogengebäude - es befand sich schon längere Zeit in einem schlechten Bauzustand - vom letzten Gemeindevorsteher an eine nicht-jüdische Familie verkauft. Die Ritualien wurden nach Frankfurt/M. verbracht, wo sie im November 1938 zerstört wurden.

Beim Novemberpogrom 1938 wurden die Wohnungen von zwei jüdischen Familien Kettenbachs durch SA-Angehörige überfallen und deren Inneneinrichtung völlig zerstört. Die letzten jüdischen Einwohner Kettenbachs verließen daraufhin bis Ende Dezember 1938 den Ort.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." sind nachweislich sind 15 gebürtige bzw. längere Zeit am Ort wohnhaft gewesene jüdische Personen Opfer der Shoa geworden; aus Rückershausen stammten zehn und aus Hausen zwölf Holocaust-Opfer (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe:alemannia-judaica.de/kettenbach_synagoge.htm).

 

In den 1960er Jahren wurde das ehemalige Synagogengebäude abgerissen. Einen Hinweis auf das einstige jüdische Bethaus vermisst man heute allerdings

 

Hinweis: Detaillierte Informationen zu den jüdischen Familien in Hausen findet man im Aufsatz von Christian Stolz (von 2023), der als PDF-Datei im Portal von Alemannia Judaica (unter KETTENBACH) aufzufinden ist.

 

 

 

Weitere Informationen:

Willi Rau (Bearb.), Ortschronik der Gemeinde Hausen über Aar, 1958 (Anm. enthält wenige Informationen über ehem. jüdische Bewohner von Hausen)

Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Societäts-Verlag, Frankfurt/M. 1971, Bd. 1, S. 442/443

Studienkreis Deutscher Widerstand (Hrg.), Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung 1933 – 1945, Hessen I Regierungsbezirk Darmstadt, 1995, S. 391

Kettenbach mit Daisbach, Hausen über Aar und Rückershausen, in: alemannia-judaica.de

Christian Stolz, Selbst Kinder aus Hausen starben in Auschwitz. Jüdische Vergangenheit in Hausen über Aar und ihr jähes Ende im Nationalsozialismus, 2003 (unter: alemannia-judaica.de)

Arbeitskreis 1125 Jahre Hausen über Aar (Hrg.), Ortschronik, Aarbergen-Hausen über Aar 2004, S. 19/20 (ehem. jüdische Bewohner von Hausen)

Hans G. Kuhn, Aufnahmen des jüdischen Friedhofs von Burgschwalbach, 2012 (zahlreiche Aufn. in: alemannia-judaica.de)