Mies (Böhmen)

 http://www.okz.cz/uws_images/novinky/kdenasnajdete17259-mapa_cr.gif Das 1131 gegründete böhmische Mies - ca. 30 Kilometer westlich von Pilsen/Plzeň gelegen - ist das heutige Stříbro im Bezirk Tachov mit derzeit ca. 7.700 Einwohnern. Der tschechische Ortsname bedeutet übersetzt ‘Silberstadt’ und weist auf den Silbererzabbau in der ‘königlichen Bergstadt’ im Spätmittelalter hin; der deutsche Ortsname stammte von dem gleichnamigen Flüsschen (Ausschnitt aus hist. Landkarte, aus: wikipedia.org/wiki/Böhmische_Westbahn, gemeinfrei  und  Kartenskizze 'Tschechien' mit Mies/Stříbro auf der Karte rot markiert).

 

Ab 1370 wurden erstmals einzelne jüdische Bewohner in Mies erwähnt; allerdings siedelten sie sich nicht dauerhaft hier an. Im Jahre 1568 mussten alle Juden die Stadt verlassen, da ihnen durch königliches Mandat fortan der Aufenthalt in „Bergstädten“ untersagt war. Dieses Reglement wurde mehrfach erneuert, so 1797 bzw. 1825 von der k.u.k. Hofkammer, wonach Juden wegen „Verschleppung der Bergwerksprodukte“ weder geduldet noch zu Jahrmärkten zugelassen werden sollten. An diesen Restriktionen änderte sich bis 1848 nichts.

Eine neuzeitliche israelitische Gemeinde wurde 1890 gegründet; bereits in den Jahrzehnten nach 1850 hatten sich jüdische Familien in Mies niedergelassen. 1879 hatte die hiesige Judenschaft eine Synagoge am Ringplatz errichten lassen.

                Stříbro, Jewish Gate 02.jpgSog. "Judentor" in Stříbro (Aufn. Czeva, 2019, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)

Nahe der Stadt wurde um 1900 ein Friedhof angelegt; zuvor fanden Beerdigungen in Piwana, Dölitschen oder Leiter statt. Zur Gemeinde gehörten nahezu 60 kleinere Ortschaften des Gerichtsbezirks.

Juden in Mies:

    --- 1862 ............................  61 Juden,

    --- 1890 ............................ 130   “  ,

    --- um 1900 ..................... ca. 170   “  ,

    --- 1921 ........................ ca. 300   “  ,*     * gesamte Gemeinde

    --- 1930 ............................ 127   “  ,

    --- 1939 (Mai) .................. ca.  70   “  .

Angaben aus: International Jewish Cemetery Project

und                 Jewish families from Stříbro (Mies), Bohemia, Czech Republic ...

           Stribro Mies zentraler Platz in Mies (hist. Postkarte)

 

Ihren Lebensunterhalt bestritten die Mieser Juden fast ausschließlich als Kaufleute; einige besaßen am Ort Industriebetriebe. Anfang der 1930er Jahre lebten noch ca. 100 jüdische Bewohner in Mies. Nach der Annexion des Sudetenlandes durch die deutschen NS-Machthaber 1938 verließen fast alle Juden ihren Wohnort.

Während der „Kristallnacht“ vom November 1938 zog eine Menschenmenge - sie war durch eine Rede eines SA-Führers auf dem Marktplatz aufgeputscht worden - zur Synagoge und zertrümmerte die gesamte Inneneinrichtung; anschließend schleppte man das zerstörte Mobiliar zum Marktplatz, wo es - auf Anregung des Bezirkshauptmanns – „symbolisch“ den Flammen ausgesetzt wurde.

Das Synagogengebäude diente in den folgenden Jahren verschiedenen Zwecken: Nach Nutzung durch die HJ war es während des Krieges Unterkunft für in Gefangenschaft geratene französische Offiziere. In den 1960er Jahren wurde das Gebäude nach umfangreichen Umbauten zu einem Labor einer landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft umfunktioniert. Gegenwärtig ist hier ein Einrichtung für Kinder/Jugendliche untergebracht.

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Friedhof in Stříbro (Aufn. Krabat, 2012, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0)

 

 

 

Im ca. 18 Kilometer südlich von Mies gelegenen Dorfe Dölitschen (tsch. Telice, heute ein Ortsteil der Kommune Prostiboř) sind jüdische Familien erstmals seit Beginn des 18.Jahrhunderts nachweisbar. Die kleine Gemeinde löste sich um 1890/1900 auf; die verbliebenen Juden schlossen sich der Kultusgemeinde Mies an. Der hiesige jüdische Friedhof wurde von den umliegenden kleinen Ortschaften weiter benutzt.

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Jüdischer Friedhof in Telice (Aufn. Krabat, 2012, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0)

 

 

 

In Schweißing (tsch. Svojšín, derzeit kaum mehr als 400 Einw.) – wenige Kilometer westlich von Mies – hatte sich bereits im 16.Jahrhundert eine jüdische Gemeinschaft zusammengefunden. Die Ersterwähnung eines eigenen Friedhofs – an einem Hang an der Straße von Leiter nach Oschelin – stammt aus dem Jahre 1660. Der bis gegen Mitte des 19.Jahrhunderts genutzte „Tempel“ war ein niedriges schindelgedecktes Haus, das dann durch ein gemauertes Gebäude (am westlichen Dorfplatz) ersetzt wurde.

Um 1850 lebten in Schweißing 17 jüdische Familien. Etwa vier Jahrzehnte später setzte sich die gesamte Kultusgemeinde – zu ihr zählten auch die jüdischen Bewohner umliegender Dörfer (Leiter, Milikau, Tschernoschin) – knapp 200 Personen.

1895 wurde der „Tempel“ in Schweißing aufgegeben und an einen christlichen Einwohner verkauft, der das Gebäude fortan zu Wohnzwecken nutzte.

 

 

 

In Piwana (tsch. Pňovany, derzeit etwa 400 Einw.) hatten sich in der zweiten Hälfte des 16.Jahrhunderts erstmals jüdische Familien niedergelassen. Ihre Häuser lagen inmitten des Dorfes nahe beim Schloss. Um 1850 lebten zehn Familien im Dorf; vier Jahrzehnte später hatte sich die Zahl der jüdischen Dorfbewohner auf 18 Personen reduziert. Neben einem Bethaus verfügte die kleine Gemeinde auch über einen Begräbnisplatz, der sich auf einer abgelegenen Anhöhe südlich des Dorfes befand.

Das ehemalige Synagogengebäude wurde nach 1945 zu einem Feuerwehrgerätehaus umgebaut.

Der ehemalige jüdische Friedhof, der mit einer Mauer aus Bruchsteinen umfriedet ist, ist fast völlig in Vergessenheit geraten und macht einen recht verwahrlosten Eindruck.

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Jüdischer Friedhof in Pňovany (Aufn. aus: jewish-route.eu)

 

 

Im Dorf Wilkischen (tsch. Vlkys) sind seit Ende des 18.Jahrhunderts jüdische Familien nachweisbar. Allerdings waren es stets nur wenige; so lebten hier um 1850 nur vier Familien.

 

 

Im ca. 15 Kilometer entfernten kleinen Dorf Nedraschitz (tsch. Nedražice) waren gegen Mitte des 19.Jahrhunderts ca. zehn Familien mosaischen Glaubens ansässig. 1891 hatte sich die jüdische Bevölkerung auf knapp 20 Personen dezimiert. Einen eigenen Friedhof besaß die winzige Gemeinde nicht; sie nutzte das Begräbnisgelände in Dölitschen (Telice).

 

 

 

Weitere Informationen:

Wenzel Wach (Bearb.), Geschichte der Juden in Mies und Umgebung, in: Hugo Gold (Hrg.), Die Juden und Judengemeinden Böhmens in Vergangenheit und Gegenwart, Brünn/Prag 1934, S. 113/114 und S. 399 - 402

Karl Watzka, Excerpten aus der Chronik der Stadt Mies 1131 - 1875, Dinkelsbühl 1957

The Encyclopedia of Jewish Life before and during the Holocaust (Vol. 3), New York University Press, Washington Square, New York 2001, S. 1252 (Stribro)

Jörg Osterloh, Nationalsozialistische Judenverfolgung im Reichsgau Sudetenland 1938 - 1945, in: "Veröffentlichungen des Collegium Carolinum", Band 105, Verlag R. Oldenbourg, München 2006, S. 214 f.

Zuzana Kríová, Stribro. Neighbours who disappeared. Schülerarbeit o.J. (PDF-Datei)

Jewish families from Stříbro (Mies), Bohemia, Czech Republic, online abrufbar unter: geni.com/projects/Jewish-families-from- ...