Pfeddersheim (Rheinland-Pfalz)

Datei:Rheinhessen 1905.png – Wikipedia  Pfeddersheim ist seit 1969 ein im Westen der Stadt Worms liegender Stadtteil mit derzeit knapp 7.000 Einwohnern (Ausschnitt aus hist. Karte von 1905, aus: wikipedia.org, gemeinfrei und Kartenskizze 'Stadtbezirke Worms', G. 2009, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Jüdische Familien siedelten sich nachweisbar bereits in der ersten Hälfte des 15.Jahrhunderts in der damaligen Reichsstadt Pfeddersheim an. Der hiesige Rat begründete 1466 deren Zuzug damit, dass die Pfeddersheimer Bürger für ihre Geldgeschäfte (Geldleihe) nicht mehr "nach Worms unter die Juden zu laufen" hätten. Die jüdischen Familien in Pfeddersheim wohnten in der „Judengasse“, der heutigen St. Georgenstraße zwischen nördlicher Stadtmauer und Simultankirche. Die Juden betrieben hier Geld- in Verbindung mit Pfandhandel. Unter dem Schutz des Stadtherrn, des Mainzer Erzbischofs, konnten sie fast ein halbes Jahrhundert hier leben.

Im Gefolge der Vertreibungen der Juden aus der Kurpfalz mussten um 1470 auch die in Pfeddersheim wohnenden jüdischen Familien den Ort verlassen. Erst knapp zwei Jahrhunderte später lassen sich erneut Ansiedlungen von Juden in Pfeddersheim belegen.

       http://www.weinstadt-worms.de/weinstadt-wAssets/img/Aktuelles/500J_Ansicht-Pfeddersheim-1.jpgOrtsansicht von Pfeddersheim, 1645 (Kupferstich M. Merian)

Um 1650 sollen fünf jüdische Familien aus Pfeddersheim die jüdische Gemeinde Mannheim gegründet haben.

Die nur wenigen Juden von Pfeddersheim gehörten anfänglich zur Synagogengemeinde Worms; erst Mitte der 1830er Jahre konstituierte sich im Ort eine eigene Religionsgemeinde; bereits Jahrzehnte zuvor hatte sich die hiesige Judenschaft zu Gottesdiensten in einem Raume eines Privathauses versammelt. Knapp zehn Jahre nach der Gemeindegründung wurde ein kleines, schmuckloses Synagogengebäude errichtet und eingeweiht; in einem Anbau war die Lehrerwohnung untergebracht.

Seit 1842 zählten die Juden aus Pfiffligheim zur Synagogengemeinde Pfeddersheim; als um die Jahrhundertmitte die Zahl der Pfiffligheimer Juden gewachsen war, benutzte man seitdem die Bezeichnung „Israelitische Gemeinde Pfeddersheim-Pfiffligheim“.

Religiöse Aufgaben der Gemeinde verrichtete ein in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts angestellter ein Lehrer.

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20129/Pfeddersheim%20Israelit%2012111885.jpg 

Kleinanzeigen aus der Zeitschrift „Der Israelit“ vom 12.Nov. 1885 und vom 20.Juli 1891

Etwa zeitgleich mit der Gemeindegründung war ein jüdischer Friedhof an der Leiselheimer Straße, nahe des kommunalen Friedhofs angelegt worden; zuvor hatten Verstorbene auf dem Friedhof von Dalsheim ihre letzte Ruhe gefunden.

Die Gemeinde gehörte zum Bezirksrabbinat in Worms.

Juden in Pfeddersheim:

    --- um 1450/60 ................... ca.   6 jüdische Familien,

--- 1722 .............................   4     “       “    ,

    --- 1743 .............................   2     “       “    ,

    --- 1806 .............................  46 Juden,

    --- 1861 .............................  75   “   (3,5% d. Bevölk.),

    --- 1871 .............................  58   “  ,

    --- 1900 .............................  34   “  ,

    --- 1929 .............................  15   “  ,

    --- 1938 .............................   3 jüdische Familien.

Angaben aus: Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Bd. 2, S. 196

 

Die Pfeddersheimer Juden lebten im 19.Jahrhundert vom Handel und von Gewerbebetriebe; sie wohnten vor allem in der Georgenstraße, die im Volksmund „Judengasse“ genannt wurde. Gegen Ende des Jahrhunderts war durch Abwanderung und Überalterung die Zahl der Gemeindeangehörigen so stark zurückgegangen, dass bald keine Gottesdienste mehr abgehalten werden konnten; so blieb die Synagoge ab dem Ersten Weltkrieg ungenutzt; die Kultgegenstände wurden der Wormser Kultusgemeinde übereignet. Um 1920 wurde die jüdische Gemeinde Pfeddersheim offiziell aufgelöst; die wenigen im Dorfe verbliebenen Juden suchten abwechselnd die Synagogen in Monsheim und Wachenheim auf.

Nach 1933 verließen fast alle jüdischen Bewohner ihr Heimatdorf. Im November 1938 hielten sich noch drei jüdische Familien in Pfeddersheim auf; sie mussten miterleben, wie ihre Wohnungen bzw. ein Geschäftshaus vollständig demoliert wurden. Während des Pogroms blieb das Synagogengebäude, das noch im Besitz der nicht mehr existierenden Gemeinde war, unbeschädigt; drei Jahre später ging es in Privatbesitz über und wurde fortan als Stallung bzw. Speicher genutzt. 

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." wurden neun aus Pfeddersheim stammende jüdische Bürger Opfer der "Endlösung" (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/pfeddersheim_synagoge.htm).

Das seit den 1980er Jahren im Besitz eines Weingutes befindliche ehemalige Synagogengebäude wurde 2002/2004 grundlegend saniert und dient heute als Gastraum.

                 Vor dem Gebäude informiert eine Tafel mit den Worten:

Ehemalige Synagoge, erbaut 1843

Eine der wenigen erhaltenen typischen rheinhessischen Landsynagogen mit Frauenempore und Lehrerhaus, bis 1921 in ritueller Funktion.

Nach Verkauf profane Nutzung.

Ehem. Betraum (Aufn. Christel Pruessner, um 2010)

Auf dem auf einer kleinen Anhöhe gelegenen Friedhof (Leiselheimer Straße) sind heute noch ca. 65 Grabsteine vorhanden; der älteste stammt aus dem Jahre 1834.

Jüdischer Friedhof in Pfeddersheim (Aufn. J. Hahn, 2005)  http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%2059/Pfeddersheim%20Friedhof%20108.jpg

 

 

 

Weitere Informationen:

Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Societäts-Verlag Frankfurt/M. 1971, Bd. 2, S. 196 f.

Germania Judaica, Band III/2, Tübingen 1995, S. 1103 - 1106

Irene Spille, Juden in Pfeddersheim im 19. und 20.Jahrhundert. Darstellung der Geschichte der Gemeinde, der Synagoge und des Friedhofs, in: „'Der Wormsgau'. Wissenschaftliche Zeitschrift der Stadt Worms und des Altertumsverein e.V.", 18/1999, S. 179 - 200

Gerold Bönnen, Der Novemberpogrom 1938 in Worms und seinem Umland im Spiegel staatsanwaltschaftlicher Ermittlungsakten der Nachkriegszeit, in: „'Der Wormsgau'. Wissenschaftliche Zeitschrift der Stadt Worms und des Altertumsverein e.V.", 19/2000, S. 155 - 182

Stefan Fischbach/Ingrid Westerhoff (Bearb.), “ ... und dies ist die Pforte des Himmels “. Synagogen. Rheinland-Pfalz Saarland, Hrg. Landesamt für Denkmalpflege, Mainz 2005, S. 407/408

Pfeddersheim, in: alemannia-judaica.de (mit Dokumenten zur jüdischen Ortshistorie)

Kulturinitiative Pfeddersheim (Red.), Die Pfeddersheimer Synagoge, online abrufbar unter: akpfeddersheim.de/ueber-pfeddersheim/21-veroeffentlichungen/83-synagogespille