Pömbsen (Nordrhein-Westfalen)

Datei:Bad Driburg in HX.svg Karte  Das etwa 500 Bewohner zählende Pömbsen ist seit 1970 ein Ortsteil von Bad Driburg im ostwestfälischen Kreis Höxter - ca. 30 Kilometer östlich von Paderborn gelegen (Kartenskizzen 'Kreis Höxter' und 'Ortsteile Bad Driburg', TUBS 2008, aus: commons.wikipedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

In Pömbsen existierte seit Mitte des 19.Jahrhunderts eine autonome jüdische Synagogengemeinde. Die ersten jüdischen Familien siedelten sich etwa um 1700 dauerhaft an; sie durften sich aber nur am Ortsrande niederlassen; noch nach Ende des Dreißigjährigen Krieges soll Juden der Zuzug verweigert worden sein; erst die Zustimmung des Paderborner Bischofs machte den Weg für eine spätere Ansiedlung von Juden frei.

Die Gemeinde verfügte ab Mitte der 1880er Jahre über einen pavillonartigen, zweigeschossigen Synagogenbau mit etwa 70 Plätzen (40 für Männer, 30 für Frauen), der einen seit etwa 1800 bestehenden Betraum in einem Anbau eines jüdischen Privathauses (der Familie Rose) ablöste. Der Bau dieses oktogonalen Backsteingebäudes (an der heutigen Gerhard-Löddige-Straße) - für eine kleine Dorfgemeinde ein recht ungewöhnlicher Bau - brachte die kleine Gemeinde in arge finanzielle Bedrängnis.

Pastor Zoor beschrieb das Synagogengebäude wie folgt: " Es war ein beeindruckender Bau, aus Backsteinen, massiv, zweigeschossig, auf achteckigem Grundriss errichtet. Das Kuppeldach wurde von einer so genannten Laterne beschlossen. An der Ostseite, Richtung Jerusalem, befand sich ein Anbau, in dem der Thoraschrein aufbewahrt wurde. Es gab der jüdischen Tradition entsprechend eine Frauenempore mit 30 Plätzen, für die Männer im unteren Bereich war Platz für 40 Beter. Dieser ehrwürdige und stolze Bau wurde von einer hohen Backsteinmauer von der Straße abgeschirmt."

Die Initiative zu diesem Neubau war vom damaligen Gemeindevorstehrer, dem Kaufmann Yitzhak Rose, ausgegangen, der auch das Baugrundstück als Schenkung der Gemeinde übereignete. 

Die Inneneinrichtung konnte nur durch Gelder einer erfolgreichen Kollekte in Gemeinden der Region erworben werden. Simon Grünewald, Lehrer in Siegen, beschrieb diese in seinen Erinnerungen: Über dem Thoraschrein der Ostwand standen auf einem Brett über der heiligen Lade zwei holzgeschnitzte Löwen, die mit ihren Vordertatzen zwei zusammenhängende Holztafeln trugen. Auf ihnen waren je ein Anfangswort der zehn Gebote geschrieben. Der Almemor stand auf einem Podium in der Mitte des Gebetraumes. Die Frauensynagoge hatte einen besonderen Eingang und lag eine Treppe hoch hinter der Männerabteilung. Die Gebetszeiten wurden streng eingehalten, und es gab niemanden, der den Gottesdienst versäumt hätte.“

                                   Synagoge in Pömbsen (Aufn. W. Schonstadt)

Die Juden von Pömbsen galten als besonders strenggläubig. Aus den Jugenderinnerungen von Simon Grünewald: „ ... Die Gebetzeiten wurden streng eingehalten, und es gab niemanden, der den Gottesdienst versäumt hätte. Zu den Selichothtagen begann man damit schon nachts um 4 Uhr, wenn es noch stockfinster war. ... Uns Kindern aber fiel es sehr schwer, aus der Dunkelheit aus dem warmen Bett zu steigen und durch die kalte Herbstluft in die Synagoge zu gehen, die übrigens auch im Winter nicht geheizt war. Sogar alle Beschneidungen fanden selbst bei strengster Kälte in der Synagoge statt. .... Jeder Fastentag wurde streng inne gehalten. ... so daß die Bauern spöttisch sagten: ‘Die Juden hungern oder essen sich tot!’'.                                               

Nach 1900 wurde es zunehmend für die Pömbsener Judenschaft schwieriger, einen Minjan zu stellen; so wurde dann der Synagogenraum immer seltener benutzt.

Verstorbene Pömbser Juden wurden auf dem jüdischen Friedhof in Nieheim begraben.

Juden in Pömbsen:

--- 1802 ...........................  4 jüdische Familien (davon 3 mit Schutzbriefen),

--- 1810 ..........................  5     “        “   ,

--- 1843 ........................... 46 Juden,

--- 1858 ........................... 41   “  ,

--- 1871 ........................... 44   “  ,

--- 1885 ........................... 39   “  ,

--- 1895 ........................... 33   “  ,

--- 1905 ........................... 28   “  ,

--- 1925 ........................... 24   “  ,

--- 1933 ........................... 24   “  (in 4 Familien).

Angaben aus: Michael Brocke (Hrg.), Feuer an dein Heiligtum gelegt - Zerstörte Synagogen 1938 ... , S. 645

und                 Ulrich Pieper (Bearb.), Bad Driburg-Pömbsen, in: Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinschaften , S. 186

 

Zu Beginn der 1930er Jahre lebten in Poembsen noch vier jüdische Familien.

1936 feierte die kleine Gemeinde das 50jährige Bestehen ihrer Synagoge. Da die zur Feierlichkeit benötigte eigene Thorarolle unbrauchbar geworden war, lieh man sich zu diesem Zweck eine aus der Arolsener Synagogengemeinde aus.

Während des Novemberpogroms von 1938 wurde die Pömbser Synagoge in Brand gesteckt und völlig zerstört; bereits in der Nacht zuvor hatten Unbekannte das Gotteshaus aufgebrochen und die Einrichtung beschädigt. Die Ruine wurde Monate später abgerissen, nachdem das Grundstück ins Eigentum der Kommune übergegangen war.

In Pömbsen soll es damals zu den schwersten Ausschreitungen im Paderborner Raum gekommen sein; bei diesen wurden auch jüdische Privathaushalte verwüstet und geplündert.

Mindestens 17 gebürtige Pömbsener Juden wurden Opfer der Shoa.

Von den fünf im Jahre 1949 angeklagten Personen aus Bad Driburg, die für die Exzesse während der Novembertage 1938 in Pömbsen hauptverantwortlich waren, wurden zwei zu mehrmonatigen Haftstrafen verurteilt. Die Brandstiftung der Synagoge konnte ihnen aber nicht nachgewiesen werden.

 

Seit 1989 erinnert ein Gedenkstein am ehemaligen Standort der Synagoge mit einer bronzenen Gedenktafel an das jüdische Gotteshaus; die Tafel trägt folgende Inschrift:

Suchet der Stadt Bestes und betet für sie zum Herrn,

Jeremia 29,7

Dem Gedenken der Jüdischen Gemeinde in Pömbsen, deren Synagoge bis zum Jahre 1938 hier stand.

 

Im Gedenken an die zehn jüdischen Familien, die zu Beginn der NS-Zeit im Dorf lebten, stifteten Bürger aus Pömbsen und anderen Ortschaften jeweils einen Rosenstamm; gepflanzt wurden die Rosen an dem neu gestalteten Platz in der Gerhard-Löddige-Straße (2014).

 

 

 

Weitere Informationen:

Simon Grünewald, „An diesem Dorf hing ich mit ganzer Seele ..“ Jüdische Erinnerungen an Kindheit und Jugend in Pömbsen, o.O.,o.J.

Die Kristallnacht in Pömbsen vor dem Schwurgericht, in: "Freie Presse", No. 171 vom 21.11.1949

Adolf Diamant, Die kleine Gemeinde mit stolzer Synagoge. Von den Juden in Pömbsen in Westfalen, in: "Allgemeine Jüdische Wochenzeitung" vom 5.1.1979

Rudolf Muhs, Die Geschichte der jüdischen Gemeinden und Synagogen im Raum Höxter-Warburg, in: "Jahrbuch des Kreises Höxter 1989", S. 211 f.

Michael Brocke (Hrg.), Feuer an dein Heiligtum gelegt - Zerstörte Synagogen 1938 Nordrhein-Westfalen, Ludwig Steinheim-Institut, Kamp Verlag, Bochum 1999, S. 430/431 und S. 645 (Anhang)

Elfi Pracht, Jüdisches Kulturerbe in Nordrhein-Westfalen, Band III: Regierungsbezirk Detmold, J.P. Bachem Verlag, Köln, S. 154 - 159

Margit Naaamann, Ende und Neuanfang. Zum Schicksal der ländlichen Juden im Hochstift Paderborn 1933 - 1945, in: Stefan Baumeier/Heinrich Stiewe (Hrg.), Die vergessenen Nachbarn. Juden auf dem Lande im östlichen Westfalen, Schriften des Westfälischen Freilichtmuseums Detmold, Verlag für Regionalgeschichte, Bielefeld 2006, S. 250/251

Ulrich Pieper (Bearb.), Bad Driburg-Pömbsen, in: Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinschaften in Westfalen und Lippe. Die Ortschaften und Territorien im heutigen Regierungsbezirk Detmold, Ardey-Verlag, Münster 2013, S. 184 - 188

Jürgen Köster (Red.), Gedenken unter Rosen – Dorfgemeinschaft will an jüdische Mitbürger erinnern, in: „Warburger Kreisblatt“ vom 18.8.2014

Silke Riethmüller (Red.), Pömbsen. Rosenstämme erinnern an Mitbürger, in: „Neue Westfälische Zeitung“ vom 19.8.2014