Rheinböllen/Hunsrück (Rheinland-Pfalz)

Datei:Rheinböllen in SIM.svg   Lageplan rheinboellen.jpg Rheinböllen - derzeit ca. 4.000 Einwohner zählend - ist eine Kleinstadt im Rhein-Hunsrück-Kreis und einer der beiden Verwaltungssitze der Verbandsgemeinde Simmern-Rheinböllen - ca. 25 Kilometer nordwestlich von Bad Kreuznach gelegen (Kartenskizzen 'Hunsrück-Kreis' mit Lage von Rheinböllen rot markiert, Hagar 2009, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0  und  aktuelle Straßenkarte, aus: wikipedia.org, CCO).

 

Die ersten Juden kamen nachweislich im Laufe der zweiten Hälfte des 18.Jahrhunderts nach Rheinböllen. Da die hiesige Bevölkerung stark konfessionell geprägt war, hatten es die wenigen jüdischen ansässigen Familien zunächst schwer, sich ins Gemeinwesen zu integrieren. Sie verdienten zumeist als Kramwaren- und Viehhändler sowie als Metzger ihren Lebenserwerb.

1830/1840 richteten die Juden Rheinböllens „Im Brühl“ eine kleine Synagoge ein. Der einfache Fachwerkbau bot nur etwa 25 Männern Platz; zudem war eine winzige Frauenempore vorhanden. Die jüdischen Kinder besuchten im 19.Jahrhundert eine der christlichen Schulen; nur für den Religions- und Hebräischunterricht beauftragte die Gemeinde einen Religionslehrer. In einem Bericht von 1841 hieß es:

„ ... Die Bürgermeisterei Rheinböllen zählt 75 jüdische Seelen. Davon wohnen 71 mit 17 schulpflichtigen Kindern in Rheinböllen. ... Die Kinder werden in den beiden christlichen Schulen ... unterrichtet. Zur Erteilung des Religionsunterrichtes und der hebräischen Sprache hielt sich die Gemeinde immer einen dazu passenden jungen, unverheirateten Mann der Umgegend, welcher gleichzeitig das Amt des Schächters mit versah und für die beiden Dienstleistungen nach Übereinkommen mäßig belohnt wurde.”

Anträge auf Einrichtung einer jüdischen Elementarschule wurden auf Grund der geringen Schülerzahlen stets abschlägig beschieden.

Dass die kleine Gemeinde in Rheinböllen kaum über finanzielle Mittel verfügte, kann der folgenden Anzeige entnommen werden, die 1892 in der Zeitschrift "Der Israelit" erschien:

Einen Kantor konnte sich die Gemeinde finanziell auch nicht leisten; deshalb wurden die Vorbeterdienste von Gemeindeangehörigen übernommen. Nur zu hohen Feiertagen griff man auf einen „geschulten“ Vorbeter zurück.

  gemeindliche Stellenangebote von 1900/1908

Weit außerhalb des Ortes - zwischen der Straße nach Erbach und der nach Bacharach - legte die Judenschaft 1845 ein kleines, schwer zugängliches Bestattungsgelände an; zuvor war der jüdische Friedhof in Simmern genutzt worden.

Juden in Rheinböllen:

    --- 1808 .......................... 34 Juden,

    --- 1823 .......................... 64   “  ,

    --- 1841 .......................... 92   “  ,

    --- 1913 .......................... 33   “  (in 8 Familien),

    --- 1925 .......................... 26   “  ,

    --- 1930/33 .......................  7 Familien,

    --- 1938 .......................... 22 Juden,

    --- 1942 ..........................  ?   “  .

Angaben aus: Dieter Diether, Die jüdische Gemeinde in Rheinböllen

 

Ende des 19.Jahrhunderts waren die Juden Rheinböllens weitgehend in die Ortsbevölkerung integriert; die religiösen Gesetze wurden von ihnen aber weiterhin streng eingehalten.

Zwei Jahre nach der NS-Machtübernahme wurden die Lebensbedingungen der Juden in Rheinböllen zunehmend schwieriger. Auf Verlangen der NSDAP-Kreisleitung beschloss der Gemeinderat am 27.August 1935 ei, dass „Schädlinge des deutschen Volkes, insbesondere solche Volksgenossen, die heute noch Verkehr und Geschäfte mit Juden pflegen, ... auszuschließen” sind. „Ebenso steht Juden die Benutzung des Gemeindebackhauses und anderer Gemeindeeinrichtungen nicht mehr zu.” Wochen vor dem Novemberpogrom von 1938 war das Synagogengebäude an einen Privatmann verkauft worden; deswegen blieb das Gebäude in der „Reichskristallnacht“ auch unversehrt; einige Gegenstände aus der Synagoge sind erhalten geblieben.

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20388/Rheinboellen%20KK%20MZ%20Hessel%20Heinrich.jpg J-Kennkarte für Heinrich Hessel, geb. 1866 in Rheinböllen

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des „Gedenkbuches – Opfer der Verfolgung der Juden ...“ wurden 30 gebürtige bzw. längere Zeit in Rheinböllen ansässig gewesene jüdische Bewohner Opfer der „Endlösung (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/rheinboellen_synagoge.htm.)

 

Der ca. 900 m² große jüdische Friedhof Rheinböllens ist heute noch relativ gut erhalten; der älteste von noch ca. 35 vorhandenen Grabsteinen trägt die Jahreszahl 1867.

   Aufn. Otmar Frühauf, 2009

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20238/Rheinboellen%20Synagoge%20101.jpg Ehem. Synagogengebäude (Aufn. Landesamt)

Seit 1997 erinnert am ehemaligen Synagogengebäude (Bacharacher Str.) eine von Jugendlichen der katholischen Kirchengemeinde angebrachte Tafel an die ehemalige kleine jüdische Kultusgemeinde in Rheinböllen; diese trägt die Inschrift:

Zum Gedenken an die jüdischen Mitbürger,

die in diesem Hause bis 1938 ihren Gottesdienst feierten.

 

 

 

Weitere Informationen:

Gustav Schellack, Judenpogrom: Die sog. ‘Reichskristallnacht im mittleren Hunsrück, in: "Hunsrücker Heimatblätter", No. 28/1988, S. 162 - 166

Dieter Diether, Die jüdische Gemeinde von Rheinböllen, in: "Rhein-Hunsrück-Kalender 1989", S. 69 - 73

Ulrike Weinert, Die Machtergreifung der Nationalsozialisten dargestellt an den Ereignissen in Rheinböllen, Facharbeit am HJG Simmern

Gustav Schellack, Ein Kapitel jüdischer Schulgeschichte in Rheinböllen, in: "Hunsrücker Heimatblätter", No. 35/1995, S. 322 - 326

Hans-Werner Ziemer, Die jüdischen Gemeinden im Jahre 1913 in Orten des heutigen Rhein-Hunsrück-Kreises, in: "Hunsrücker Heimatblätter", No. 36/1996, S. 436

Peter Hofmann, Die Juden in Rheinböllen (Referat), o.J.

Christof Pies, Jüdisches Leben am Rhein-Hunsrück-Kreis, in: 100 Jahre Hunsrücker Geschichtsverein e.V. 1901 - 2001, No. 116 (Sondernummer), Jg. 41/2001, S. 380 - 395

Christof Pies, Jüdisches Leben im Rhein-Hunsrück-Kreis, in: "Schriftenreihe des Hunsrücker Geschichtsvereins e.V.", No. 40/2003, S. 268 – 281

Stefan Fischbach/Ingrid Westerhoff (Bearb.), “ ... und dies ist die Pforte des Himmels “ . Synagogen. Rheinland-Pfalz Saarland, Hrg. Landesamt für Denkmalpflege, Mainz 2005, S. 320

Rheinböllen, in: alemannia-judaica.de (mit einigen Dokumenten zur jüdischen Ortshistorie)