Völkershausen (Thüringen)

Bildergebnis für wartburgkreis ortsdienst karte  Karte Völkershausen mit seinen derzeit ca. 1.200 Einwohnern gehört heute zur Verbandsgemeinde Vacha/Wartburgkreis - etwa 30 Kilometer östlich vom hessischen Bad Hersfeld gelegen (Kartenskizzen 'Wartburgkreis', aus: ortsdienst.de/thueringen/wartburgkreis  und  'Vachaer Ortsteile', Metilsteiner 2014, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Im Dorfe Völkershausen in der Nähe von Vacha sollen um 1590 wenige jüdische Familien gelebt haben; sie waren von der adligen Grundherrschaft aufgenommen worden. In den Wirren des Dreißigjährigen Krieges wurden die meisten Hofstätten des Dorfes verwüstet. Wenige Jahre nach Kriegsende zogen erneut Juden nach Völkershausen; zunächst lagen ihre Behausungen in der Judengasse, später lebten sie im Dorf verstreut. Um die Mitte des 19.Jahrhunderts erreichte die Zahl der hier lebenden Juden mit etwa 16 Familien ihren Höchststand.

Zu den gemeindlichen Einrichtungen zählte eine um 1815 eingerichtete Synagoge und ein Frauenbad.

          Dorfplatz mit Synagoge (rechts hinten im Bild) 

Anm.: Die Errichtung der Synagoge versuchte insbesondere der Pfarrer von Völkershausen zu verhindern; so machte er Stimmung gegen die hiesigen jüdischen Familien und fomulierte er: "Die Anmaßungen der jüdischen Religion und ihr reger Eifer, sich besonders in Religionssachen nicht einzuschränken zu lassen, sind bekannt". Allerdings schienen hier andere (egoistische) Motive (es ging hier um einen Grundstücksverkauf) eine Rolle gespielt zu haben.

Hinter der Synagoge stand das um 1835 errichtete jüdische Schulgebäude, in dem bis in die 1860er Jahre unterrichtet wurde. Obwohl die Gemeinde stets klein war, besaß sie ab 1834 eine eigene Elementarschule; in den 1860er Jahren wurde diese mit der israelitischen Schule in Vacha vereinigt.

Verstorbene wurden auf dem jüdischen Friedhof in Vacha beerdigt.

Juden in Völkershausen:

       --- 1602 ............................  4 jüdische Familien,

    --- um 1740 .........................  keine,

    --- 1780 ............................  5     “       “    ,

    --- 1861 ............................ 57 Juden,

    --- 1895 ............................ 33   “  ,

    --- 1903 ............................  2 jüdische Familien,

    --- 1914 ............................  keine.

Angaben aus: Israel Schwierz, Zeugnisse jüdischer Vergangenheit in Thüringen. Eine Dokumentation, S. 257

 

Um 1890 befand sich das Synagogengebäude in einem baufälligen Zustand; deshalb rief der Gemeindevorstand zu Spenden zur Renovierung der Synagoge auf:

                                       aus der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21. Aug. 1893

Vermutlich war dem Aufruf aber kein Erfolg beschieden, denn gegen Ende der 1890er Jahre suchten Völkershausener Juden Gottesdienste in Stadtlengsfeld auf.

1903 löste sich die israelitische Gemeinde von Völkershausen ganz auf; die noch zwei verbliebenen Familien wurden von der jüdischen Gemeinde in Vacha aufgenommen. Das Synagogengebäude ging in den Besitz der Kultusgemeinde von Vacha über. Die letzte jüdische Familie verließ Völkershausen kurz vor dem Ersten Weltkrieg.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." wurden 17 aus Völkershausen stammende jüdische Bewohner Opfer der "Endlösung" (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/voelkershausen_synagoge.htm).

 

Das einstige Synagogengebäude wurde vermutlich Ende der 1980er Jahre abgebrochen; nur ein baulicher Rest dient heute noch als Garage. Erhaltengeblieben ist die Wetterfahne der Synagoge von Völkershausen mit der Jahresangabe „1816“, dem Baujahr des Gebäudes.

                                                      Synagogenruine kurz vor dem Abriss, um 1985

                  vgl. dazu: Vacha (Thüringen)

 

 

 

Weitere Informationen:

M.Brocke/E.Ruthenberg/K.U.Schulenburg, Stein und Name. Die jüdischen Friedhöfe in Ostdeutschland (Neue Bundesländer/DDR und Berlin), in: "Veröffentlichungen aus dem Institut Kirche und Judentum", Hrg. Peter v.d.Osten-Sacken, Band 22, Berlin 1994, S. 650

M. Richarz/R. Rürup, Jüdisches Leben auf dem Lande. Studien zur deutsch-jüdischen Geschichte, Tübingen 1997, S. 161/162

Olaf Ditzel, Chronik jüdischen Lebens in Völkershausen, in: Hans Nothnagel (Hrg.), Juden in Südthüringen geschützt und gejagt, Band 5, Jüdische Gemeinden in der Vorderrhön, Verlag Buchhaus Suhl, S. 243 - 256

Ulrike Schramm-Häder, Jeder erfreuet sich der Gleichheit vor dem Gesetze, nur nicht der Jude. Die Emanzipation der Juden in Sachsen-Weimar-Eisenach (1823 - 1850), in: "Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Thüringen, Kleine Reihe", Band 5, Verlag Urban & Fischer, München/Jena 2001, S. 193 - 200

Gabriele Olbrisch, Landrabbinate in Thüringen 1811 - 1871. Jüdische Schul- und Kulturreform unter staatlicher Regie, in: "Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Thüringen - Kleine Reihe", Band 9, Böhlau Verlag, Köln - Weimar - Wien 2003, S. 56

Israel Schwierz, Zeugnisse jüdischer Vergangenheit in Thüringen. Eine Dokumentation, hrg. von der Landeszentrale für politische Bildung Thüringen, Sömmerda 2007, S. 257 f.

Völkershausen (Wartburgkreis), in: alemannia-judaica.de