Wachenheim/Weinstraße (Rheinland-Pfalz)

Jüdische Gemeinde - Kastel (Rheinland-Pfalz - Hessen)Bildergebnis für landkreis bad dürkheim ortsdienst karte Wachenheim an der Weinstraße - früher Wachenheim im Speyergau - ist eine Kleinstadt mit derzeit ca. 4.800 Einwohnern an der mittleren Haardt im Landkreis Bad Dürkheim - etwa 25 Kilometer westlich von Mannheim gelegen (Ausschnitt aus hist. Karte von 1905, ohne Eintrag von Wachenheim, aus: wikipedia.org, gemeinfrei und Kartenskizze 'Landkreis Bad Dürkheim', Lencer 2007, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Erste Hinweise auf jüdisches Leben in Wachenheim - 1341 zur Stadt erhoben - stammen bereits aus der Zeit vor den Pestpogromen 1348/1349; danach sollen 1343 in Wachenheim lebende Juden wegen eines angeblichen Ritualmordes angeklagt und anschließend verbrannt worden sein. Wenige Jahre später wurden erneut jüdische Stadtbewohner Opfer von Verfolgung. Die nächsten urkundlichen Belege finden sich erst wieder im 16.Jahrhundert, als sich zwei jüdische Familien - mit Schutzbriefen ausgestattet - hier niederlassen durften.

Ansicht von Wachenheim um 1625 (Abb. aus: wikipedia.org, gemeinfrei)

Nach einem Großbrand 1689 verließ die Mehrzahl der Bewohner, so auch Juden, das Städtchen; Jahre danach kehrten sie wieder zurück, um ihre Häuser wiederaufzubauen.

Wann genau die Synagoge in Wachenheim eingerichtet wurde, lässt sich nicht klären. Im Obergeschoss eines Gebäudes in der Bleichstraße war der eigentliche Betraum untergebracht; im Erdgeschoss befand sich die Wohnung des Lehrers, der auch gleichzeitig die Funktionen des Vorbeters und Schächters inne hatte; auch eine Mikwe gab es im Haus. Ab 1835 stand ein neu angelegtes Ritualbad zur Verfügung.

Eine eigene Schule besaß die jüdische Gemeinde in Wachenheim nicht; die Kinder besuchten die protestantische Volksschule; Religionsunterricht erteilte der Vorbeter.

        

 Stellenanzeigen aus der Zeitschrift „Der Israelit“ vom 29.Okt. 1879 und vom 26.Jan. 1891

Östlich der Stadt am alten Römerweg befand sich der jüdische Friedhof, der vermutlich bereits Anfang des 16.Jahrhunderts angelegt worden war (erstmals 1522 und 1579 urkundlich erwähnt) und somit einen der ältesten der Region darstellt; der Flurname „In der Judengrub“ ("Judengrüben") existierte seit dem 17.Jahrhundert. Auf dem Wachenheimer Friedhof, der im Laufe der Jahrhunderte mehrfach erweitert wurde, beerdigten auch zahlreiche umliegenden Ortschaften ihre Verstorbenen. Dem „Friedhofsverband Wachenheim“ gehörten u.a. an: Alsheim, Assenheim, Bad Dürkheim, Ellerstadt, Freinsheim, Kallstadt, Meckenheim, Rödersheim und Weisenheim am Sand. 1894 wurde auf dem ältesten Teil des Friedhofgeländes ein neues Tahara-Haus errichtet.

Die Gemeinde Wachenheim gehörte zum Bezirksrabbinat Frankenthal.

Juden in Wachenheim:

         --- um 1515 .......................   2 jüdische Familien,

    --- 1722 ..........................   8     “       “    ,

    --- 1743 ..........................   7     “       “    ,

    --- 1808 ..........................  14     “       “   (ca. 60 Pers.),

    --- 1820 ..........................  87 Juden,

    --- 1830 .......................... 124   “  ,

    --- 1849 .......................... 121   “  ,

    --- 1875 ..........................  51   “  ,

    --- 1900 ...................... ca.  25   “  ,

    --- 1914 ..........................  17   “  (in 3 Familien),

    --- 1933 ..........................  16   “  ,

    --- 1938 ..........................  10   “  ,

    --- 1940 ..........................   7   “  ,

             Nov. .....................   keine.

Angaben aus: K. Düppel/W.Meyer, Eine Dokumentation zur Geschichte der jüdischen Bevölkerung in der Stadt Wachenheim

 

Die meisten Juden Wachenheims lebten im 19.Jahrhundert vom Handel; aber auch Ackerbau und Handwerk waren Tätigkeitsfelder. Mit der ab Mitte des 19.Jahrhundert einsetzenden Abwanderung reduzierte sich innerhalb weniger Jahrzehnte die Zahl der Gemeindeangehörigen um mehr als die Hälfte. Zu Beginn der 1930er Jahre lebten nur noch drei jüdische Familien in Wachenheim.

Während des Novemberpogroms von 1938 blieb die Wachenheimer Synagoge von Zerstörung verschont; auch der große jüdische Friedhof wurde bis 1939 weitestgehend vor Schändung bewahrt. Mit der Deportation der letzten sieben Wachenheimer Juden am 22.Oktober 1940 nach Gurs endete jegliches jüdisches Leben in Wachenheim. Im Amtsbericht hieß es:Am 22.Oktober 1940 wurden die Judenfamilien ... durch die Gestapo mittels Kraftwagen abgeholt. Von dieser Stunde an ist Wachenheim judenfrei geworden.”  Von den sieben deportierten Personen haben drei überlebt (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/wachenheim_synagoge.htm).

 

Nach Kriegsende übergab ein Wachenheimer Bewohner die von ihm aufbewahrten Thorarollen und andere Kultgegenstände der Jüdischen Kultusgemeinde der Rheinpfalz.

Der alte jüdische Friedhof am Römerweg in Wachenheim erinnert an die Existenz von zahlreichen jüdischen Gemeinden der Region. Der älteste erhaltene Stein auf dem mehr als 8.000 m² großen Areal mit seinen insgesamt ca. 1.000 Grabsteinen datiert von 1724.

Jüdischer Friedhof in Wachenheimhttp://www.alemannia-judaica.de/images/Images%2062/Wachenheim%20Friedhof%20112.jpg

Teilansichten des Friedhofgeländes (Aufn. P., 2010, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0 und J. Hahn, 2005, aus: alemannia-judaica.de)

 

Altes Gräberfeld auf dem jüdischen Friedhof in Wachenheim (Aufn. aus: christen-und-juden.de)

Im November 1997 wurde am Wachenheimer Ehrenmal (Dr. Wagner-Platz) zusätzlich eine Tafel zum Gedenken der Opfer des Nationalsozialismus angebracht.

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20314/Wachenheim%20Gedenken%20BeKu%20010.jpg Gedenktafel (Aufn. Bernhard Kukatzki)

Die Inschrift der Gedenktafel lautet:

Im Gedenken an alle Opfer des Nationalsozialismus 1933 - 1945,

insbesondere an unsere jüdischen Mitbürger, die am 22.10.1940 verschleppt wurden:

Ludwig Falkenberg  Simon und Helene Mane  Flora Mehlinger  Isabelle Reichardt  Emil und Leonie Scheuer

 

Hinweis: Im gleichnamigen Wachenheim an der Pfrimm im Zellertal gab es auch eine kleinere israelitische Kultusgemeinde.

 

 

In den zwei zu Wachenheim gehörenden Ortsgemeinden Ellerstadt und Friedelsheim gab es auch kleine jüdische Gemeinschaften.

Die jüdische Gemeinde im Weinbaudorf Ellerstadt - ihre Entstehung reicht ins 18.Jahrhundert zurück - zählte Mitte des 19.Jahrhunderts mehr als 80, um 1900 nur noch 19 Angehörige. Eine hier vorhandene Synagoge wurde 1908 aufgegeben und an die Kommune verkauft; dies bedeutete auch das Ende der Ellerstädter jüdischen Gemeinde. Ihre verbliebenen Angehörigen wurden der Fußgönheimer Gemeinde zugewiesen. Zu Beginn der 1930er Jahre lebten nur noch zwei jüdische Einwohner in Ellerstadt. Verstorbene fanden auf dem Friedhof in Wachenheim ihre letzte Ruhe. Das ehemalige Synagogengebäude wurde Anfang der 1970er Jahre abgerissen. 

vgl. Ellerstadt (Rheinland-Pfalz)

 

 

 

Im Winzerdorf Friedelsheim wurden die ersten Juden nachweislich im 18. Jahrhundert ansässig; um 1850 zählte die jüdische Gemeinde immerhin fast 20 Familien; danach ging ihre Anzahl stetig zurück. Die Mitte des 19.Jahrhunderts in der Bahnhofstrasse erbaute Synagoge - sie hatte einen älteren Betraum im Unterdorf ersetzt - war bereits 1922 verkauft worden, als die hiesige Gemeinde aufgelöst wurde. Die noch verbliebenen jüdischen Dorfbewohner gehörten fortan der Kultusgemeinde Bad Dürkheim an. 

vgl. Friedelsheim (Rheinland-Pfalz)

 

 

 

Weitere Informationen:

Fritz Wendel, Geschichte der Stadt Wachenheim (Ortschronik), Wachenheim 1967

Hermann Arnold, Juden in der Pfalz - Vom Leben pfälzischer Juden, Pfälzische Verlagsanstalt, Landau/Pfalz 1988

Berthold Schnabel, Die Bestattung hebräischer Bücher und Papiere religiösen Inhalts auf dem jüdischen Verbandsfriedhof in Wachenheim an der Weinstraße, in: "SACHOR", 5/1995, Heft 9, S. 66 f.

Paul Kaps/Wolfgang Meyer, Stadt Wachenheim: Menschen in unserer Zeit - Gegenwart und Vergangenheit, Wachenheim 1996

Kurt Düppel, Die Wachenheimer Juden. Eine Genealogie, Maschinenmanuskript, Wachenheim o.J.

Kurt Düppel/Wolfgang Meyer, Eine Dokumentation zur Geschichte der jüdischen Bevölkerung in der Stadt Wachenheim, 2.Aufl., Wachenheim 2003

Stefan Fischbach/Ingrid Westerhoff (Bearb.), “ ... und dies ist die Pforte des Himmels “. Synagogen. Rheinland-Pfalz Saarland, Hrg. Landesamt für Denkmalpflege, Mainz 2005, S. 145, S. 156 f. und S. 376

Otmar Weber, Die Synagogen in der Pfalz von 1800 bis heute. Unter besonderer Berücksichtigung der Synagogen in der Südwestpfalz, Hrg. Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Pfalz (Landau), Dahn 2005, S. 156

Wachenheim a.d.Weinstraße, in: alemannia-judaica.de (mit Dokumenten zur jüdischen Ortshistorie)

Der jüdische Friedhof in Wachenheim a.d.Weinstraße, in: alemannia-judaica.de (mit zahlreichen Aufnahmen)

Förderverein zur Erhaltung des kulturellen Erbes der ehemaligen jüdischen Gemeinden in Wachenheim und Bad Dürkheim (Hrg.), Gegen das Vergessen, online abrufbar unter: gdvev.de

Julia Plantz (Red.), Wachenheim/Bad Dürkheim. Jüdisches Erbe: Nachbarstädte gründen Förderverein, in: „Die Rheinpfalz“ vom 6.1.2022

Julia Plantz (Red.), Jüdischer Friedhof: Erinnerungsort als Aufgabe, in: „Die Rheinpfalz“ vom 14.1.2022

Dehäm-Magazin. Ludwigshafen (Red.), Lange Geschchte – Jüdischer Friedhof Wachenheim, in: "Wochenblatt“ vom 27.9.2022

Sigrid Ladwig (Red.), Fenstergescg´hichten: Die Friedelsheimer Synagoge, in: „Die Rheinpfalz“ vom 8.11.2022

Julia Plantz (Red.), Jüdischer Friedhof: Was kostet Erhalt der Trauerhalle? in: „Die Rheinpfalz“ vom 15.3.2023