Waldenburg (Schlesien)

  https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/f/f6/Schlesien_Kr_Waldenburg.png Das in Niederschlesien gelegene Waldenburg - wenige Kilometer südwestlich von Schweidnitz - war jahrhundertelang ein unbedeutendes Landstädtchen, ehe es nach 1750 mit dem Aufkommen des Steinkohlebergbaus einen wirtschaftlichen Aufschwung erfuhr. Die nach dem Zweiten Weltkrieg zu Polen gehörende unzerstört gebliebene Stadt trägt heute den Namen Walbrzych und besitzt derzeit mehr als 110.000 Einwohner (Ausschnitt aus hist. Karte von 1905, aus: wikipedia.org, gemeinfrei und Kartenskizze 'Polen' mit Walbrzych rot markiert, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).

Datei:Schlesien, Städte und Landschaften Seite 194.jpg

 

Erst nach 1830 siedelten sich, zunächst nur zögerlich, jüdische Familien in Waldenburg an; bis zu diesem Zeitpunkt hatte der preußischen Staat die Ansässigkeit von Juden untersagt. Der erste namentliche bekannte Jude, der sich in Waldenburg niederließ, hieß Moses Lax. Nach einem bis 1859 nur lockeren Zusammenschluss der am Ort lebenden Juden konstituierte sich in Waldenburg eine Synagogengemeinde, die als „Filialgemeinde“ der Stammgemeinde Schweidnitz angegliedert war. Versuche, sich von der jüdischen Gemeinde Schweidnitz völlig zu lösen, scheiterten zunächst. Erst 1878 genehmigte die Königliche Regierung ihre Abspaltung und ordnete die Konstituierung des neuen Synagogenbezirkes Waldenburg an. Nachdem die Satzung der neu gebildeten Gemeinde 1879 vom Königlichen Oberpräsidium der Provinz Schlesien bestätigt worden war, begann der Vorstand der Waldenburger Gemeinde sich mit den religiösen Einrichtungen zu beschäftigen: dem Bau einer eigenen Synagoge und der Anlage eines Friedhofes.

Anfang der 1860er Jahre erwarben zwei Juden von der Stadt Waldenburg eine Ackerfläche, die in Zukunft der Bestattung ihrer Glaubensgenossen diente; zuvor waren die Toten auf den Friedhöfe von Freiburg bzw. Landeshut oder Schweidnitz begraben worden. Nach etwa vier Jahrzehnten gab die jüdische Gemeinde - inzwischen Eigentümer des Friedhofsgeländes - auf Grund bergbaulicher bzw. industrieller Nutzung der unmittelbaren Nachbarflächen das Terrain um und erwarb dafür eine Fläche zwischen der Friedländer Chaussee und der Bahnhofstraße; diese wurde nun als neuer Friedhof genutzt; 1903 errichtete man auf dem Gelände auch eine Friedhofshalle.

Gottesdienste waren zunächst in angemieteten Räumen abgehalten worden; seit 1862 befand sich der große Betsaal im Obergeschoss eines Hauses im Ring; dieser bot insgesamt 160 Personen Platz. Zwanzig Jahre später wurde mit dem Neubau einer Synagoge begonnen.

Im „Waldenburger Wochenblatt” wurde über die Grundsteinlegung wie folgt berichtet:

Am Donnerstag, dem 5.September, nachmittags 6 Uhr, fand bei dem Neubau der Synagoge an der Wasser- und Töpferstraße-Ecke die Grundsteinlegung statt. Es waren hierzu der Vorstand der Synagogengemeinde und die Gemeinde-Repräsentanten, sowie der Prediger der Gemeinde, Herr Dr. Samter, erschienen. ... Nach einer längeren gediegenen Ansprache des Herrn Dr. Samter, welche die Symbolik des Grundsteins für das neue Gotteshaus erläuterte, wurden die verschiedenen Schriftstücke vorgelesen, welche Aufnahme in dem Bleikästchen des Grundstein finden sollten. Herr Klempnermeister Münzer, Mitglied der Gemeinde-Repräsentanten, verlötete an Ort und Stelle das Kästchen und wurde dasselbe darauf unter den üblichen Hammerschlägen und Segenswünschen seitens des Predigers, der Vorstände, des ausführenden Maurermeisters und des Polierers, im Grundstein vermauert. Ein zahlreiches Publikum wohnte dem feierlichen Akte bei.

Im Jahre 1883 wurde das neue Synagogengebäude - es unterschied sich äußerlich kaum von umliegenden Bauten - eingeweiht; an den Festlichkeiten nahmen Repräsentanten der königlichen und städtischen Behörden, der christlichen Kirchen und zahlreiche Gäste teil. Ende der 1920er Jahre errichtete die jüdische Gemeinde auf dem Synagogengrundstück noch ein Gemeindehaus. Hier fand nach 1933 der Religionsunterricht für die jüdischen Kinder statt.

                               

Synagoge von Waldenburg in der Wasserstraße (hist. Aufn., links von 1905, aus: sztetl.org.pl)

Zur Synagogengemeinde Waldenburg gehörten auch die Ortschaften Dittersbach, Gottesberg, Hermsdorf, Salzbrunn, Weißstein und Wüstegiersdorf; allerdings lebten hier nur sehr wenige jüdische Familien.

Juden in Waldenburg:

          --- 1839 ............................    10 Juden,

    --- um 1850 .........................     5 jüdische Familien,

    --- um 1860 .........................    11    “         “   ,

    --- 1871 ............................   198 Juden,

    --- 1880 ............................   328   “  ,*

--- 1882 ............................   115   “  ,**

    --- 1890 ............................   253   “  ,*

    --- 1925/30 ..................... ca.   220   “  ,*

    --- 1933 ............................   195   “  ,*

    --- 1937 ............................   146   “  ,*

    --- 1939 ............................    24   “  ,

--- 1945 (Mai) ......................    20   "  ,

--- 1946 (Juni) ..................... 5.000   “  ,

--- 1947 (Jan.) ..................... 9.600   “  ,

         (April) .................... 4.850   “  ,

--- 1960 ........................ ca. 1.800   “  ,

--- 1985 ........................ ca.   250   “  ,

--- 2005 ........................ ca.    40   “  .    * Stadtkreis Waldenburg   ** steuerzahlende Gemeindeangehörige

Angaben aus: Adolf Meyer (Hrg.), Geschichte der Synagogengemeinde Waldenburg in Schlesien

und                 Bernhard Brilling, Die jüdischen Gemeinden Mittelschlesiens - Entstehung und Geschichte, S. 200

und                 Walbrzych, in: sztetl.org.pl

Blick auf Waldenburg (hist. Postkarte, um 1900, aus: sztetl.org.pl)

 

Die israelitische Gemeinde zählte zu Beginn der 1930er Jahre etwa 200 Angehörige. Bereits vor der NS-Machtübernahme 1933 wurden jüdische Geschäftsleute - zumeist verbal - attackiert, was sich alsbald verstärkte und zur Abwanderung bzw. Emigration der Betroffenen führte.

Während des Novemberpogroms von 1938 wurden drei Geschäfte jüdischer Besitzer zerstört und die Synagoge in Brand gesetzt. Bis 1939 hatten die allermeisten jüdischen Familien Waldenburg verlassen; die verbliebenen wurden 1940/1941 deportiert.

In Waldenburg existierte während der Kriegsjahre ein Zwangsarbeitslager für Juden; es wurde 1944/1945 als KZ-Außenkommando von Groß-Rosen geführt, in dem Häftlinge für die IG Farben arbeiten mussten.

Groß-Rosen (poln. Rogoznica) – nördlich von Waldenburg - war während des Zweiten Weltkrieges Standort eines Konzentrationslagers. Grund für dessen Errichtung an dieser Stelle waren Steinbrüche, die von der SS-eigenen Deutsche Erd- und Steinwerke GmbH (DEST) betrieben wurden („Vernichtung durch Arbeit“). Zunächst als Außenlager des KZ Sachsenhausen war es ab Mai 1941 ein eigenständiges Lager. Ab Sommer 1943 erfolgte der Ausbau des Lagers durch Errichtung zahlreicher Nebenlager, darunter auch Arbeitslager für Frauen. In den Außenkommandos der Nebenlager wurden u.a. für IG Farben, Organisation Todt und die Rüstungsbetriebe gearbeitet. Insgesamt wurden 125.000 Häftlinge eingeliefert. Die Opfer, vorwiegend Juden aus Polen und Ungarn sowie russische Kriegsgefangene, werden auf ca. 40.000 geschätzt. Die meisten Toten gab es durch die Schwerstarbeit in den Steinbrüchen und auf den Todesmärschen nach Auflösung der Lager.

 

Unmittelbar nach Kriegsende kamen aus den nahen KZ-Lagern die ersten jüdischen Überlebenden nach Walbrzych. Im Laufe der folgenden Monate wurde die Stadt Anlaufpunkt mehrerer tausend Juden; neben Wroclaw (Breslau) und Dzierzoniów (Reichenbach) war die Stadt ein Zentrum jüdischer „Umsiedler“. In der Stadt wurden damals drei jüdische Schulen und weitere Gemeinschaftseinrichtungen eröffnet. In der vieltausendköpfigen jüdischen Gemeinde waren drei Rabbiner tätig. Ende 1946 sollen hier mehr als 10.000 Menschen jüdischer Herkunft gelebt haben; viele von ihnen sahen die Stadt aber nur als Zwischenstation auf ihrem Wege ihrer Emigration in die USA bzw. nach Palästina/Israel.

Im Jahr 1948 entstand in Wałbrzych ein jüdisches Theater; damit war der Grundstein für die Gründung des Szaniewski-Theaters, des heutigen Stadttheater Wałbrzych, gelegt. Bis Ende 1949 hatten die meisten Juden Walbrzych wieder verlassen; das Ende (offiziellen) jüdischen Lebens in der Stadt markiert das Jahr 1968.

Während der „alte“ Friedhof heute nicht mehr existent ist, hat das „neue“ Begräbnisareal die Zeiten überdauert; es befindet sich gegenwärtig in einem ansehnlichen Zustand. Die in der Mitte des Friedhofs stehende, inzwischen restaurierte Leichenhalle dient gelegentlichen Gottesdiensten.

   Jüdischer Friedhof Waldenburg (Aufn. Stiftung Beiteinu Chay, um 2010)

 

 

 

In Landeshut (poln. Kamienna Góra, westlich von Waldenburg gelegen) lebten bereits im 14.Jahrhundert Juden, die hier eine Gemeinde mit Synagoge besaßen. Im Folgejahrhundert wurden sie - wie auch Juden anderer niederschlesischer Orte – von hier vertrieben. Erst zu Beginn des 19.Jahrhunderts machten sich erneut Juden in Landeshut ansässig, anfänglich nur wenige jüdische Familien; diese hatten 1812 erstmals Wohnrechte zugestanden bekommen. Sie bildeten um 1820 eine kleine Gemeinde, die 1840 etwa 55 Angehörige umfasste; sie wuchs 1885 auf bis zu 180 Personen an. 1856/1858 ließ die Gemeinde einen Synagogenneubau in der Wallstraße errichten, der einen 1826 errichteten Betsaal ablöste und bis 1938 zu gottesdienstlichen Zusammenkünften genutzt wurde.

Anfang der 1930er Jahre lebten in der Stadt nur noch ca. 70 Bewohner mosaischen Glaubens, die während der Kriegsjahre - wenn sie nicht emigriert waren - deportiert und zur Zwangsarbeit eingesetzt wurden. 

vgl. Landeshut (Schlesien)

In Landeshut existierte ein Außenlager des KZ Groß-Rosen, in dem einige hundert jüdische Häftlinge für die Kriegsproduktion im Einsatz waren. Nach Kriegsende bildete sich kurzzeitig erneut eine relativ große israelitische Gemeinde, die aber spätestens 1950 durch Emigration sich auflöste. Vom jüdischen Friedhof, auf dem zahlreiche Opfer des Zwangsarbeiterlagers Landeshut (existent von Okt. 1943 bis April 1944) und zudem die eines sog. Todesmarsches begraben wurden, gibt es heute so gut wie keine Überreste; das Areal ist heute als Grünanlage gestaltet.

 

 

 

File:Świebodzice 1738.jpg - Wikimedia Commons"FREYBERG", um 1740 (Abb. aus: commons.wikimedia.org, gemeinfrei)       Im wenige Kilometer nördlich von Waldenburg/Walbrzych gelegenen Freiburg (poln. Świebodzice, derzeit ca. 23.000 Einw.) bildete sich Anfang der 19.Jahrhunderts eine kleine jüdische Gemeinde, die 1890 etwa 70 Angehörige besaß (kaum 1% der Bev.); Mitte der 1920er Jahre waren es noch ca. 30 Personen, 1939 nur noch 16.

Einen Synagogenbau hat es in Freiburg nicht gegeben; zum Gebet kam man zunächst in Privathäusern zusammen. Danach richtete man in einem angekauften Gebäude Am Ring einen Gottesdienstraum ein; allerdings war man auf Grund der schlechten finanziellen Lage der kleiner werdenden Gemeinde gezwungen, das Haus wieder zu veräußern; als Ersatz wurde in der Landeshuter Straße ein Betraum eingerichtet, in dem bis 1940 Gottesdienste – allerdings unregelmäßig - abgehalten wurden.

Von der Einengung ihrer Lebens- und Wirtschaftsmöglichkeiten waren auch die Freiburger Juden betroffen: so gaben die Textil- und Konfektionskaufleute Dresel, Horn und Wolff, der Obst- und Gemüsehändler Wachtel, der Spielwarenhändler Mahn und der Getreide-/Futtermittelhändler Berzu ihre Geschäfte auf.

Zu den gemeindlichen Einrichtungen gehörte ein um 1850 angelegter Friedhof, der von einer Mauer umgeben war. Die erhalten gebliebene Begräbnisstätte befindet sich derzeit in einem ungepflegten Zustand; von den Grabstätten bzw. -steinen sind nur noch geringfügige Relikte vorhanden.

undefinedJüdischer Friedhof in Świebodzice (Aufn. B., 2008, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0)

 

 

Weitere Informationen:

Julius Schroth, Chronik von Waldenburg, Waldenburg 1837

Adolf Meyer (Hrg.), Geschichte der Synagogengemeinde Waldenburg in Schlesien anläßlich des 50jährigen Bestehens der Synagoge, Waldenburg 1933

Bernhard Brilling, Die jüdischen Gemeinden Mittelschlesiens - Entstehung und Geschichte, Verlag Kohlhammer, Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz, 1972, S. 200 f.

Harold Hammer-Schenk, Synagogen in Deutschland. Geschichte einer Baugattung im 19. u. 20.Jahrhundert, Hans Christians Verlag, Hamburg 1981, Teil 1, S. 364/365 und Teil 2, Abb. 281

Isabell Sprenger, Groß-Rosen – Ein Konzentrationslager in Schlesien, in: "Neue Forschungen zur Schlesischen Geschichte – Schriftenreihe des Historischen Instituts der Universität Stuttgart", Band 6, Böhlau-Verlag, Köln/Weimar/Wien 1996

Pawl Wieczorek, Żydzi w Wałbrzychu 19451948, Wrocław 1998

The Encyclopedia of Jewish Life before and during the Holocaust, New York University Press, Washington Square, New York 2001, Vol.2, S. 703 und Vol. 3, S. 1422

Walbrzych, in: sztetl.org.pl

Walbrzych. in: kirkuty.xip.pl

Jochen Heidrich, Die jüdische Gemeinde Freiburg/Schlesien. Eine Spurensuche, in der Zeitschrift ”Schlesischer Gottesfreund – Nachrichten und Beiträge aus dem evangelischen Schlesien”, Ausg. 8/2011, S. 118/119

Małgorzata Frąckowiak, Świebodzice, in: kirkuty.xip.pl

Beiteinu Chaj – 2004 Foundation (Hrg.), Waldenburg. Der jüdische Friedhof, 2014 (online abrufbar unter: synagogarutika.com/en/excursions/walbrzych-waldenburg)

Pawel Wieczorek, Żydzi w Wałbrzychu i powiecie wałbrzyskim 1945 - 1968 (Die Juden in Stadt und Landkreis Wałbrzych), Wrocław–Warszawa 2017