Bad Rappenau (Baden-Württemberg)
Bad Rappenau ist eine Stadt mit derzeit etwa 21.000 Einwohnern im nordwestlichen Teil von Baden-Württemberg – ca. 15 Kilometer nordwestlich von Heilbronn bzw. ca. 35 Kilometer südöstlich von Heidelberg gelegen (topografische Karte 'Kraichgau', K.Jähne 2009, aus: wikipedia.org, gemeinfrei und Kartenskizze 'Landkreis Heilbronn' mit Bad Rappenau rot eingefärbt, R. 2007, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0).
Die erste urkundliche Erwähnung eines Juden in Rappenau erfolgte gegen Ende des 17.Jahrhunderts. Dessen Familie und seine Nachkommen blieben jedoch zunächst die einzigen dauerhaft hier lebenden jüdischen Einwohner. Von durchreisenden bzw. in Rappenau Handel treibenden Juden ist hingegen mehrfach die Rede.
Um 1800 lebten fünf jüdische Familien am Ort. Von der christlichen Dorfbevölkerung wurden sie stets mit Argwohn betrachtet, von der Ortsherrschaft aber geschützt. Noch während der Jahre 1848/1849 zeigte sich massiver Widerstand der Dorfbevölkerung gegen einen jüdischen „Vollbürger“; er musste sogar vor der Gewalt der Bevölkerung geschützt werden. Bis zum Beginn des 19.Jahrhunderts wohnten die wenigen Familien im sog. „Judenhof“; heute sind dies die Straßen Am Schafgarten und Fasanenstraße. Hier gab es auch einen Betsaal, der 1843/1844 durch einen Synagogenbau mitten im Ort ersetzt wurde, in dem sich auch das rituelle Bad befand.
Eine jüdische Schule existierte hier nicht; die Kinder besuchten die evangelische Schule des Ortes. Religionsunterricht wurde von einem von der Gemeinde angestellten Lehrer gehalten; zudem war dieser auch für religiös-rituelle Aufgaben (Vorsänger/Schächter) zuständig (Anm.: Zeitweise wurde das Schächtamt von einer anderen Person ausgeübt).
Bis in die 1880er Jahre beerdigte man die Verstorbenen auf einem jüdischen Verbandsfriedhof im nahen Heinsheim, der von etwa 25 Gemeinden der weiteren Region genutzt wurde. Danach verfügte die kleine Gemeinde Rappenaus über einen eigenen Begräbnisplatz auf einer Anhöhe an der Siegelsbacher Straße.
Seit 1827 gehörte die Rappenauer Gemeinde dem Rabbinatsbezirk Sinsheim an.
Juden in (Bad) Rappenau:
--- 1802 ............................. 5 jüdische Familien,
--- 1825 ............................. 42 Juden (in 6 Familien),
--- 1864 ............................. 50 “ ,
--- 1875 ............................. 81 “ (ca. 6% d. Bevölk.),
--- 1887 ............................. 72 “ ,
--- 1900 ............................. 46 “ (ca. 3& d. Bevölk.),
--- 1910 ............................. 35 “ ,
--- 1925 ............................. 8 “ ,
--- 1933 ............................. 10 “ ,
--- 1940 (Sept.) ..................... 5 “ ,
(Nov.) ...................... keine.
Angaben aus: F.Hundsnurscher/G.Taddey, Die jüdischen Gemeinden in Baden, S. 41/42
Einen gewissen Aufschwung erlebte die kleine jüdische Gemeinde, als ab Mitte des 19.Jahrhunderts der Kurbetrieb aufgenommen wurde, der auch jüdische Kurgäste hierher führte. Damals öffnete im Ort eine koschere Schank- und Speisewirtschaft.
Nach 1880 nahm die Zahl der jüdischen Bewohner infolge Ab- und Auswanderung ab.
1885/86 gründete Eugen J. Herbst eine Miederwaren-/Korsettfabrik (Fa. Felina), die aber bereits wenige Jahre später nach Mannheim verlegt wurde und expandierte; in den 1930er Jahren ging die Firma "in arischen Besitz" über.
Im Jahre 1937 löste sich die jüdische Gemeinde in Bad Rappenau wegen Mitgliederschwunds ganz auf. Das Synagogengebäude wurde an den „Landwirtschaftlichen Bezugs- und Absatzverein“ bzw. die Milchgenossenschaft des Ortes verkauft und kurz darauf abgerissen - möglicherweise noch auf Veranlassung der Israelitischen Gemeinde.
Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." wurden zehn aus Bad Rappenau stammende Bewohner jüdischen Glaubens Opfer der NS-Gewaltherrschaft (namentliche Nennung der betreffenden Personen siehe: alemannia-judaica.de/bad_rappenau_synagoge.htm).
Jugendliche beider christlicher Kirchen aus Bad Rappenau entwarfen 2010 "ihren" Memorialstein - eine abgebrochene Säule mit Symbolen jüdischer Grabmale -, der auf dem Gelände der zentralen Gedenkstätte in Neckarzimmern sich befindet (Aufn. 2016, aus: mahnmal-neckarzimmern.de).
2018 wurden im Stadtgebiet (Ortsteil Bonfeld) vier sog. „Stolpersteine“ verlegt, die in der Kirchhausener Straße an Angehörige der Familie Hertz erinnern.
Aufn. R. Acker, 2019, aus: wikimedia.org, CC BY-SA 4.0
An die ehemalige kleine Gemeinde erinnern heute nur noch einige Dutzend Grabsteine auf dem mit einer niedrigen Steinmauer umgebenen ca. 500 m² großen jüdischen Friedhofsareal an der Siegelsbacher Straße.
Künftig werden vier von insgesamt 60 Stelen des „Jüdischen Kulturwegs Heilbronner Land“ ihren Standort in Bad Rappenau finden.
Jüdischer Friedhof in Bad Rappenau (beide Aufn. Peter Schmelzle, 2012, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)
Der großflächige jüdische Friedhof in Heinsheim - etwa fünf Kilometer nordöstlich von Bad Rappenau - besitzt dagegen noch heute mehr als 1.100 Grabsteine und zählt damit zu den größten jüdischen Begräbnisstätten des Landes. Angelegt im 16.Jahrhundert, diente er in den Folgejahrhunderten verstorbenen Juden aus zahlreichen umliegenden Ortschaften zwischen Eppingen, Bad Wimpfen und Moosbach als Verbandsfriedhof.
Jüdischer Friedhof in Heinsheim (Aufn. P. Schmelzle und B., 2011, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)
Im Stadtteil Heinsheim bestand bis ins Jahr 1937 eine kleine Gemeinde, deren Anfänge im 16.Jahrhundert lagen. Um 1840 erreichte die Heinsheimer jüdische Gemeinde mit ca. 120 Mitgliedern ihren Höchststand.
[vgl. Heinsheim (Baden-Württemberg)]
In anderen Stadtteilen Bad Rappenaus gab es ebenfalls jüdische Gemeinden, die zwar auch relativ klein waren, aber trotzdem die Gemeinde in Rappenau - was die Zahl der Gemeindeangehörigen angeht - übertrafen.
Im Stadtteil Bonfeld existierte mit Unterbrechungen bereits ab Mitte des 16.Jahrhunderts eine jüdische Ansiedlung, und ab dem beginnenden 18.Jahrhundert etablierte sich eine kleine Gemeinde, die um 1850 mit ca. 130 Mitgliedern ihren Höchststand erreichte.
[vgl. Bonfeld (Baden-Württemberg)]
Im Stadtteil Grombach gab es bis 1937 eine jüdische Kleinstgemeinde, deren Anfänge bis um 1700 zurückreichen. Wegen der geringen Zahl ihrer Mitglieder, die nie mehr als 50 bis 60 betragen hat, gab es hier nur einen Betraum.
[vgl. Grombach (Baden-Württemberg)]
Im Stadtteil Obergimpern war ebenfalls eine kleine jüdische Gemeinde seit Mitte des 18.Jahrhunderts existent. Ihre höchste Mitgliederzahl erreichte sie um 1840 mit ca. 110 Personen.
[vgl. Obergimpern (Baden-Württemberg)]
Im Stadtteil Wollenberg bestand eine jüdische Gemeinde bis ins Jahr 1938. Ihre Entstehung geht auf die Zeit um 1600 zurück. Mitte des 19.Jahrhunderts erreichte die Wollenberger Gemeinde mit mehr als 150 Mitgliedern ihre Blüte. Die jüdischen Familien lebten bis ins 19.Jahrhundert hinein im herrschaftlichen „Judenhaus“ mitten im Dorf; hier war auch der Betsaal untergebracht. 1825 errichtete die jüdische Gemeinde in der Deinhardstraße ein neues Synagogengebäude; es wurde im November 1938 zerstört.
[vgl. Wollenberg (Baden-Württemberg)]
In Babstadt - heute ebenfalls ein Stadtteil von Bad Rappenau - gab es bis in die zweite Hälfte des 19.Jahrhunderts eine kleine jüdische Gemeinde. Erstmals wurden hier um 1715 Juden genannt. Wegen ihrer geringen Zahl - kaum mehr als vier Familien - nutzten die jüdischen Bewohner vermutlich die gemeindlichen Einrichtungen der Nachbargemeinden Obergimpern bzw. Rappenau, wenn gleich um 1740 ein eigener Betraum erwähnt wurde. Verstorbene wurden auf dem Friedhof in Heinsheim begraben. Auf Grund von Ab- und Auswanderung lebten um 1900 keine Juden mehr im Dorf.
Weitere Informationen:
Bernd Göller (Red.), Kirchliches Leben in Bad Rappenau: Die Juden in der Gemeinde, in: „Bad Rappenauer Anzeiger“ vom 3.2.1965
F.Hundsnurscher/G.Taddey, Die jüdischen Gemeinden in Baden. Denkmale, Geschichte, Schicksale, Hrg. Archivdirektion Stuttgart, Stuttgart 1968, S. 36 - 42
Wolfram Angerbauer/Hans Georg Frank, Jüdische Gemeinden in Kreis und Stadt Heilbronn. Geschichte - Schicksale - Dokumente, Hrg. Landkreis Heilbronn 1986, S. 27 - 31 u.a.
Joachim Hahn, Synagogen in Baden-Württemberg, Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 1987
Joachim Hahn, Erinnerungen und Zeugnisse jüdischer Geschichte in Baden-Württemberg, Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 1988, S. 216 f.
Barbara Döpp (Bearb.), Der jüdische Friedhof Bad Rappenau, Unveröffentlichte Grunddokumentation des Landesdenkmalamtes Baden-Württemberg, 1991
Michael Konnerth, Der Judenfriedhof bei Bad Rappenau-Heinsheim - eine der größten jüdischen Begräbnisstätten in Deutschland, Hrg. Kur- und Klinikverwaltung Bad Rappenau, o.J.
Emil Künzel, Juden in Bad Rappenau, in: "Bad Rappenauer Heimatbote, Heimatgeschichtliche Beilage des Mitteilungsblattes", 10.Jg., No. 10/Dez. 1998, S. 79 - 84
Bad Rappenau, in: alemannia-judaica.de (mit Dokumenten zur jüdischen Ortshistorie)
Babstadt, in: alemannia-judaica.de
Joachim Hahn/Jürgen Krüger, “Hier ist nichts anderes als Gottes Haus ...” Synagogen in Baden-Württemberg, Teilband 2: Orte und Einrichtungen, Konrad Theiss Verlag GmbH, Stuttgart 2007, S. 29 - 38 (incl. aller Stadtteile)
Bernd Göller, Der jüdische Friedhof in Bad Rappenau: Siegelsbacher Straße, Bad Rappenau 2010
Bernd Göller, Der jüdische Friedhof Rappenau – Folge 3, in: "Bad Rappenauer Heimatbote", No. 23/Dez. 2012, S. 2 – 6
Auflistung der in Bad Rappenau verlegten Stolpersteine, online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Bad_Rappenau
Simon Gajer (Red.), Erste Stolpersteine erinnern an jüdische Mitbürger, in: stimme.de vom 25.6.2018 (betr. Bonfeld)
Eduard Warenik (Red.), Kleiner jüdischer Friedhof bei Bad Rappenau, in: „Meine Stimme“ vom 18.1.2023 (abrufbar unter: meine.stimme.de/bad-rappenau/)
Jüdischer Kulturweg (Hrg.), Auf den Spuren jüdischen Lebens im Heilbronner Land, online abrufbar unter: juedischer-kulturweg-heilbronnerland.de
Elfi Hofmann (Red.), In Bad Rappenau werden Stelen des „Jüdischen Kulturwegs Heilbronner Land“ aufgestellt, in: „Heilbronner Stimme“ vom 12.9.2023