Hainstadt (Baden-Württemberg)

Datei:Karte Bahnstrecke Wallduern-Hardheim.png – WikipediaDatei:Buchen (Odenwald) in MOS.svg Hainstadt ist seit 1974 ein Ortsteil der Stadt Buchen (Neckar-Odenwald-Kreis) - ca. 30 Kilometer westlich von Bad Mergentheim gelegen (Bahnstreckenkarte Hardheim - Walldürn mit Eintrag von Buchen, Kj. 2007, aus: wikipedia.org  und  Kartenskizze 'Neckar-Odenwald-Kreis', Hagar 2010, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Bereits Jahrzehnte vor dem 30jährigen Krieg waren jüdische Familien in dem zum Ritterkanton Odenwald gehörenden Hainstadt - der Ort war als mainzisches und z.T. auch württembergisches Lehen im Besitz verschiedener Adelsfamilien - ansässig, die zu damaliger Zeit bereits eine Synagoge (im sog. „Judenbau“) besaßen. Ihr Wohnbereich lag „von Alters her ... auf dem Kellergarten“; die Kellereistraße trug früher den Namen „Judengasse“. Durch die Aufnahme von aus anderen Orten vertriebener Juden vergrößerte sich deren Zahl in Hainstadt, die hier unter dem Schutz verschiedener Grundherrschaften standen. Dieser Tatsache war es auch zuzuschreiben, dass es in der Frage des „Judenschutzes“ wiederholt zu Streitigkeiten zwischen den „Schutzherren“ kam. Ihren zahlenmäßigen Zenit erreichte die Hainstadter jüdische Kultusgemeinde in der Mitte des 19.Jahrhunderts.

Wegen des starken Anwachsens der Zahl der Gemeindemitglieder errichtete man ein neues Synagogengebäude an der Buchener Straße, das im Jahre 1819 fertiggestellt und eingeweiht wurde. Dieser Neubau ersetzte damit eine bereits um 1600 bestehende Synagoge im sog. „Judenbau“. Nur die Mikwe verblieb zunächst noch im Keller der alten Synagoge. Da sich die Gemeinde mit dem Neubau finanziell übernommen hatte, erhielt sie - auf ihre Bitte hin - die Genehmigung, bei ihren Glaubensgenossen in der weiteren Region eine Geldsammlung durchzuführen. Um nun auch noch die Restkosten aufbringen zu können, wurden die Plätze in der neuen Synagoge meistbietend versteigert - Mindestgebot war 50 Gulden. Wer sich keinen bestimmten Platz (für mindestens fünf Jahre) sichern wollte, der musste für die Benutzung einer ihm zugewiesenen Sitzgelegenheit eine jährliche Miete von zwei Gulden zahlen.

Von 1820 bis um 1870 bestand in Hainstadt eine jüdische Elementarschule, danach nur noch eine Religionsschule (untergebracht im Synagogengebäude).

  aus: „Der Israelit“ vom 30.Nov. 1870 und 21.Okt. 1909

Hinweis: Walldürn gehörte als Filialgemeinde zeitweise zur Kultusgemeinde Hainstadt. [vgl. Walldürn (Baden-Württemberg)]

Ihre Verstorbenen beerdigte die jüdische Gemeinde auf dem Verbandsfriedhof im nahen Bödigheim. [vgl. Bödigheim (Baden-Württemberg)]

Seit Ende der 1820er Jahre gehörte die Hainstädter Gemeinde zum Rabbinatsbezirk Merchingen.

Juden in Hainstadt:

       --- um 1600 ...................... ca.  10 jüdische Familien,

    --- 1776 .............................  19     “       “    ,

    --- 1803 .............................  28     “       “    ,

    --- 1825 ............................. 160 Juden (ca. 13% d. Bevölk.),

    --- um 1840 ...................... ca. 250   “  ,

    --- 1855 ............................. 197   “  ,

    --- 1869 ............................. 161   “  ,

    --- 1875 ............................. 143   “   (ca. 12% d. Bevölk.),

    --- 1887 ............................. 135   “  ,

    --- 1900 .............................  93   “  ,

    --- 1910 .............................  59   ”  ,

    --- 1925 ......................... ca.  40   “   (ca. 4% d. Bevölk.),

    --- 1933 .............................  38   “  ,

    --- 1940 ......................... ca.  10   “  ,

             (Dez.) ......................  keine.

Angaben aus: F.Hundsnurscher/G.Taddey, Die jüdischen Gemeinden in Baden. Denkmale, ..., S. 118

 

Während des 19.Jahrhunderts bestritten die hier ansässigen Juden ihren Lebensunterhalt fast ausschließlich im Handel; in den ersten Jahrzehnten waren es vor allem Erzeugnisse der Hainstädter Leinenweberei, die von ihnen vertrieben wurden.

Anfang der 1930er Jahre lebten die wenigen Juden Hainstadts vom Einzel- und Viehhandel. Zumeist gelang ihnen bis 1940 die Emigration (vor allem in die USA).

Während des Novemberpogroms schändeten auswärtige SA-Angehörige die Synagoge, indem sie Fenster und Türen einschlugen und anschließend den Innenraum demolierten. Das Synagogengebäude wurde später abgerissen und an dessen Stelle später ein Mehrfamilienhaus errichtet.

Sechs jüdische Einwohner Hainstadts wurden im Rahmen der sog. „Aktion Bürckel“ Ende Oktober 1940 ins südfranzösische Gurs deportiert. Von den 1933 in Hainstadt lebenden 38 Einwohnern jüdischen Glaubens fielen mindestens sieben der Shoa zum Opfer; die Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem weist insgesamt 19 aus Hainstadt stammende bzw. längere Zeit hier ansässig gewesene jüdische Bürger auf, die Opfer der "Endlösung" geworden sind (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/hainstadt_synagoge.htm).

[vgl. Buchen (Baden-Württemberg)]

[vgl. Eberstadt (Baden-Württemberg)]

 

Der auf dem ehemaligen Synagogengrundstück errichtete Nachfolgebau hat den Grundstein der 1835 errichteten Synagoge eingebunden.

 Mit Hilfe des Bildhauers Ralf Drolshagen haben sich vier Schülerinnen aus Hainstadt am zentralen Mahnmalprojekt von Neckarzimmern engagiert. Das Ergebnis ist der 2012 erstellte Memorialstein (Aufn. aus: mahnmal-neckarzimmern.de), der sich auch als Doublette nahe der ehemaligen Synagoge in Hainstadt befindet.

 

In der Mühlgasse und der Hauptstraße erinnern drei „Stolpersteine“ an nicht-jüdische Verfolgte des NS-Regimes.

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Weitere Informationen:

Ambrosius Götzelmann, Das geschichtliche Leben eines ostfränkischen Dorfes. Hainstadt im Bauland 725 – 1925, Würzburg, 2.Aufl., 1925

Anton Knapp, Aus Hainstadts jüngster Vergangenheit, in: "Hainstädter Heimatblätter 1953"

F.Hundsnurscher/G.Taddey, Die jüdischen Gemeinden in Baden. Denkmale, Geschichte, Schicksale, Hrg. Archivdirektion Stuttgart, Stuttgart 1968, S. 118/19

Die Juden in Tauberfranken 1933 - 1945. Quellen und didaktische Hinweise für die Hand des Lehrers, Hrg. Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg, 1984

Joachim Hahn, Erinnerungen und Zeugnisse jüdischer Geschichte in Baden-Württemberg, Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 1988, S. 385

Hainstadt, in: alemannia-judaica.de (mit Dokumenten zur jüdischen Ortshistorie, besonders zahlreichen personenbezogen Angaben/Bildmaterialien)

Rainer Trunk, Die Deportation der jüdischen Einwohner im Landkreis Buchen am 22.Oktober 1940, in: "Der Wartturm - Heimatblätter des Vereins Bezirksmuseum Buchen e.V.", No.4/1990

Daniel Mahr (Hrg.), Zeugnisse jüdischer Existenz im Altkries Buchen. Die ehemaligen jüdischen Gemeinden im Altkreis Buchen, Buchen 2006

Joachim Hahn/Jürgen Krüger, “Hier ist nichts anderes als Gottes Haus ...” Synagogen in Baden-Württemberg,, Teilband 2: Orte und Einrichtungen, Konrad Theiss Verlag GmbH, Stuttgart 2007, S. 71 - 78 (incl. aller Stadtteile von Buchen)

Rainer Trunk (Red.), Gedenkstätte Ehemalige Synagoge Buchen, online abrufbar unter: gedenkstaetten-bw.de/fileadmin/gedenkstaetten/pdf/gedenkstaetten/buchen

Hainstadt – Jüdisches Leben im Südwesten, online abrufbar unter: leo-bw.de/themenmodul/juedisches-leben-im-suedwesten/orte/baden/hainstadt

Laura Oehl (Red.), Stolpersteine erinnern an verfolgte und ermordete Haistädter, in: op-online.de vom 26.6.2024