Neudenau (Baden-Württemberg)

Bildergebnis für landkreis heilbronn ortsdienst karteNeudenau in HN.png Neudenau ist heute eine Kleinstadt mit derzeit ca. 5.400 Einwohnern im Nordosten des Landkreises Heilbronn (Kartenskizze 'Landkreis Heilbronn' ohne Eintrag von Neudenau, aus: ortsdienst.de/baden-wuerttemberg/landkreis-heilbronn und Lage von Neudenau rot markiert, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0).

                       Neudenau - Mitte 19.Jahrhundert (Abb. aus: wikipedia.org, gemeinfrei)

 

In Neudenau - um 1260 urkundlich zur Stadt erhoben - wurden bereits gegen Ende des 13.Jahrhunderts Juden erwähnt, die dann unter den sog. „Rindfleisch-Verfolgungen“ und dem Pestpogrom von 1348/1349 zu leiden hatten. Ihr mittelalterliches Wohngebiet war die „Judengasse“, die heutige Kronengasse.

Der jüdische Friedhof von Neudenau ist einer der ältesten im Raum Heilbronn; dieser nahm über einen langen Zeitraum verstorbene Juden aus der gesamten Region auf. Für die Begräbnisse waren an die Herrschaft jeweils Zahlungen zu leisten, das sog. ‚Judenbegräbnisgeld’; es betrug im Falle eines verstorbenen Juden über 20 Jahre zwei Gulden, unter 20 Jahren einen Gulden. Bereits Ende des Mittelalters war dieses Friedhofsareal Neudenaus „außerhalb des Oberen Tores“ in Nutzung; es wurde erstmals 1492 als zentrale Begräbnisstätte für Juden um Heilbronn, Wimpfen und Schwaben genannt. – Der heute noch bestehende Friedhof wurde zu Beginn des 18.Jahrhunderts angelegt; der älteste vorhandene Grabstein datiert von 1715. Bis ins 20.Jahrhundert wurden auch hier verstorbene Juden aus umliegenden Ortschaften begraben.

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Alte Grabsteine auf dem jüdischen Friedhof in Neudenau (Aufn. J. Hahn, 2004 und um 1985)

Ob jüdische Bewohner ab der Frühen Neuzeit dauerhaft in Neudenau ansässig gewesen sind, kann nicht nachgewiesen werden; auf jeden Fall wurde nur ganz wenigen Familien hier ein Wohnrecht zugestanden. Erst gegen Ende des 17.Jahrhunderts nahm die Zahl der jüdischen Bewohner allmählich zu; die allermeisten lebten bis ins 19.Jahrhundert vom wenig gewinnbringenden sog. ‚Nothandel’.

Als der bisherige Betraum zu klein geworden und zudem wegen Baufälligkeit einzustürzen drohte, erwarb die Gemeinde um 1820 ein Baugrundstück; doch auf Grund der schlechten Finanzlage der meisten jüdischen Familien konnte das Bauvorhaben zu diesem Zeitpunkt nicht realisiert werden. Erst 1874/1875 wurde dort ein einfaches Synagogengebäude errichtet, das Anfang des Jahres 1875 vom Rabbiner Weil aus Mosbach eingeweiht wurde. Dieses Gebäude diente den Neudenauer Juden bis zur Auflösung der Gemeinde 1937 als gottesdienstlicher Versammlungsraum.

Zur Erledigung religiöser Aufgaben war seitens der kleinen Gemeinde ein Lehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war. Unter den jüdischen Lehrern Neudenaus ist Wolf Strauß zu nennen, der vier Jahrzehnte - von 1836 bis zu seinem Tod (1876) - in Neudenau tätig war.

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Stellenanzeigen aus der Zeitschrift „Der Israelit“ vom 11.Juni 1879 und vom 8.Juni 1881

Zu den gemeindlichen Einrichtungen zählte auch eine Mikwe, die zunächst in einem jüdischen Privathaus, nach 1835 in einem Gebäude außerhalb des Ortes untergebracht war.

Die kleine Gemeinde gehörte zum Rabbinatsbezirk Mosbach.

Juden in Neudenau:

         --- um 1770 .........................  8 jüdische Familien,

    --- 1806 ............................ 11     “       “    (ca. 55 Pers.),

    --- 1825 ............................ 36 Juden,

    --- 1841 ............................ 55   "  ,

    --- 1852 ............................ 46   “  ,

    --- 1883 ............................ 50   “  ,

    --- 1900 ............................ 39   "  ,

    --- 1910 ............................ 26   “  ,

    --- 1925 ............................ 12   “  ,

    --- 1933 ............................  9   “  ,

    --- 1940 ............................  keine.

Angaben aus:  W.Angerbauer/H.G.Frank, Jüdische Gemeinden in Kreis und Stadt Heilbronn, ..., S. 181

 

Anfang der 1930er Jahre lebten die wenigen jüdischen Familien vom Vieh-, Pferde- und Textilwarenhandel. Bis Ende der 1930er Jahre hatten alle jüdischen Bewohner Neudenau verlassen und waren in deutsche Großstädte verzogen; 1937 wurde die Gemeinde offiziell aufgelöst.

                 http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20214/Neudenau%20PA%20061936.jpg ein Artikel aus der Lokalzeitung vom 30.Juni 1936

In der Pogromnacht vom November 1938 soll der Synagogenraum der Zerstörung zum Opfer gefallen sein. 1938 wurde das Gebäude verkauft, in dem sich damals im Erdgeschoss Stallungen, im ersten Stock der Betsaal befunden hatten. Nach 1950 wurde das Obergeschoss wegen Baufälligkeit abgetragen; die ehemaligen Stallungen wurden 1980 zu einem Getränkelager umgebaut (heute sind nur noch Fundamentreste übriggeblieben).

Direkt von Neudenau aus hat es vermutlich keine Deportationen gegeben; vielmehr wurden einige von Neudenau nach Pforzheim, Weinheim und Karlsruhe verzogene jüdische Personen Ende Oktober 1940 ins südfranzösische Gurs verschleppt.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem sollen 15 gebürtige bzw. längere Zeit am Ort lebende Juden Opfer der Shoa geworden sein (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/neudenau_synagoge.htm).

 

Nach 1945 wurde das inzwischen dem Verfall überlassene Synagogengebäude teilweise abgebrochen; heute sind nur noch Relikte der Grundmauern erhalten.

Im Josefine-Weihrauch-Heimatmuseum der Stadt - für die Öffentlichkeit seit 1951 zugänglich - wird u.a. auch an die jüdische Lokalgeschichte erinnert.

Der jüdische Friedhof in Neudenau präsentiert sich dem Besucher in einem recht gepflegten Zustand.


Jüdischer Friedhof in Neudenau - Eingangspforte und Teilansicht des Areals (Aufn. J. Hahn, 2003)

 Carola Rosenberg wurde 1899 in Neudenau geboren; sie hat sich in der Frauenbildung in Deutschland einen Namen gemacht. In den 1920er Jahren war sie an führender Position in der Frauenabteilung der Volkshochschule in Stuttgart tätig. Die sich zu kommunistischen Idealen hingezogene Carola Rosenberg-Blum - seit 1924 mit dem bekannten Stuttgarter Schriftsteller und Bühnenautor Bernhard Blume verheiratet - wollte mit ihrer Arbeit vor allem die Lebenssituation sozial und bildungsmäßig benachteiligter Frauen verbessern und ihnen Möglichkeiten zu einem selbstbestimmten Leben aufzeigen. Da sie Jüdin war, wurde sie 1933 fristlos entlassen und emigrierte drei Jahre später in die Vereinigten Staaten. 1988 verstarb sie in Los Angeles; ihr Nachlass befindet sich im Stadtarchiv Stuttgart.

 

 

 

Weitere Informationen:

Fridolin Mayer, Geschichte der Stadt Neudenau an der Jagst, o.O. 1937

Franz Hundsnurscher/Gerhard Taddey, Die jüdischen Gemeinden in Baden - Denkmale, Geschichte, Schicksale, Hrg. Archivdirektion Stuttgart, Kohlhammer Verlag, Stuttgart 1968, S. 213 f.

W.Angerbauer/H.G.Frank, Jüdische Gemeinden in Kreis und Stadt Heilbronn. Geschichte - Schicksale - Dokumente, in: "Schriftenreihe des Landkreises Heilbronn", Band 1, Hrg. Landkreis Heilbronn 1986, S. 177 - 181

Joachim Hahn, Erinnerungen und Zeugnisse jüdischer Geschichte in Baden-Württemberg, Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 1988, S. 241/242

Fridolin Vochezer (Red.), Sitten und Gebräuche der Neudenauer Juden, in: „Neudenauer Heimatblätter“, Sept./Okt. 1993

Fridolin Vochezer (Red.), Das jüdische Bethaus in Neudenau, in: „Neudenauer Heimatblätter“, Jan/März 1994

Fridolin Vochezer (Red.), Die Neudenauer Judengemeinde, in: „Neudenauer Heimatblätter“, April 1996

Andrea Göldner (Red.), Karolina Blume geb. Rosenberg. Ein Lebensweg, in: „Neudenauer Heimatblätter“, Sept./Okt. 1998, S. 117/118

Anne-Christel Recknagel, "Weib, hilf dir selber!" Leben und Werk der Carola Rosenberg-Blume, Hohenheim Verlag, Stuttgart 2002

Elisabeth Straßer (Red.), Ellen Auerbach geb. Rosenberg. Künstlerin und Weltbürgerin, in: „Neudenauer Heimatblätter“, Juli/Sept. 2003, S. 235 - 237

Joachim Hahn/Jürgen Krüger, “Hier ist nichts anderes als Gottes Haus ...” Synagogen in Baden-Württemberg, Teilband 2: Orte und Einrichtungen, Konrad Theiss Verlag GmbH, Stuttgart 2007, S. 346 - 349

Neudenau, in: alemannia-judaica.de (mit zahlreichen Angaben zur jüdischen Gemeindehistorie)