Philippsburg (Baden-Württemberg)

Datei:Philippsburg im Landkreis Karlsruhe.png Die Kleinstadt Philippsburg mit derzeit ca. 13.700 Einwohnern liegt im Nordwesten des Landkreises Karlsruhe nordwestlich von Bruchsal (Kartenskizze 'Landkreis Karlsruhe', F. Paul 2009, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0  und  Philippsburg auf einer Streckenkarte der Bruhrainbahn, kj. 2007, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0).

https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/4/48/Udenheim-Philippsburg_1590_2.jpgUdenheim-Philippsburg, um 1590 (Abb. aus: wikipedia.org, gemeinfrei)

Möglicherweise hielten sich jüdische Familien bereits im 14.Jahrhundert in der unmittelbaren Region um Philippsburg auf, das damals Udenheim hieß. Doch erst seit dem 17.Jahrhundert lassen sich dauerhafte Ansiedlungen von Juden urkundlich nachweisen. Zu der Zeit, als Philippsburg den speyrischen Fürstbischöfen als Residenz diente, lebten etwa zehn jüdische Familien hier; doch mit der Verlegung der Residenz nach Bruchsal wanderten auch die Juden ab. Erst nach 1820 ließen sich wieder einige Familien in Philippsburg nieder.

Die hiesige Judenschaft verfügte in der Weißetorstraße/Ecke Alte Kirchstraße über einen Betsaal. Mit dem Bau eines Synagogengebäudes um 1850 wurde der bislang genutzte Gebetsraum im Keller eines jüdischen Anwesens aufgegeben.

Jüdisches Gemeindezentrum Philippsburg (aus: genolo.de)

Für religiöse Aufgaben war ein seitens der Gemeinde angestellter Religionslehrer zuständig, der zugleich auch als Vorbeter und Schächter tätig war. Unter den jüdischen Lehrern ist insbesondere Moritz Neuburger zu nennen, der fast ein halbes Jahrhundert (bis 1938) dieses Amt inne hatte.

  Stellenangebote der Gemeinde von 1849 und 1889

Einen eigenen Friedhof besaßen die Philippsburger Juden zunächst nicht; ihre Verstorbenen wurden auf dem jüdischen Verbandsfriedhof in Obergrombach beerdigt (vgl. dazu: Münzenheim). Seit Ende der 1880er Jahre gab es dann im Huttenheimer Wald eine eigene Begräbnisstätte.

140817-Philippsburg-Jüdischer-Friedhof.jpg

Jüdischer Friedhof (Aufn. B., 2014, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0  und  J. Hahn, 2009)

Seit 1885 gehörten die in Oberhausen, seit 1903 auch die wenigen noch in Liedolsheim lebenden jüdischen Bewohner zur Synagogengemeinde Philippsburg. 1827 wurde die Gemeinde Philippsburg dem Rabbinatsbezirk Bruchsal zugewiesen.

Juden in Philippsburg:

          --- 1683 ...........................   5 jüdische Familien,

    --- um 1720 ........................   8     “       “    ,

    --- um 1780 ........................ eine    “       “  (),

    --- 1810 ...........................  10 Juden,

    --- 1825 ...........................  24   "   (ca. 2% d. Bevölk.),

    --- 1832 ...........................  15   "  ,

    --- 1842 ...........................  94   “  ,*     * andere Angabe: ca. 45 Pers.

    --- 1850 ........................... 103   “  ,

    --- 1864 ...........................  63   "  ,

    --- 1875 ...........................  79   “   (ca. 3% d. Bevölk.),

    --- 1885 ...........................  70   "  ,

    --- 1900 ...........................  57   “   (ca. 2% d. Bevölk.),

    --- 1910 ...........................  51   "  ,

    --- 1925 ...........................  50   “  ,

    --- 1933 ...........................  45   “  ,

    --- 1938 ...........................  32   “  ,

    --- 1940 (Sept.) ...................  21   “  ,

             (Nov.) ....................  keine.

Angaben aus: Jürgen Stude, Geschichte der Juden im Landkreis Karlsruhe, S. 377

Geschichte - Stadt PhilippsburgZentrum von Philippsburg (Abb. Stadt Philippsburg)

 

Gegen Mitte des 19.Jahrhunderts erreichte die Zahl jüdischer Bewohner in Philippsburg ihren Höchststand, danach wanderten aber immer mehr Juden ab. Die Philippsburger Juden verdienten in den 1920er Jahren ihren Lebensunterhalt als Landesprodukten-, Textil- und Manufakturwarenhändler; zudem gab es zwei Viehhändler und einen Zigarrenfabrikanten; eine jüdische Familie betrieb eine Druckerei und einen Verlag, der die Lokalzeitung herausgab. Da die jüdischen Einwohner weitestgehend in die hiesige Kleinstadtgesellschaft integriert waren, gelang es den NS-Machthabern nur allmählich, die Juden auszugrenzen und ins wirtschaftliche Abseits zu stellen.

Während der „Kristallnacht“ vom November 1938 setzten einheimische und auswärtige SA-Angehörige das Synagogengebäude in Brand; es brannte völlig aus. Die Ruine wurde Wochen später niedergelegt und das Grundstück neu überbaut.

Insgesamt mehr als 20 Philippsburger Juden gelang es bis Kriegsbeginn zu emigrieren, sowohl in europäische Länder als auch in die USA.

Die letzten ca. 20 Philippsburger Juden wurden Ende Oktober 1940 ins südfranzösische Gurs deportiert.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." sind nachweislich 28 gebürtige bzw. länger in Philippsburg ansässig gewesene jüdische Bürger Opfer der „Endlösung“ geworden (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/philippsburg_synagoge.htm).

 

1954 kehrte der letzte jüdische Lehrer Philippsburgs, Moritz Neuburger (er war von 1889 bis 1938 hier tätig gewesen), in seinen Heimatort zurück; noch im gleichen Jahre verstarb er und wurde auf dem hiesigen jüdischen Friedhof am Rande der Molzau beerdigt.

Heute stehen auf dem eingefriedeten Friedhofsgelände noch 47 Grabdenkmäler.


Hinweistafel am Friedhof (Aufn. M. Ohmsen, 2011)  -  verschlossene Eingangspforte (Aufn. L., 2022, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)

undefinedeinige Grabdenkmale (Aufn. L., 2022, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)

Eine Gedenktafel erinnert heute mit den folgenden Worten an die frühere Synagoge:

Ein Memorialstein, der von zwei Schülern der Konrad-Adenauer-Realschule Philippsburg entworfen und 2018 aufgestellt wurde, erinnert am Standort des zentralen Deportationsmahnmals in Neckarzimmern an die ca. 20 verschleppten jüdischen Bewohner aus Philippsburg.

        Gedenkstein in Philippsburg Memorialstein aus Philippsburg (Aufn. aus: mahnmal-neckarzimmern.de)

Das steinerne Relief erinnert an die ehemalige Festungsanlage von Philippsburg, deren Grundriss die Form eines Sternes mit sieben Türmen hatte. Das Innere der sternartig angelegten Festung zeigt einen Davidstern. Eine Doublette des Memorialsteins befindet sich vor der Philippsburger Festhalle; eine dort angebrachte Gedenktafel nennt zudem die Namen der deportierten Personen.

 

 

 

Weitere Informationen:

F.Hundsnurscher/G.Taddey, Die jüdischen Gemeinden in Baden - Denkmale, Geschichte, Schicksale, Hrg. Archivdirektion Stuttgart, Kohlhammer Verlag, Stuttgart 1968, S. 237 ff.

Joachim Hahn, Erinnerungen und Zeugnisse jüdischer Geschichte in Baden-Württemberg, Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 1988, S.297

Monika Preuß (Bearb.), Der jüdische Friedhof Philippsburg-Huttenheim, Unveröffentlichte Grunddokumentation des Landesdenkmalamtes Baden-Württemberg, 1992

Jürgen Stude, Geschichte der Juden im Landkreis Karlsruhe, Hrg. Landsratsamt Karlsruhe, Karlsruhe 1997, S. 377 - 380

Konrad Odenwald, Das Schicksal der jüdischen Synagogengemeinde Philippsburg, in: "Heimatbuch Philippsburg", No. 8, o.J., S. 194 - 204

M.Wildmann/E.R.Wiehn (Hrg.), Und flehentlich gesegnet - Briefe der Familie Wildmann aus Rivesaltes und Perpignan. Jüdische Schicksale aus Philippsburg 1941 - 1943, Hartung-Gorre Verlag, Konstanz 1997

Philippsburg mit Oberhausen, in: alemannia-judaica.de (mit einigen Dokumenten zur jüdischen Ortshistorie)

Joachim Hahn/Jürgen Krüger, “Hier ist nichts anderes als Gottes Haus ...” Synagogen in Baden-Württemberg, Teilband 2: Orte und Einrichtungen, Konrad Theiss Verlag GmbH, Stuttgart 2007, S. 380/381

Dieter Haas, Biografisches Gedenkbuch an die Philippsburger Juden 1933 – 1945, Philippsburg 2015 (abrufbar unter: familienbuch.genolo.de/)

Schmidhuber (Red.), Erinnerung an die Deportation von 21 Philippsburger Juden – Stadt sieht moralische Verpflichtung – Schule fertigt Entwürfe für Denkmal, aus: Informationen der Stadt Philippsburg von 2016 (online abrufbar unter: philippsburg.de)

Kulturstiftung der Sparkasse Karlsruhe (Red.), Übergabe des Judendenkmals in Philippsburg, Information vom 23.10.2017

Dieter Haas, Biographisches Gedenkbuch der Philippsburger Juden 1933 – 1945, online abrufbar unter: genolo.de (Anm.: sehr informative Seiten)