Stebbach (Baden-Württemberg)

Bildergebnis für Kreis heilbronn ortsdienst Karte  Der Ort Stebbach ist seit seiner Eingemeindung (1974) ein Ortsteil von Gemmingen im Landkreis Heilbronn mit derzeit ca. 1.500 Einwohnern – knapp 20 Kilometer westlich von Heilbronn gelegen (Kartenskizze 'Landkreis Heilbronn' ohne Eintrag von Stebbach/Gemmingen, aus: ortsdienst.de/baden-wuerttemberg/landkreis-heilbronn).

 

Urkundlich nachgewiesen sind Juden im reichsritterschaftlichen Dorfe Stebbach seit Anfang des 18.Jahrhunderts; so lebte 1704 eine jüdische Familie hier; dabei muss es sich um eine wohlhabendere Familie gehandelt haben, denn die Grundherrschaft nahm jährlich 15 Gulden als 'Schutzgeld vom Juden zu Stebbach' ein. Gegen jährliche Schutzgeldzahlungen gewährten die Grafen von Degenfeld-Schonburg dann weiteren Familien hier Aufnahme. Ihren Lebenserwerb bestritten die Juden in Stebbach damals mit Vieh-, Getreide- und Weinhandel.

Für die Abhaltung ihrer gottesdienstlichen Zusammenkünfte stand den Stebbacher Juden ein ärmliches, baufälliges Gebäude zur Verfügung, das in den 1820er Jahren renoviert wurde. Etwa zeitgleich errichtete die Gemeinde eine Mikwe in der Nähe des Synagogengebäudes.

    

Anzeigen aus: "Großherzoglich Badisches Anzeige-Blatt für den See-Kreis" vom 1.März 1848 und vom 23.Dez. 1854

Über ein eigenes Friedhofsgelände verfügte die hiesige Gemeinde nicht; deshalb wurden Verstorbene auf jüdischen Friedhöfen der Umgebung (in Heinsheim, Oberöwisheim und Waibstadt) beerdigt. Nach Anlegung des israelitischen Friedhofs in Eppingen wurden seit ca. 1820 hier auch Juden aus Stebbach begraben; auf dem Areal findet man ca. 50 Grabstätten Stebbachder Juden.

Die Gemeinde Stebbach zählte seit 1827 zum Rabbinatsbezirk Sinsheim, später dann zum von Bretten.

Seit den 1860er Jahren hatte der aus Merchingen stammende Jonas Eisinger (geb. 1844) die Stelle als Kantor/Lehrer in der jüdischen Gemeinde Stebbach inne. Mehr als vier Jahrzehnte war er zugleich auch Ratsschreiber im Ort. Für seine langjährigen Verdienste wurde ihm 1912 die Ehrenbürgerwürde von Stebbach verliehen, die ihm in der NS-Zeit offiziell dann wieder entzogen wurde. Jonas Eisinger war bereits 1914 verstorben.

Juden in Stebbach:

         --- um 1705 ..........................  eine jüdische Familie,

    --- 1809 .............................  12 jüdische Haushalte,

    --- 1814 ............................. 124 Juden,

    --- 1825 .............................  75   “   (ca. 11% d. Dorfbev.),

    --- 1843 ............................. 115   “   (ca. 13% d. Dorfbev.),

    --- 1864 .............................  69   "  ,

    --- 1875 .............................  42   “  ,

    --- 1900 .............................  10   “  ,

    --- 1925 .............................   7   “  ,

    --- 1940 .............................   2 Jüdinnen.

Angaben aus: Wolfgang Ehret, Dorf Stebbach und Burg Streichenberg

 

Die Juden Stebbachs verdienten ihren Lebensunterhalt als Metzger, Gastwirte, Händler mit landwirtschaftlichen Produkten oder betrieben „Schacherhandel“. 1826 wurde im Dorf die Bettfedernfabrik Michael Kahn gegründet, die 1854 nach Mannheim übersiedelte und sich hier zu einem Großunternehmen entwickelte.

Fabrikant Michael Kahn (1798-1861)

Anm.: Ende der 1860er Jahre hatten die Bettfedernfabrikanten Gebrüder Kahn im Angedenken an ihren Vater die „Michael Kahn’sche Schulstiftung“ ins Leben gerufen, die bis in die 1930er Jahre (!) immer wieder großzügig mit Geld ausgestattet wurde, um damit für die Stebbacher Kinder Schulbücher und Lehrmaterialien anzuschaffen. Erst 1953 (!) wurde die Stiftung aufgelöst.

Mit der bürgerlichen Gleichstellung der badischenn Juden seit Beginn der 1860er Jahre nutzten auch zahlreiche Stebbacher jüdische Familien die beruflichen Perspektiven und Bildungschancen, die sich ihnen in größeren Städten boten. Innerhalb nur eines Jahrzehnts war durch Abwanderung der Zahl der jüdischen Bewohner Stebbachs stark abgesunken.

Als gegen Ende des 19.Jahrhunderts die meisten Juden ihr Heimatdorf verlassen hatten und die Abhaltung von Gottesdiensten nicht mehr möglich war, wurde das alte Synagogengebäude veräußert.

Eine beantragte Auflösung der Gemeinde wurde zum damaligen Zeitpunkt aber abgelehnt; erst während des Ersten Weltkrieges erfolgte dann das offizielle Ende der jüdischen Gemeinde. Die wenigen noch im Dorf lebenden Juden gehörten von nun zur Gemminger Kultusgemeinde.

1912 ernannte die Kommune Stebbach den Juden Jonas Eichinger zum ersten Ehrenbürger der Gemeinde; er war vier Jahrzehnte als Ratsschreiber der Gemeinde tätig gewesen.

Die letzten beiden in Stebbach lebenden hochbetagten Jüdinnen wurden im Oktober 1940 ins südfranzösische Gurs deportiert; ihr Schicksal ist ungewiss.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." sind fünf aus Stebbach stammende Juden Opfer des Holocaust geworden (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/stebbach_synagoge.htm).

Nur eine „in Mischehe“ verheiratete Jüdin überlebte die NS-Zeit in ihrem Heimatort.

 

Wegen Baufälligkeit wurde wenige Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges das ehemalige Synagogengebäude abgerissen.

Der Gedenkstein, der an die Deportationen vom Oktober 1940 erinnern soll, wurde von Jugendlichen aus Gemmingen und Stebbach für das in Neckarzimmern sich befindende zentrale badische Mahnmalprojekt gestaltet. Die Eisenbahnschienen stehen dabei sinnbildlich für die Verschleppung der jüdischen Bewohner nach Gurs; der auf ihnen ruhende zerbrochene Davidstern symbolisiert die Zerstörung der jüdischen Gemeinde durch die Nationalsozialisten.

Gedenkstein/Denkmal (Aufn. A. Lagator, in: konradsblatt-online.de und Kommune Gemmingen, in: gemmingen.eu)

[vgl. Gemmingen (Baden-Württemberg)]

 

 

 

Weitere Informationen:

F.Hundsnurscher/G.Taddey, Die jüdischen Gemeinden in Baden - Denkmale, Geschichte, Schicksale, Hrg. Archivdirektion Stuttgart, Kohlhammer Verlag Stuttgart 1968, S. 107

Wolfgang Ehret, Dorf Stebbach und Burg Streichenberg (Ortschronik), Hrg. Gemeinde Gemmingen, 1997, S. 479 – 492

Wolfgang Ehret, Die jüdische Familie Kahn aus Stebbach – Fabrikanten, Revolutionäre, Bankiers, in: "Kraichgau. Beiträge zur Landschafts- und Heimatforschung", No. 17/2002, S. 231 - 256

Joachim Hahn/JürgenKrüger, “Hier ist nichts anderes als Gottes Haus ...” Synagogen in Baden-Württemberg, Teilband 2: Orte und Einrichtungen, Konrad Theiss Verlag GmbH, Stuttgart 2007, S. 145/146

Wolfgang Ehret, Stebbach – Eppingen im Land. Erinnerungen des Roger Eisinger an ein Dorf, das es so nicht mehr gibt, in: "Rund um den Ottilienberg", 9/2010

Die jüdische Gemeinde, aus: Stebbacher Ortsgeschichte (online abrufbar)

Stebbach, in: alemannia-judaica.de (mit einigen Dokumenten zur jüdischen Ortshistorie)

Gemmingen/Stebbach: Das Mahnmal in Neckarzimmern für die deportierten Jüdinnen und Juden Badens und Gedenkbuch-Projekt, online abrufbar unter: mahnmal-neckarzimmern.de/gedenksteine/gemmingen-stebbach

Simon Gajer (Red.), Mahnmal gegen Vergessen, in: stimme.de vom 11.4.2016

Simon Gajer (Red.), Schienen führen in schwarzen Tunnel, in: stimme.de vom 12.12.2018