Betsche (Westpreußen)
Die kleine, an mehreren Seen gelegene Ortschaft Betsche - zwischen Landsberg und Posen unweit von Meseritz/Międzyrzecz gelegen - ist das heutige polnische Pszczew, einer Landgemeinde mit derzeit ca. 4.300 Einwohnern (Ausschnitt aus hist. Karte aus: heimatkreis-meseritz.de und Ausschnitt aus Karte von 1905, aus: wikiwand.com/de/Kreis_Birnbaum).
Die Wurzeln der jüdischen Gemeinde in Betsche liegen vermutlich gegen Ende des 18. bzw. zu Beginn des 19.Jahrhunderts; eine erste gesicherte urkundliche Erwähnung stammt aus dem Jahre 1802. Zu dieser Zeit müssen auch der Friedhof angelegt und ein Bethaus eingerichtet worden sein.
Hinweis: Über früheste jüdische Ansässigkeit liegen hingegen verschiedene Angaben vor: so gehen einige Historiker davon aus, dass eine Ansiedlung bereits gegen Mitte des 18.Jahrhunderts erfolgt sein muss..
Ihren Zenit mit knapp 200 Angehörigen erreichte die Gemeinde in Betsche sie um die Mitte des 19.Jahrhunderts. Neben einer 1854 umgebauten oder neu errichteten Synagoge in der Meseritzer Straße – es war ein unscheinbares Gebäude – gehörte zu den gemeindlichen Einrichtungen der Friedhof, der weit außerhalb des Wohngebietes auf einem Hügel an der Landstraße nach Tirschtiegel (Trciel) lag.
Juden in Betsche:
--- 1808 ...................... 98 Juden,
--- 1840 ...................... 173 “ (ca. 12% d. Bevölk.),
--- 1871 ...................... 78 “ ,
--- 1880 ...................... 82 “ ,
--- 1895 .................. ca. 60 “ ,
--- um 1930 ............... ca. 30 “ ,
--- 1939 ...................... 15 ” .
Angaben aus: The Encyclopedia of Jewish Life before and during the Holocaust (Vol. 1), S. 134
In den 1820/1830er Jahren soll ein Teil der Bewohner von Diebstahl und Hehlerei seinen Lebensunterhalt bestritten haben; involviert waren neben städtischen Angestellten auch Juden.*
* Das "diebische Treiben" wurde von dem Berliner Polizisten Thiele in seiner Arbeit unter dem Titel „Die jüdischen Gauner in Deutschland” beschrieben und bot einen Einblick in die kriminelle Seite des Lebens der Juden im Posener Gebiet. Diese Ereignisse wurden dann im Dritten Reich für die antisemitische Propaganda verwendet.
Betsche - hist. Postkarte (Abb. aus: wikipedia.org CCO)
Im Laufe der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts wanderten die meisten jüdischen Familien aus Betsche ab; ein Teil verzog nach Berlin. Am Ende des 19. Jahrhunderts hatte die Gemeinde keinen Rabbiner mehr; religiöse Dienste verrichtete ein jüdischer Lehrer aus Schwerin/Warthe (Skwierzyn).
Mitte der 1930er Jahre war die inzwischen stark dezimierte Gemeinde in Auflösung begriffen. 1935 fand in der Synagoge der letzte Gottesdienst statt.
Während der „Reichskristallnacht“ wurden in Betsche einige jüdische Geschäfte demoliert; möglicherweise blieb das Synagogengebäude von Zerstörungen verschont. Die noch im Ort verbliebenen Juden verschleppten die NS-Behörden im März 1940 in ein Lager in der Nähe von Schneidemühl; von hier aus wurden sie später in den Tod geschickt.
In den 1970er Jahren wurde der jüdische Friedhof in Pszczew - die letzte Beerdigung hatte 1938 hier stattgefunden - eingeebnet; heute erinnert an seinen Standort neben wenigen Grabsteinrelikten ein Gedenkstein.
Aufn. aus: cmentarze-zydowskie.pl/pszczew2.htm
Das Gebäude der ehemaligen Synagoge ist erhalten geblieben, aber befindet sich derzeit in einem maroden Zustand; wegen unterschiedlicher Nutzungen (Werkstatt/Lagerraum) waren in der Vergangenheit mehrfach Umbauten vorgenommen worden.
Ehem. Synagogengebäude u. Reste der Frauenempore (Aufn. S. Pietkiewicz, 2007, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0)
Weitere Informationen:
The Encyclopedia of Jewish Life before and during the Holocaust (Vol. 1), New York University Press, Washington Square, New York 2001, S. 134
Robert Piotrowski, Spotkania z historia. "Treffen mit der Geschichte. Pszczew-Betsche", 2012 (enthält auch Informationen über die jüdische Gemeinde)
Pszczew, in: sztetl.org.pl
Robert Piotrowski, Spotkania zhistorią. Pszczew / Treffen mit der Geschichte. Betsche - Pszczew, in: Germano-Polonica, 2013/2014
Martin Sprungala/Heimatkreis Meseritz e.V. (Red.), Das neue polnische Buch über Betsche “Treffen mit der Geschichte. Pszczew – Betsche”, online abrufbar unter. heimatkreis-meseritz.de
Andrzej Kirmiel (Bearb.), Geschichte der Jüdischen Gemeinde in Betsche (Pszczew) und ihres Friedhofs, in: Universität Potsdam – Institut für jüdische Studien und Religionswissenschaft (Hrg.), Jüdische Friedhöfe in Polen auf den Gebieten der ehemaligen Provinz Brandenburg, online abrufbar unter: uni-potsdam.de/ (2021)