Buer-Melle (Niedersachsen)

Datei:LD Osnabrück.jpgDatei:Melle in OS.svg Die östlich von Osnabrück liegende Ortschaft Buer ist heute ein Ortsteil von Melle (Ausschnitt aus hist. Karte 'Landdrostei Osnabrück', aus: wikipedia.org, gemeinfrei und Kartenskizze 'Landkreis Osnabrück', Hagar 2009, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Während in Melle Juden bereits zu Beginn des 18.Jahrhunderts urkundlich erwähnt sind, ließ sich in Buer erst 1809/1810 eine jüdische Familie nieder. Die offizielle Bildung einer kleinen Synagogengemeinde mit Sitz in Buer, die sich aus wenigen Familien aus den Ortschaften Buer, Melle, Neuenkirchen und Rabber zusammensetzte, erfolgte gegen Mitte der 1840er Jahre.

Die Juden in Buer trafen sich zu Gottesdiensten anfangs in einem Betraum, der in dem Haus einer jüdischen Familie untergebracht war; nach 1840 stand dann ein anderer Synagogenraum zur Verfügung, der auch einen abgetrennten Teil für Frauen besaß. 1863 weihte die Gemeinde eine neue Synagoge am Kampingring ein. Zu den gemeindlichen Einrichtungen gehörte in Buer ein seit ca. 1820 bestehender Friedhof, der auch von Juden aus Melle und Rabber genutzt wurde.

                              Jüdischer Friedhof in Buer (Aufn. Petra Ropers, um 2010)

Die Synagogengemeinde Buer unterstand dem Landrabbinat Emden.

Juden in Buer/Melle:

         --- 1828 .........................  7 jüdische Familien,**    ** mit Melle

    --- 1861 ......................... 19 Juden,*                   * nur in Melle

    --- 1871 ......................... 28   “  ,

             ......................... 23   “  ,*

    --- 1885 ......................... 33   “  ,

             ......................... 12   “  ,*

    --- 1905 ......................... 46   “  ,**

    --- 1925 .........................  8   “  ,

             ......................... 30   “  ,*

    --- 1933 .........................  7   “  ,

             ..................... ca. 15   “  ,*

    --- 1939 ..................... ca. 10   “  .**

Angaben aus: N.Kratochwill-Gertich/A.C.Naujoks (Bearb.), Buer, in: H. Obenaus (Hrg.), Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinden in Niedersachsen .., Bd. 1, S. 376

 

Während die Zahl der in Buer lebenden jüdischen Familien seit der Jahrhundertwende rückläufig war, verzeichnete Melle eine geringe Zunahme seiner jüdischen Bewohner. Die Meller Juden waren überwiegend als Kaufleute und Händler (Pferdehandel) tätig.

Ab Ende der 1920er Jahre zeigte sich auch in Melle eine rückläufige Bevölkerungsentwicklung; Ab- und Auswanderung ließen die Zahl der jüdischen Familien auf nur wenige schrumpfen. Dies führte 1931 dazu, dass die Synagogengemeinde aufgelöst wurde. Die verbliebenen Juden schlossen sich der Osnabrücker Gemeinde an, und das Synagogengebäude, in dem schon seit Jahren keine Gottesdienste mehr abgehalten worden waren, ging in Privathand über. Die Abwanderung der jüdischen Bewohner setzte sich in der NS-Zeit fort. Nachdem sie ihre Geschäfte aufgelöst und ihren Besitz veräußert hatten, suchten sie ihr Heil in der Emigration.

Während des Novemberpogroms wurden die wenigen verbliebenen männlichen Juden „in Schutzhaft“ genommen und ins KZ Buchenwald überstellt. Das nun ausschließlich als Wohnhaus genutzte Synagogengebäude - seit Anfang der 1940er Jahre im Besitz eines nicht-jüdischen Viehhändlers - wurde nicht angetastet, jedoch schändete man den Friedhof in Buer, wobei Grabsteine zu Pflasterarbeiten zweckentfremdet wurden.

Nach der „Reichskristallnacht“ wurden die wenigen noch in Melle lebenden „Volljuden“ aus ihren Wohnungen gedrängt und mussten in das „Judenhaus“ in der Oldendorfer Straße umziehen. Von den 1941 beginnenden Deportationen waren dann auch jüdische Bewohner aus Melle und Buer betroffen. Keiner von ihnen soll überlebt haben.

 

Auf dem jüdischen Friedhof am Sunderbrook (im Stadtteil Buer) sind noch 46 Grabsteine zu finden; die älteren Steine sind „verloren gegangen“, da diese während der NS-Zeit abgeräumt und zu Hofpflasterungen benutzt wurden; einige wurden auf das ca. 700 m² große Begräbnisgelände zurückgebracht.

 Jüdischer-Friedhof Melle-Buer 01.jpg

Jüdischer Friedhof (Aufn. O., 2017, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 4.0)

In unmittelbarer Nähe der ehemaligen Synagoge von Melle fanden im Jahre 2010 insgesamt zwölf "Stolpersteine" ihren Platz; sie erinnern an Angehörige der Familien Weinberg, Löwenstein und Faymann; weitere zwei folgten noch zwei Jahre später, so dass nun insgesamt 14 messingfarbene Steinquader ihren Platz im Gehwegpflaster haben (Stand 2023).

Stolpersteine am Kampingring 15 in Melle-Buer (2).jpg

verlegt am Kampingring (Aufn. Mafrika, 2021, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)

2016 wurde im Grönenbergpark in Melle eine stählerne Skulptur des Künstlers Gerhard Schengber aufgestellt, die als „Ort der Erinnerung“ aller Opfer des nationalsozialistischen Regimes verstanden werden soll.

Im Mittelpunkt des „Ortes der Erinnerung“ steht die vom Künstler Gerhard Schengber aus Cortenstahl gefertigte Skulptur. Die Skulptur des Künstlers Gerhard Schengber (Aufn. Stadt Melle, 2016)

Nach dem ehemaligen Amtsrichter Georg Bodenheim ist jüngst eine Straße in Melle benannt worden. Aus seinem Nachlass sind sechs Tagebücher vorhanden, die die Jahre von 1921 bis 1940 umfassen (Anm. Georg Bodenheim war bereits 1895 zum christlichen Glauben konvertiert).

Datei:Gesmolderstr. 21 Stolperstein für Georg Bodenheim Jg. 1867 ... tot 21.4.1941, sowie Elisabeth Bodenheim geb. Starcke, Jg. 1883 ... Überlebt.jpg"Stolpersteine" für das Ehepaar Bodenheim (Aufn. M., 2021, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)

 

An die 1913 in Buer geborene jüdische Schriftstellerin Ilse Losa erinnert seit 2013 ein Weg in Buer-Melle. In ihrem schriftstellerischen Schaffen verarbeitete sie ihre Erfahrungen aus der NS-Zeit und den Verlust der Heimat; zudem schrieb sie Kinderbücher. Ilse Losa starb 2006 in Porto/Portugal.

 

 

Weitere Informationen:

Hedwig Hagenhoff, Der ‘Gute Ort’ in Buer, in: "Der Grönegau - Meller Jahrbuch", No. 2/1984, S. 144 - 150

Wilhelm Knigge, Ein Blick in die Geschichte der Stadt Melle, in: Stadt Melle (Hrg.), 825 Jahre Stadt Melle 1169 - 1994, 1994, S. 13 - 53

Dietmar Preuß, Von den Anfängen jüdischen Lebens in Buer, in: "Der Grönegau - Meller Jahrbuch", No. 23

Nancy Kratochwill-Gertich/Antje C. Naujoks (Bearb.), Buer, in: Herbert Obenaus (Hrg.), Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinden in Niedersachsen und Bremen, Wallstein-Verlag, Göttingen 2005, Band 1, S. 375 - 380

N.N. (Red.), Judenfriedhof: Gräber für die Ewigkeit, in: „NOZ - Neue Osnabrücker Zeitung“ vom 28.11.2006

N.N. (Red.), An die Opfer erinnern. In Buhr werden am 19.Oktober Stolpersteine verlegt, in: „NOZ - Neue Osnabrücker Zeitung“ vom 10.9.2010

Norbert Wiegand (Red.), Spätes Erinnern an Familie Weinberg. Von Nazis gequält und ausgelöscht. Steine bringen gedanklich zum „Stolpern“, in: "NOZ - Neue Osnabrücker Zeitung“ vom 20.10.2010

PM (Red.), Melle: Projekt Stolpersteine wird fortgesetzt, in: „Lingener Tagespost“ vom 30.5.2012

Norbert Wiegand (Red.), Neue Stolpersteine Melle. Dezente Spuren der Erinnerung, in: „Neue Osnabrücker Zeitung“ vom 4.6.2012

Auflistung der in Melle verlegten Stolpersteine, online abrufbar unter. wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Melle

Christoph Franken (Red.), Das Leben von Georg und Eilsabeth Bodenheim, in: „NOZ - Neue Osnabrücker Zeitung“ vom 5.6.2012

Petra Ropers (Red.), Ein Tor zur Erinnerung. Neue Pforte des jüdischen Friedhofs mehr als ein schmucker Eingang, in: „Meller Kreisblatt“ vom 27.7.2012

Kommune Melle (Hrg.), Straßenschild erinnert an bedeutende jüdische Schriftstellerin, Melle 2013

Stadt Melle, „Ort der Erinnerung“ als Mahnung für die Gegenwart und die Zukunft, in: melle.info (2016)

Christina Wiesmann (Red.), „Ort der Erinnerung“ im Meller Grönenbergpark eröffnet, in: „NOZ - Neue Osnabrücker Zeitung“ vom 9.6.2016

Bernd Meyer (Red.), Georg Bodenheim, ein Meller Bürger, in: „Melle History“, o.J.

Uwe Plaß (Red.), Das erste Meller Museum: Sein jüdischer Initiator blieb außen vor, in: "NOZ – Neue Osnabrücker Zeitung“ vom 21.10.2021