Duisburg (Nordrhein-Westfalen)
Duisburg – an der Mündung der Ruhr in den Rhein gelegen - ist eine Großstadt mit derzeit ca. 500.000 Einwohner im Zentrum der Metropolregion Rhein-Ruhr (topografische Karte des Ruhrgebietes um 1940, aus: gen.wiki.genealogy.net und Kartenskizze 'Duisburg und Nachbarkreise', Markus Baumer 2010, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 2.0).
Nachdem sich im 12.Jahrhundert aus dem „Königshof“ Duisburg ein städtisches Gemeinwesen entwickelt hatte, zogen auch die ersten jüdischen Familien zu. In einem hebräischsprachigen Rechtsgutachten aus der zweiten Hälfte des 12.Jahrhunderts ist bereits von einem jüdischen Bethaus in „Tusburk“ die Rede. Ob sich zu diesem Zeitpunkt eine größere jüdische Gemeinde bildete, ist ungewiss; fest steht allerdings, dass auch die in Duisburg lebenden Juden während der Pestjahre 1348/1349 fast ausgerottet wurden.
hist. Karte von ca. 1640 (aus: wikipedia.org gemeinfrei)
Blick auf Duisburg, Stahlstich um 1845 (Abb. aus: commons.wikimedia.org, gemeinfrei)
Erst zu Beginn des 18.Jahrhunderts bildete sich wieder eine kleine jüdische Gemeinde in der Stadt; zuvor war es nur einigen wenigen Juden erlaubt gewesen, in Duisburg zu leben; nach 1540 war es bereits zu einer gewissen Lockerung des Niederlassungsverbots gekommen.
Ab 1793 strebte die inzwischen auf zehn erwachsene Juden angewachsene Gemeinde den Bau einer Synagoge an; realisiert wurde der Plan erst 1826 an der Universitätsstraße. Mitte der 1850er Jahre wurde der Synagogenbezirk Duisburg mit den Spezialgemeinden Ruhrort, Holten und Dinslaken eingerichtet; ca. 20 Jahre später wurden alle vier Orte autonome Synagogengemeinden.
Als das Synagogengebäude an der Universitätsstraße baufällig geworden war, erwarb die rasch wachsende jüdische Gemeinde - ihren enormer Zuwachs verdankt sie der seit der Industrialisierung boomenden Stadt - ein Grundstück in der Junkernstraße/am Kuhlenwall, auf dem im März 1875 der Synagogenneubau festlich eingeweiht wurde. Über die Einweihungsfeierlichkeiten heißt es in einem Bericht der „Rhein- und Ruhrzeitung” u.a.: „ Am Nachmittag um 3 Uhr (5.März) fand Mincha-Gottesdienst in dem bisherigen provisorischen Betlocale ... statt, worauf die Thorarollen ausgehoben wurden und der Zug sich nach einem kurzen Abschiedsworte des Oberrabbiners Herrn Dr. Horowitz aus Crefeld nach der neuen Synagoge in Bewegung setzte. Voran ging die Schuljugend mit Fähnchen, dann folgten weißgekleidete Mädchen, die fünf Träger der Thorarollen, die Geistlichkeit, die Schlüsselträgerein ... Vor der neuen Synagoge, welche in jeder Hinsicht eine Zierde unserer Stadt ist, angelangt, überreicht ... die Schlüsselträgerin den Schlüssel der Haupttür dem Baumeister ..., und dieser schließlich dem Herrn Ober-Rabbiner als dem Würdigsten, welcher dann mit einem kurzen Gebete die Tür öffnete. ...”
Bereits einige Tage zuvor, am 1.März 1875, hatte die „Rhein- und Ruhrzeitung” vermeldet: „ ... die kleine Zahl aus dem Stamme Juda, die innerhalb Duisburgs Mauern ihren Wohnsitz gefunden und der wir vor allem die Anerkenntnis entgegenbringen müssen, daß sie sich fast ohne Ausnahme als gute Stadt- und Staatsbürger bewährt ..., mit unverdrossener Mühe und großen Opfern das Werk vollendet haben, das heute unserer Stadt zur Zierde gereicht. Selbst der Fanatiker in religiöser Beziehung wird nicht umhin können, einem solchen Wollen und Vollbringen, wie es das kleine Häuflein unserer jüdischen Mitbürger bewiesen, volle Achtung zu zollen. Möge auch der intolerante Andersgläubige beim Anblick dieses Gotteshauses nicht vergessen, daß gerade im Judentum noch wahre Frömmigkeit existiert. ... Begrüßen wir also den Tag, an dem dieser Tempel geweiht, nicht allein als einen Freudentag der jüdischen Gemeinde, sondern als einen Freudentag für ganz Duisburg."
Synagoge in Duisburg (hist. Aufn. 1902, Stadtarchiv)
Bereits 20 Jahre später trug man sich - auf Grund der enormen Zunahme der Gemeindemitglieder - mit dem Gedanken eines Synagogenneubaus; doch dieser Plan wurde bald fallengelassen. Nach dem Ersten Weltkrieg spaltete sich in Duisburg die Gemeinde; eine eigenständige "ostjüdische" Gemeinde, die „Machsida Hadas”, bildete sich; sie richtete in der Charlottenstraße ihren Betsaal und eigene Unterrichtsräume ein, bot Talmud-Thora-Unterricht an und verfügte über einen eigenen Schächter. Ihre chassidische Glaubenstradition unterschied sich wesentlich vom liberal gelebten Judentum der alteingesessenen Familien.
Während zunächst die Juden von Duisburg ihre letzte Ruhe auf dem jüdischen Friedhof in Meiderich fanden, wurden ab den 1820er Jahren die Verstorbenen in Duisburg beerdigt; ein Pachtvertrag mit der Stadt hatte die Einrichtung eines eigenen Begräbnisplatzes ermöglicht.
Juden in Duisburg:
--- 1793 ...................... ca. 30 Juden,
--- 1807 .......................... 32 “ ,
--- 1817 .......................... 43 “ ,
--- 1827 .......................... 70 “ ,
--- 1847 .......................... 99 “ ,
--- 1865 .......................... 144 “ ,
--- 1874 .......................... 293 “ ,
--- 1885 .......................... 441 “ ,
--- 1895 .......................... 602 “ ,
--- 1900 .......................... 814 “ ,
--- 1905 .......................... 971 “ ,
--- 1912 .......................... 1.100 “ ,
--- 1925 .......................... 1.597 “ ,
--- 1930 .......................... 1.750 “ ,
--- 1933 .......................... 1.805 “ ,
--- 1936 .......................... 1.074 “ ,
--- 1937 .......................... 1.457 “ ,*
--- 1938 (Okt.) ................... 1.394 “ ,*
--- 1939 (Okt.) ................... 841 “ ,*
--- 1942 (Febr.) .................. 330 " .* * Angaben für das gesamte Stadtgebiet Duisburg mit Hamborn und Ruhrort
Angaben aus: G. v. Roden, Geschichte der Duisburger Juden, Duisburger Forschungen, Bd. 34, S. 96, S. 131 und S. 870
Königsstraße (hist. Aufn. um 1920) und Beekstraße mit Kaufhaus Wertheim (um 1910, Stadtarchiv Duisburg)
Anm.: In der Beekstraße in der Duisburger Altstadt konzentrierte sich das jüdische Geschäftsleben: Neben Textil- und Gemischtwarenkaufhäuser waren hier mehrere Schuhgeschäfte und Bettenhäuser zu finden.
In Duisburg lebten jüdische und christliche Bürger recht harmonisch zusammen; daran konnte auch die ab 1885 einsetzende antisemitische Hetze nichts ändern.
Als nach der Besetzung Polens durch die kaiserliche Armee im Ersten Weltkrieg eine verstärkte Einwanderung von „Ostjuden“ nach Deutschland erfolgte, waren auch in Duisburg wieder Zuzüge zu verzeichnen. Zwischen den alteingesessenen und den aus Osteuropa zugewanderten Juden verlief ein tiefer Graben; während die einheimischen jüdischen Familien als Angehörige der bürgerlichen Mittelschicht weitgehend in die Gesellschaft integriert waren, blieben die Zuwanderer - sie lebten vor allem vom Kleinhandel und waren Industriearbeiter - meist außen vor. Zugewanderte jüdische Arbeiter gründeten hier einen Arbeiterkulturverein, der gemeinsam mit denen aus Bochum, Dortmund, Essen, Gladbeck und Herne sich 1920 zum „Landesverband Rheinland-Westfalen der jüdischen Arbeiter-Kulturvereine“ zusammenschloss. Als unmittelbare Folge des Ersten Weltkrieges lebte der Antisemitismus wieder auf; in deutsch-nationalen und deutschvölkischen Versammlungen wurde der „Verjudung” des Kaiserreiches die Schuld am Niedergang Deutschlands gegeben. Auch in Duisburg versuchten antisemitische Flugblätter 1919/1920 die Bevölkerung gegen die Juden aufzuhetzen; bei einigen Bürgern schienen sie auf fruchtbaren Boden gefallen zu sein, wie aus einem Bericht der „Allgemeinen Zeitung des Judentums” vom 4.6.1920 zu entnehmen ist:
Reichswehr - Judenhetze
Unter den im Ruhrrevier liegenden ‘Reichswehrtruppen’ treibt eine antisemitische Propaganda munter ihr Wesen, die schon stark nach Vorbereitung des Pogroms aussieht. Vor einigen Tagen wurden in Duisburg eine große Anzahl Häuser, in denen Juden wohnen, sowie die Synagoge mit ... aus roter Ölfarbe bestehenden Hakenkreuzen gekennzeichnet, außerdem wurden die bekannten antisemitischen Handzettel angeklebt. Es steht einwandfrei fest, daß die Täter Reichswehrangehörige sind, ....
Während der 1920er-Jahre gab es in Duisburg vereinzelte antisemitische Vorfälle, die im Laufe der Jahre immer schlimmer wurden; so kam es schon im Sommer 1930 in Duisburg zu antisemitischen Exzessen; auch Belästigungen von jüdischen Kindern in den Schulen und auf den Straßen nahmen jetzt zu. Besonders die Gruppe der ostjüdischen Bewohner wurde zur Zielscheibe antisemitischer Propaganda. SA- und SS-Angehörige waren bereits ab Ende Februar 1933 zur offenen Gewalt gegenüber Duisburger Juden übergegangen; so waren jüdische Markthändler schon im Februar 1933 überfallen worden. Im Folgemonat verwüsteten SS-Männer den Betsaal der „Machsida Hadas“. In der gesamten Woche vor dem reichsweiten Boykotttag mussten die Duisburger Juden, vor allem die äußerlich leicht zu identifizierenden „Ostjuden“, Gehässigkeiten, Bedrohungen und Schikanen der verschiedensten Art über sich ergehen lassen; so wurde z.B. der Rabbiner Jacov Mordechai Bereisch am 23.März 1933 durch die Stadt getrieben.
Rabbiner J. M. Bereisch wurde am 23.März 1933 durch die Stadt getrieben (Aufn. aus: duisburg.de)
Der 1.April 1933 verlief in Duisburg nicht anders als in den meisten deutschen Städten ab: Vor jüdischen Geschäften postierten sich SA-Angehörige und versuchten, Käufer am Betreten zu hindern. Da aber diese eintägige Maßnahme wenig Wirkung gezeigt hatte, ging man vereinzelt dazu über, bei nichtjüdischen Geschäften Schilder mit der Aufschrift „Deutsches Geschäft” anzubringen; auch einzelne Gewaltakte wurden verzeichnet. Nachdem sich 1934 die Lage weitgehend beruhigt hatte, setzte ab 1935 eine neue Phase in der „Judenpolitik“ des Reiches ein, die zahlreiche jüdische Bewohner Duisburgs veranlasste, die Stadt zu verlassen. - Ende Oktober 1938 wurden auch aus Duisburg ca. 140 Juden polnischer Staatsangehörigkeit abgeschoben und ins Niemandsland an der deutsch-polnischen Grenze verfrachtet.
Die Ausschreitungen des Novemberpogroms von 1938 dauerten im Stadtgebiet von Duisburg 24 Stunden lang, von etwa Mitternacht des 9.November bis in die Morgenstunden des 11.November. Die Täter waren in der Regel SA- und SS-Angehörige; die Bevölkerung war nicht bzw. kaum involviert.
Brennende Synagoge, Duisburg-Ruhrort (Abb. Petra Grünendahl, aus: Zentrum für Erinnerungskultur)
Anm.: Eine hist. Aufn. der zerstörten Duisburger Synagoge in der Junkernstraße lag nicht vor.
Eine Meldung des Duisburger Polizeipräsidiums an den Düsseldorfer Regierungspräsidenten vom 11.11. bilanzierte die Gewaltakte: Die Synagoge in der Junkernstraße, die Betsäle und die Leichenhalle auf dem jüdischen Friedhof waren ausgebrannt, die Inneneinrichtung des Gemeindehauses und der jüdischen Schule zerstört; ebenfalls niedergebrannt wurden die Synagogen in Duisburg- Ruhrort und Duisburg-Hamborn. 40 Wohnungen und 25 Geschäfte von jüdischen Einwohnern wurden demoliert. Zahlreiche Juden waren geflohen, 60 wurden festgenommen oder begaben sich „freiwillig in Schutzhaft”.
In der „National-Zeitung” war nach dem Pogrom zu lesen:
... Auch innerhalb des Stadtgebietes Duisburgs kam es zu erheblichen Aktionen gegen die Juden, die für die Rassegenossen des Mordbuben Grynszpan nicht ohne Schäden blieben. Privatwohnungen, Pensionen weithin bekannter Art, Büroräume und Geschäfte erlitten Einbuße, vor allen Dingen durch in die Bestandteile zerlegtes Inventar, das dem ehrlichen Zornausbruch der Bevölkerung nicht standhielt. Übrigens wurde in den frühen Morgenstunden die Feuerlöschpolizei zur Synagoge bestellt, wo Flammen- und Rauchbildungen in dem Mauerwerk auf Brand schließen ließen, so daß die umliegenden Häuser vor eventuellem Schaden bewahrt werden mußten. Um die Mittagszeit war die Löscharbeit beendet; ebenso die Aufräumarbeit in den Straßen, wo die Arbeitskameraden vom Städtischen Fuhrpark im Interesse des Publikumsverkehrs die Trümmer und Scherben zurück in die offenstehenden Judenläden beförderten. Um die Juden angesichts der aufflammenden Empörung großer Bevölkerungsteile ... zu schützen, wurden sie rechtzeitig in Schutzhaft genommen, während die Behausungen selbst mannigfach einer näheren Untersuchung unterzogen wurden. ...
Wenige Tage später erhielt der Vorstand der jüdischen Gemeinde ein Schreiben des Oberbürgermeisters, in dem ihm folgendes mitgeteilt wurde:
„ ... Durch den Brand der Synagoge auf dem Grundstück Junkernstraße in Duisburg ist die Standsicherheit des Mauerwerks und der Konstruktionsteile derart gemindert worden, daß unmittelbare Einsturzgefahr besteht. Da aus städtebaulichen Gründen die Wiederherstellung des Gebäudes nicht erfolgen kann, fordere ich Sie hiermit zur Vermeidung von Gefahren für die Nachbarschaft und im Hinblick auf die Belange der Volksgemeinschaft ... auf, binnen 3 Tagen mit den Aufräumungsarbeiten zu beginnen ... Sollten Sie diese Aufforderung nicht erfüllen, so werden die Arbeiten auf Ihre Kosten ausgeführt ...“
Bis Ende Dezember 1938 waren die allermeisten jüdischen Unternehmen „arisiert“ bzw. aufgelöst worden. Ab 1939 wurden erwerbslose Juden vom Arbeitsamt u.a. für städtische Arbeiten herangezogen. Fast gleichzeitig mit der Verpflichtung zu Zwangsarbeit begannen die städtischen Behörden, die noch in Duisburg lebenden Juden aus ihren Wohnungen zu verdrängen und in „Judenhäusern“ zusammenzufassen. Derartige Häuser befanden sich u.a. in: Charlottenstraße 29, Düsseldorfer Straße 111, Fuldastraße 1, Hohe Straße 29, Klosterstraße 47, Lotharstraße 14b und 100, Mainstraße 50, Neckarstraße 50, Pappenstraße 3, Poststraße 19. - Ab 1941 begannen die Deportationen der Duisburger Juden; vorrangige Ziele waren Riga, Izbica/bei Lublin und Theresienstadt. Über die letzte Zeit der Duisburger Gemeinde gibt es nur noch spärliche Nachrichten; nach dem großen Transport nach Theresienstadt vom 25.Juli 1942 waren nur noch wenige Juden in Duisburg zurückgeblieben. Mit der Verhaftung des letzten Gemeindevorstehers Sally Kaufmann im Juni 1943 hörte die jüdischen Gemeinde Duisburg auf zu bestehen. - Im März/April 1944 waren - auf Veranlassung des Gauarbeitsamtes - zwei Transporte mit „jüdisch Versippten” nach Friedrichsfeld bei Wesel abgegangen; die Betroffenen waren dort zeitweilig in einer Art Durchgangslager untergebracht.
Mehr als 1.000 Juden aus dem Stadtgebiet Duisburgs wurden Opfer der NS-Gewaltherrschaft.
Nach Kriegsende kehrten nur wenige Juden nach Duisburg zurück.
In der Nähe des Standortes der 1938 zerstörten Synagoge am Rabbiner-Neumark-Weg wurde 1974 ein Mahnmal in einem Halbturm der alten Stadtmauer errichtet. Das Mal - konzipiert von dem aus Hannover stammenden Künstler H.J. Breuste - zeigt eine aufgebrochene und dabei zu einem Dreiviertelkreis verbogene Zellentür, die auf einem Sockel in Form eines Davidsterns steht. Eine Inschrift an der angrenzenden Mauer lautet:
Zum Gedenken an die Duisburger Synagoge,
erbaut 1875 an der Junkernstraße, zerstört 10.November 1938 -
und die Opfer der Verfolgung.
Mahnmal zur Erinnerung an die Synagoge (Aufn. aus: rheinruhronline.de)
Am Platz der früheren Synagoge in der Junkernstraße 2 wurde 1987 eine Gedenkkapelle eingeweiht; die Inschrift auf der Gedenktafel lautet:
An dieser Stelle
befand sich die am 5.März 1875 eingeweihte Synagoge der Jüdischen Gemeinde Duisburg.
In der Pogromnacht vom 9. - 10.November 1938
wurde sie von den Nationalsozialisten in Brand gesteckt,
die Ruinen wurden anschließend abgebrochen.
Auch Duisburg gehört zu den Städten, die schon frühzeitig (erstmals 2003) an der Verlegung von „Stolpersteinen“ in den Gehwegen beteiligt waren; inzwischen hat sich hier die Zahl der ins Gehwegpflaster verlegten Steinquader auf mehr als 300 erhöht (Stand 2022); neben jüdischen Opfern wird auch an Personen anderer NS-Opfergruppen erinnert.
Stolpersteine - verlegt in der Altstadt von Duisburg (Aufn. H. M. Schwarz, 2017, aus: wikipedia.org, CCO)
Am Hauptbahnhof findet man ein Boden-Mosaik, das einen Stadtplan von Duisburg zeigt und auf dem kleine Messingplättchen angebracht sind, die die ehemaligen Wohnsitze jüdischer Einwohner zeigen (etwa 300 Markierungen). Das von Jugendlichen initiierte Mosaik aus dem Jahre 2002 war der Ausgangspunkt für die Verlegung weiterer sog. „Stolpersteine“ im gesamten Duisburger Stadtgebiet gewesen; sie erinnern an Personen, die der nationalsozialistischen Verfolgung zum Opfer fielen.
Erstellen des Mahnmals (Aufn. 2012 bzw. cf, 2017, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)
2012 ist nahe des neu gestalteten Bahnhofsvorplatzes ein stählernes Mahnmal des Künstlers Gerhard Losemann errichtet worden, das an die Deportation und Ermordung von etwa 130 jüdischen Kindern und Jugendlichen aus Duisburg während der NS-Zeit erinnert. Der ca. drei Meter hohe stählerne Kubus wurde von einem zehnköpfigen Team Auszubildender der ThyssenKrupp Steel Europe gefertigt.
In der Duisburger Altstadt wurde anlässlich des 80.Jahrestages des Novemberpogroms von 1938 eine Gedenktafel enthüllt, die an ehemaliges (ost)jüdisches Leben hinweist; an dieser Stelle war 1826 der erste jüdische Betraum Duisburgs eingeweiht worden.
Seit 1955 gibt es die „Kultusgemeinde Mülheim-Duisburg”; ihre neue Synagoge weihte sie im Jahre 1960 in der Mülheimer Kampstraße ein. Dieser Doppelgemeinde schloss sich 1968 auch die Jüdische Kultusgemeinde Oberhausen an. Die Einheitsgemeinde Duisburg-Mülheim/Ruhr-Oberhausen setzte sich aus ca. 2.500 Mitgliedern (Stand: 2020) zusammen, die vor allem aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion stammen. 1999 wurde in Duisburg ein großes Gemeindezentrum fertiggestellt, das das frühere jüdische Gemeindehaus in Mülheim ersetzen soll.
Jüdisches Gemeindezentrum (Aufn. Hans-Peter Schaefer, 2000, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)
2018 konnte die Jüdische Gemeinde Duisburg-Mülheim-Oberhausen auf dem Duisburger Waldfriedhof (Düsseldorfer Str.) ein eigenes Gräberfeld einweihen.
Das in Duisburg bis 2011 ansässige „Salomon Ludwig Steinheim-Institut” erforscht die deutsch-jüdische Geschichte von der frühen Neuzeit bis in die Gegenwart. Dabei steht es in enger Verbindung mit der Abteilung „Jüdische Studien“ an der Universität/GHS Duisburg. Zur Verfügung steht eine große Bibliothek mit mehr als 20.000 Einzelbänden zur deutsch-jüdischen Geschichte.
Seit Mai 2011 hat das „Salomon Ludwig Steinheim-Institut für deutsch-jüdische Geschichte“ im ehemaligen Essener Rabbinerhaus, dem Flügel an der südöstlich gelegenen Seite der Synagoge, sein neues Domizil (Abb. H. Lordick, 2011, aus: wikipedia-org, CC BY-SA 3.0). Seit 1998 gibt das Institut die vierteljährlich erscheinende Zeitschrift „Kalonymos“ heraus, die Beiträge zur deutsch-jüdischen Geschichte, Rezensionen und Berichte über Forschungsarbeiten des Instituts zum Inhalt hat.
Der 1789 geborene Salomon Ludwig Steinheim, Sohn einer alteingesessenen jüdischen Familie in Bruchhausen, übte nach dem Medizinstudium den Beruf eines Arztes in Steinheim, später in Altona aus. Bei seinem emanzipatorischen Engagement kam er mit zahlreichen Männern, die die Geistesgeschichte des 19.Jahrhunderts mitprägten, in Kontakt. Seit den 1830er Jahren betrieb Steinheim philosophische und theologische Studien. „Die Offenbarung nach dem Lehrbegriff der Synagoge“ ist sein theologisches Hauptwerk. Bei einem Auslandsaufenthalt in Zürich 1866 verstarb Salomon Ludwig Steinheim; seine Freunde sorgten dafür, dass er sein Grab auf dem jüdischen Friedhof in Altona fand. Die Namensgebung des Duisburger Institutes zur Erforschung der deutsch-jüdischen Geschichte weist darauf hin, dass Salomon Ludwig Steinheim ein zu Unrecht vergessener Philosoph des 19. Jahrhunderts ist.
In Duisburg - Stadtteil Ruhrort - existierte auch eine um 1925 relativ große jüdische Gemeinschaft, die immerhin fast 500 Angehörige zählte. Bereits seit dem 17.Jahrhundert waren in Ruhrort wenige jüdische Familien ansässig. Seit 1840/1841 besaß die Gemeinde einen Synagogenneubau in der Landwehrstraße, der von NS-Angehörigen am 10.Nov. 1938 zerstört wurde. Das jüdische Gemeindehaus überstand die NS-Zeit. Seit 1730 verfügte die Ruhrorter Gemeinde über ein eigenes Friedhofsgelände; es war Ende des 19.Jahrhunderts vollständig belegt, so dass ein Begräbnisplatz in Beeck-Stockum erworben wurde.
[vgl. Ruhrort (Nordrhein-Westfalen)]
In Hamborn - heute ein Stadtteil von Duisburg - gab es seit ca. 1905 auch eine relativ große jüdische Gemeinde, die schnell anwuchs undihren Zenit Ende der 1920er Jahre mit mehr als 800 Mitgliedern erreichte. Die Synagoge der Gemeinde stand in der Kaiser-Friedrich-Straße und wurde in der „Reichskristallnacht“ zerstört, obwohl sie wenige Tage zuvor in „arischen“ Besitz übergegangen war. Seit 1988 erinnert am ehemaligen Standort der Synagoge eine Gedenktafel an die einstige jüdische Gemeinde.
[vgl. Hamborn (Nordrhein-Westfalen)]
In Rheinhausen – bis 1974 eine Stadt im Kreis Moers, danach Stadtbezirk von Duisburg - lebten Anfang der 1930er Jahre ca. 75 Personen mosaischen Glaubens, vor allem in Friemersheim und Hochemmerich. Während einem Teil noch eine Emigration gelang, kamen die meisten der in der Stadt verbliebenen in den "Lagern des Ostens" gewaltsam ums Leben.
Um an die verfolgten und ermordeten ehemaligen jüdischen Bewohner zu erinnern, wurden 17 sog. „Stolpersteine“ verlegt (Stand 2020).
verlegt in der Kaiserstraße (Aufn. R., 2020, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)
und am Körnerplatz
Weitere Informationen:
Heidemarie Günther, Untersuchungen zur Geschichte der Duisburger Judengemeinde vor 1918, Staatsexamensarbeit, Duisburg 1969
Harriet Zimmermann, Untersuchungen zur Geschichte der Duisburger Judengemeinde 1933 - 1945, Staatsexamensarbeit, Duisburg 1969
Kuno Bludau, Widerstand und Verfolgung in Duisburg 1933 – 1945, in: "Duisburger Forschungen", Band 16, Duisburg 1973
Harold Hammer-Schenk, Synagogen in Deutschland. Geschichte einer Baugattung im 19. u. 20.Jahrhundert, Hans Christians Verlag, Hamburg 1981, Teil 1, S. 332 und Teil 2, Abb. 257
Duisburg im Nationalsozialismus - Eine Dokumentation zur Ausstellung des Stadtarchivs, Hrg. Stadtarchiv Duisburg und Dezernat für Kultur und Bildung, Duisburg 1983
Petra Marianne Dieler, Die Duisburger Juden - eine Dokumentation der jüdischen Bürger ab 1933, Examensarbeit, Universität Duisburg 1983
Ludger Heid, Das ostjüdische Proletariat in Duisburg 1914 - 1922, in: "Duisburger Forschungen", Band 33, Duisburg 1985, S. 213 - 232
Günter von Roden/Rita Vogedes, Geschichte der Duisburger Juden, in: "Duisburger Forschungen", Band 34, Teil 1 und 2, Walter Braun Verlag, Duisburg 1986
R.Tappe/M.Tietz (Hrg.), Tatort Duisburg 1933 - 1945 (2 Bände), Essen 1989/1993
Marina Sassenberg, Duisburg, in: Wegweiser durch das jüdische Rheinland, Berlin 1992, S. 84 ff.
L.Heid/J.Schoeps (Hrg.), Wegweiser durch das jüdische Rheinland, Nicolaische Verlagsbuchhandlung Beuermann GmbH, Berlin 1992, S. 84 f.
Benno Reicher, Jüdische Geschichte und Kultur in NRW - ein Handbuch, in: Kulturhandbücher NRW, Band 4, S. 102 - 112, Hrg. Sekretariat für gemeinsame Kulturarbeit in NRW, 1993
Ludger Heid, Jüdische Arbeiterfürsorgeämter im rheinisch-westfälischen Industriegebiet 1919 - 1927, in: "Duisburger Forschungen", Band 43, Duisburg 1997, S. 287 - 310
Michael Zimmermann (Hrg.), Geschichte der Juden im Rheinland und in Westfalen, in: "Schriften zur politischen Landeskunde", Band 11, Hrg. Landeszentrale für pol. Bildung Nordrhein-Westfalen, Kohlhammer Verlag GmbH, Köln/Stuttgart/Berlin 1998
Ludger Heid, Arbeit und Alltag ostjüdischer Arbeiter im rheinisch-westfälischen Industriegebiet, in: Kirsten Menneken/Andrea Zupancic (Hrg.), Jüdisches Leben in Westfalen, Klartext Verlag, Essen 1998, S. 132 - 142
Michael Brocke (Hrg.), Feuer an dein Heiligtum gelegt - Zerstörte Synagogen 1938 in Nordrhein-Westfalen, Ludwig Steinheim-Institut, Kamp Verlag, Bochum 1999, S. 136 - 144
Ludger Heid, Harry Eppstein. Zionistischer Politiker und Anwalt der Ostjuden, in: J.-P.Barbian/M.Brocke/L.Heid (Hrg.), Juden im Ruhrgebiet. Vom Zeitalter der Aufklärung bis in die Gegenwart, Klartext Verlag, Essen 1999, S. 105 - 132
Ludger Heid, “Wahrhafter Seelsorger mit heiterem Gleichmut” - Der Duisburger Rabbiner Manass Neumark, in: J.-P.Barbian/M.Brocke/L.Heid (Hrg.), Juden im Ruhrgebiet . Vom Zeitalter der Aufklärung bis in die Gegenwart, Klartext Verlag, Essen 1999, S. 47 - 66
Annette Zellner, “Cohen & Epstein”. Das älteste Kaufhaus Duisburgs als Opfer der ‘Arisierung’, in: J.-P.Barbian/M.Brocke/L.Heid (Hrg.), Juden im Ruhrgebiet. Vom Zeitalter der Aufklärung bis in die Gegenwart, Klartext Verlag, Essen 1999, S. 463 - 466
Elfi Pracht-Jörns, Jüdisches Kulturerbe in Nordrhein-Westfalen, Teil II: Regierungsbezirk Düsseldorf, J.P.Bachem Verlag, Köln 2000, S. 72 ff.
The Encyclopedia of Jewish Life before and during the Holocaust (Vol. 1), New York University Press, Washington Square, New York 2001, S. 342 - 344
Evang. Kirchenkreis/Evang. Familienbildungswerk Duisburg (Hrg.), Stolpersteine in Duisburg. Wir erinnern an Naziopfer und zwei Täter, Duisburg 2005 (Anm. Aufzählung der in den einzelnen Stadtteilen von Duisburg verlegten Stolpersteine mit biografischen Daten der betroffenen Personen)
M.Brumlik/R.Heuberger/C.Kugelmann (Hrg.), Reisen durch das jüdische Deutschland, DuMont Literatur- u. Kunstverlag, Köln 2006, S. 254 f.
Cordula Klümper, Duisburger Juden gestern und heute, Hrg. Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit Duisburg-Mülheim-Oberhausen e.V. und Salomon-Ludwig-Steinheim-Institut, Duisburg 2009
J. Ludger Heid, Die Verfolgung der Juden in Duisburg unter der NS-Diktatur 1933 – 1945, in: Jan-Pieter Barbian, Nationalsozialismus in Duisburg 1920 – 1945, Klartext-Verlag, Essen 2009, S. 58 - 85
Hans Joachim Meyer, Das Rezept - auf jüdischen Spuren in Holten, Hamborn, Duisburg; das Schicksal der Familie Dr. Alfred Wolf und der Amalie Lauter - ein heimatkundlicher Beitrag über die medizinische Versorgung jüdischer Bürger zwischen 1933 – 1945, Hamborner Verlag, Duisburg-Hamborn 2009
Jenny Bünning/Kurt Walter (Bearb.): Stolpersteine in Duisburg, Band II Erinnerung an Opfer der Nazidiktatur Gedenksteine 2006-2009, hrg. vom Evangelischen Kirchenkreis Duisburg u. Evangelischen Familienbildungswerk, 2009
Auflistung der Stolpersteine in Duisburg, online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Duisburg
Auflistung der Stolpersteine in Duisburg-Mitte, online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Duisburg-Mitte
Auflistung der in Duisburg-Rheinhausen verlegten Stolpersteine, online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Duisburg-Rheinhausen
J. Ludger Heid, Ostjuden in Duisburg: Bürger, Kleinbürger, Proletarier. Geschichte einer jüdischen Minderheit im Ruhrgebiet, Klartext-Verlag, Essen 2011
Robin Heun (Bearb.), Der Novemberpogrom in Duisburg. Eine Regionalstudie unter besonderer Berücksichtigung der Polizeiberichte vom November 1938, hrg. vom Duisburger Institut für Sprach- u. Sozialforschung, 2011
Oliver Schmeer (Red.), Mahnmal für Deportation in Duisburg eingeweiht, in: „WAZ – Westdeutsche Allgemeine Zeitung“ vom 9.11.2012
„Noch viele Jahre lang habe ich nachts von Duisburg geträumt“ - Jüdisches Leben in Duisburg von 1918 bis 1945. Ausstellung 2015/2016 (Anm. zeigt jüdische Schicksale in Duisburg zwischen 1918 und 1945)
Petra Grünendahl (Red.), Zentrum für Erinnerungskultur. Neue „Denkstätte“ in Duisburg, in: "Duisburg am Rhein – Betrachtungen. Ein Magazin für Duisburg", Ausg. vom 5.5.2016 (online abrufbar unter: duisburgamrhein.wordpress.com)
Petra Grünendahl (Red.), Stolperstein-Verlegung in Duisburg: Familie Jülich an der Köhnenstraße, in: "Duisburg am Rhein - Betrachtungen. Ein Magazin für Duisburg", Ausg. vom 21.12.2017 (online abrufbar unter: duisburgamrhein.wordpress.com)
Harald Küst (Red.), Duisburger Geschichte und Geschichten: Die „Arisierung“ der Hahnschen Werke, in: rp-online.de vom 24.8.2018
Jugendring Duisburg (Hrg.), 15 neue Stolpersteine in Duisburg, online abrufbar unter: jugendring-duisburg.de vom 14.9.2018
Ingo Hoddick (Red.), Vortrag über Ostjuden in Duisburg – Das Stadtfenster. Ein Ort mit Geschichte, in: rp-online.de vom 31.10.2018
Willi Mohrs (Red.), Gedenktafel erinnert an jüdisches Leben, in: „WAZ – Westdeutsche Allgemeine Zeitung“ vom 9.11.2018
L.Joseph Heid (Red.), Jüdische Gemeinde weiht in Duisburg neuen Friedhof ein, in: „WAZ - Westdeutsche Allgemeine Zeitung“ vom 17.11.2018
Jonas Schlömer (Red.), Duisburg: Neue Stolpersteine erinnern an grausame Schicksale, in: „WAZ – Westdeutsche Allgemeine Zeitung“ vom 16.12.2019
L.Joseph Heid (Red.), Nachruf auf Schriftsteller Walter Kaufmann. Duisburg als Ausgangspunkt einer langen Reise, in: rp-online.de vom 16.4.2021
N.N. (Red.), Gedenken an die deportierten jüdischen Kinder, in: „LokalKlick – Online-Zeitung Rhein-Ruhr“ vom 18.8.2021
Sabine Merkelt-Rahm (Red.), Stolpersteine erinnern jetzt an Duisburger Familie Meisels, in: „WAZ - Westdeutsche Allgemeine Zeitung“ vom 1.4.2022