Durlach (Baden-Württemberg)

Strecke der Kraichgaubahn Karlsruhe-durlach.png Durlach hatte seine Blütezeit zwischen 1565 und 1715, als hier die badischen Markgrafen residierten. Seit 1938 ist Durlach der Stadt Karlsruhe eingemeindet und ist heute deren größter Stadtteil (Karte aus: wikipedia.org/wiki/Kraichgaubahn#/media/Datei:KraichgaubahnLandkarte.png  und  Kartenskizze 'Stadtteile von Karlsruhe', Durlach rot markiert, R. 2007, aus: commons.wikimedia.org, CC BY 2.5).

 

Vermutlich hielten sich schon in der ersten Hälfte des 14.Jahrhunderts Juden in Durlach auf; doch die ersten sicheren Belege für jüdische Ansiedlung stammen erst aus der Mitte des 16.Jahrhunderts. Zwischenzeitlich verließen die wenigen Familien den Ort wieder; andere kamen während des Dreißigjährigen Krieges in die Stadt, mussten aber nach 1648 diese wieder verlassen; in den 1670er Jahren wurden sie erneut aufgenommen.

Durlach.jpg

Ansicht von Durlach - Stich Merian um 1650 (Abb. aus: wikipedia.org, gemeinfrei)

Mit der Zerstörung Durlachs 1689 verloren auch die wenigen jüdischen Bewohner ihren gesamten Besitz. Im Zuge des Wiederaufbaus der Stadt wanderten immer mehr jüdische Familien zu, auch in das Dorf Grötzingen. Der Durlacher Rat sah das „Judengesindel“ nicht gern, weil es „durch aller Handel und Wandel der Hantierung gemacht, mithin aber auch mancher ehrlicher Untertan durch diese gar in Ruin und Verderben gestürzet wird”. In der Folgezeit häuften sich die zumeist wirtschaftlich motivierten Konflikte. Als 1715 Karlsruhe Residenzstadt der badischen Markgrafen wurde, begannen die Juden aus Durlach abzuwandern; die Gewährung weitgehender Privilegien zog diese in die neue Hauptstadt; hier bildeten sie dann - zusammen mit jüdischen Neubürgern aus anderen Landesteilen - die Keimzelle der jüdischen Gemeinde von Karlsruhe.

[vgl. Karlsruhe (Baden-Württemberg)]

In Durlach soll es um 1680 einen Betsaal gegeben haben, in dem gemeinsame Gottesdienste für die Juden aus umliegenden Orten abgehalten wurden; wie lange dieser benutzt wurde, ist nicht bekannt. Danach hielten die Durlacher Juden ihre gottesdienstlichen Zusammenkünfte zumeist in Grötzigen ab: Zunächst diente dort ein Raum in einem Privathause, dann ab 1798/1799 die neu errichtete Synagoge diesem Zwecke. Über Ort und Ablauf des Gottesdienstes kam es innerhalb der Judenschaft Durlachs zu langwierigen Streitigkeiten, die erst 1713 durch eine Synagogenordnung beigelegt wurde.

Im 18./19.Jahrhundert verfügte Durlach über keine nennenswerte jüdische Bevölkerung; erst gegen Ende des 19.Jahrhunderts begann wieder ein zögerlicher Zuzug. 1894 wurde Durlach zum Filialort der Grötzinger Gemeinde, zu einer Zeit, als nur noch eine Minderzahl Juden in Grötzingen lebte.

In den Anfängen jüdischer Ansässigkeit soll es in Durlach bereits am Turmberg einen Begräbnisplatz gegeben haben, der vermutlich im Dreißigjährigen Krieg zerstört wurde. Später wurden die Verstorbenen auf dem Verbandsfriedhof in Obergrombach begraben; dafür mussten sie ein Begräbnisgeld an den Landesherrn zahlen; zuletzt stand ihnen der Friedhof in Karlsruhe zur Verfügung.

Juden in Durlach:

         --- um 1550 ........................   2 jüdische Familien,

    --- um 1600 ........................   keine,

    --- 1714 ....................... ca. 100 Juden,

    --- um 1740 ........................   6 jüdische Familien,*     * mit Grötzingen

    --- um 1800 ........................  13 Juden,

    --- 1844 ...........................   3   “  ,

    --- 1870 ...........................   keine,

    --- 1895 ...........................   2 jüdische Familien,

    --- 1900 ...........................  32 Juden,

    --- 1925 ...........................  60   “  ,

    --- 1930/33 ........................   ?     

Angaben aus: Susanne Asche, Geschichte der Juden in Durlach bis 1715

und                 Susanne Asche, Vom Traditionalismus auf dem Land zur Anpassung in der Stadt, S. 190

 

Seit Ende des 19.Jahrhunderts gründeten Juden in Durlach mehrere mittelständische Betriebe, die für die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt nicht ohne Bedeutung waren, da sie zahlreichen Arbeitskräften Lohn und Brot gaben. Ein größeres Industrieunternehmen war die Lederfabrik Herrmann & Ettlinger.

           Werbeblatt der Lederfabrik Herrmann & Ettlinger

gewerbliche Anzeige aus der Zeitschrift „Der Israelit“ vom Juli 1901  http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20256/Durlach%20Israelit%2011071901.jpg

Der wachsende wirtschaftliche Einfluss und der damit einhergehende gesellschaftlich-soziale Aufstieg der jüdischen Unternehmer führten zu einer besseren Integration in die Dorfgemeinschaft; so waren jüdische Bürger Mitglieder in verschiedenen lokalen Vereinen und Verbänden.

Erste antisemitische Tendenzen wurden in Durlach wenige Jahre nach dem Ersten Weltkrieg spürbar; sie richteten sich zunächst nur gegen Einzelpersonen. Der Antisemitismus nahm um 1930/1931 mit dem Aufstieg der Nationalsozialisten weiter zu. Während der „Reichskristallnacht“ fiel die von den Durlacher Juden mitbenutzte Synagoge in Grötzingen NS-Brandstiftern zum Opfer; die Inneneinrichtung wurde zerschlagen, aus dem Gebäude herausgeschleppt und anschließend in Brand gesetzt. Jahre später wurde das Synagogengebäude abgerissen. Auch Übergriffe gegen jüdische Geschäfte und Einwohner wurden damals verzeichnet.

Am 22. Oktober 1940 wurden die letzten jüdischen Einwohner in das Internierungslager Gurs/Südfrankreich deportiert.

Gedenkstein in DurlachSchüler/innen des Durlacher Markgrafen-Gymnasiums entwarfen 2010/2011 den abgebildeten Memorialstein, der – wie zahlreiche andere – auf dem Gelände der zentralen Deportations-Gedenkstätte in Neckarzimmern steht (Abb. aus: mahnmal-neckarzimmern,de); dessen Doublette findet man in Durlach in Bahnhofsnähe.

Wie in anderen Stadtteilen von Karlsruhe wurden auch in Durlach sog. „Stolpersteine“ verlegt, die fast ausnahmslos jüdischen Verfolgten/Ermordeten gewidmet sind.

Stolperstein Max und Babette Schmalz.jpg Stolperstein Karlsruhe Falk David.jpegStolperstein Karlsruhe Falk Bertha geb Bär.jpegStolperstein Karlsruhe Falk Max.jpeg

verlegt in der Blumentorstraße und der Pfinzstraße (aus: wikipedia.org, CCO bzw. S., 2013, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

                 Stolperstein Karlsruhe Kuttner Emil.jpegStolperstein Karlsruhe Kuttner Cäcilie geb Loewy.jpegStolperstein Karlsruhe Kuttner Ursula Jenny.jpeg verlegt am Hengstplatz (Aufn. aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

 

 

[vgl. Grötzingen (Baden-Württemberg)]

 

 

 

Weitere Informationen:

Karl-Gustav Fecht, Geschichte der Stadt Durlach, Heidelberg 1869

Sigmund Metzger, Festschrift zum Hundertjährigen Jubiläum der Erbauung der Synagoge in Grötzingen, Grötzingen 1899 (Reprint 2002 von der Evangelischen Kirchengemeinde Karlsruhe-Grötzingen)

Johann Anton Zehnter, Zur Geschichte der Juden in der Markgrafschaft Baden-Durlach, in: "Zeitschrift zur Geschichte des Oberrheins", (260) 54, NF 15

Wilhelm Mössinger, Die Juden in Durlach, in: "Aus Alt-Durlach", Bd. 3 (1940 ?) (Anm.: stark antisemitisch ausgerichtet)

F.Hundsnurscher/G.Taddey, Die jüdischen Gemeinden in Baden. Denkmale, Geschichte, Schicksale, Hrg. Archivdirektion Stuttgart, Stuttgart 1968

Susanne Asche, Geschichte der Juden in Durlach bis 1715, in: Heinz Schmitt/u.a. (Hrg.), Juden in Karlsruhe. Beiträge zu ihrer Geschichte bis zur nationalsozialistischen Machtergreifung, in: "Veröffentlichungen des Karlsruher Stadtarchivs", Bd. 8, Badenia-Verlag, Karlsruhe 1988, S. 21 ff.

Susanne Asche, Vom Traditionalismus auf dem Land zur Anpassung in der Stadt. Geschichte der Juden in Grötzingen und Durlach 1715 - 1933, in: Heinz Schmitt/u.a. (Hrg.), Juden in Karlsruhe. Beiträge zu ihrer Geschichte bis zur nationalsozialistischen Machtergreifung, in: "Veröffentlichungen des Karlsruher Stadtarchivs", Bd. 8, Badenia-Verlag, Karlsruhe 1988, S. 189 f.

Karol Sidon (Bearb.), Jüdischer Friedhof in Durlach, Unveröffentlichte Dokumentation des Zentralarchivs zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland, Heidelberg 1989

Susanne Asche, Durlach - Staufergründung, Fürstenresidenz, Bürgerstadt, in: "Veröffentlichungen des Karlsruher Stadtarchivs", Bd. 17, Karlsruhe 1996

Durlach (Stadt Karlsruhe), in: alemannia-judaica.de

Joachim Hahn/Jürgen Krüger, “Hier ist nichts anderes als Gottes Haus ...” Synagogen in Baden-Württemberg, Teilband 2: Orte und Einrichtungen, Konrad Theiss Verlag GmbH, Stuttgart 2007, S. 231/232

Auflistung der in Karlsruhe verlegten Stolpersteine, online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Karlsruhe

Ernst Otto Bräunche, Erinnerungskultur in Karlsruhe, in: Geschichte und Erinnerungskultur. 22.Oktober 1940 – Die Deportation der badischen und saarpfälzischen Juden in das Lager Gurs, hrg vom Stadtarchiv Karlsuhe, Karlsruhe 2010, S. 83 - 90

Das Mahnmal Neckarzimmern, online abrufbar unter: mahnmal-neckarzimmern.de (Memorialstein für Durlach

René Gilbert (Bearb.), Ökumenisches Mahnmalprojekt zur Deportation der Juden nach Gurs, Hrg. Stadt Karlsruhe - Stadtarchiv & Historische Museen, Karlsruhe 2017