Korneuburg (Niederösterreich)

Datei:Karte A Noe KO 2017.svg Korneuburg an der Donau mit derzeit ca. 13.300 Einwohnern ist heute die Bezirksstadt des gleichnamigen Bezirks im niederösterreichischen Weinviertel - ca. zwölf Kilometer nordwestlich von Wien (Kartenskizzen 'Niederösterreich' mit Bez. Korneuburg dunkel markiert, A. 2016, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0 und 'Bezirk Korneuburg' mit Stadt Korneuburg rot markiert, J. Täubler, 2008, aus: commons.wikimedia.org GFDL).

  Korneuburg auf einer Bildkarte, 16.Jahrh. (Abb. aus: NÖN, Nov. 2016)

 

Auf Grund des blühenden Handels in der Region ließen sich im 13.Jahrhundert jüdische Familien in Korneuburg nieder; ihr Wohngebiet konzentrierte sich um die damalige Holzstraße, die heutige Stockerauerstraße, und die Laaerstraße. Um 1300 existierte in Korneuburg bereits eine „Judenschule“; an die „Männerschul“ war in einem Anbau die „Frauenschul“ angegliedert.

  

Rekonstruktionszeichnungen der mittelalterlichen Synagoge Korneuburg (aus: Pierre Genée, Synagogen in Österreich, Wien 1992, S. 25 und Paulus, 2005)

Die Babenberger Herrschaft gestand den Juden Korneuburgs gegen finanzielle Leistungen gewisse Privilegien zu; da die hiesigen Juden durch Geldwechsel und -verleih für alle Stände unverzichtbar waren, besaßen sie eine besondere Stellung; dieses Monopol wurde oft auch zu Wucher ausgenutzt, was den Hass der Schuldner auf die Gläubiger schürte. Eine erste schwere Verfolgung der Korneuburger Juden - Hintergrund war der wachsende Neid auf die ökonomische Dominanz der hiesigen Juden - wurde durch eine angebliche Hostienschändung (1302 oder 1305) ausgelöst, in deren Gefolge zehn Korneuburger Juden verbrannt wurden. Einer Legende nach soll ein Jude sich in den Besitz einer geweihten Hostie gebracht haben; als er diese wieder loswerden wollte, warf er die Hostie in einen Brunnen, der daraufhin kein Wasser mehr gab. Danach versuchte er diese anderweitig zu vernichten und wollte sie mit seinen Füßen zertreten; eine Folge war, dass die Hostie Blut verströmte. Daraufhin wurden der betreffende Jude und der „Judenschulmeister“ vom Volk ergriffen und getötet; die übrigen jüdischen Bewohner wurden aus der Stadt vertrieben. - Zu einer weiteren Verfolgung kam es dann 1338.

Anm.: Die Legende von der Hostienschändung in Korneuburg hielt sich jahrhundertelang im Gedächtnis der Menschen: So wurde im 17.Jahrhundert im Kreuzgang des Korneuburger Augustinerklosters ein Zyklus von zwölf Bildern angefertigt, der den angeblichen Hostienfrevel darstellt.

     Ab 1409 fehlen dann jegliche Hinweise auf eine jüdische Gemeinde in Korneuburg.

  Korneuburg, Lower Austria Georg Mätthaus Vischer.png

Stadtansicht von Korneuburg, um 1675 (aus: commons.wikimedia.org, gemeinfrei)

Nach Vertreibung der Juden wurde deren Synagoge in der Rossmühlgasse zerstört; am gleichen Standort errichtete man eine kleine Kapelle, die später in ein Augustiner-Eremitenkloster umgewandelt wurde. Reste dieses Baus - und damit eine der ältesten Synagogen in Niederösterreich - sind heute noch erhalten. Das während seines Bestehens oft umgebaute Bauwerk diente lange Zeit als Mühle und Lagerraum; im Laufe des 20.Jahrhunderts verfiel das Gebäude zusehends. 1980 wurde das inzwischen völlig marode Gebäude unter Denkmalschutz gestellt; das Dach war bereits 1942 bei einem Sturm zerstört worden.

                Anm.: Eine Dokumentation des alten Synagogenbaues erarbeiteten im Herbst 2002 Mitarbeiter des Instituts für Bau- und Stadtbaugeschichte der TU Braunschweig.

               

ehem. Synagoge (Aufn. Simfla, 2013, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0 at)

In den folgenden Jahrhunderten haben - trotz Ausweisungsdekreten österreichischer Kaiser - zuweilen jüdische Familien in Korneuburg gelebt, wenn auch nur sehr wenige. Die Immigration der Juden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts - vor allem aus Böhmen, Mähren und Oberungarn - war der Ausgangspunkt zur Entstehung jüdischer Gemeinden/Gemeinschaften in Niederösterreich, so auch in Korneuburg (nach 1859).

In einem Hause am Hauptplatz war eine Betstube eingerichtet worden, die die Angehörigen des inzwischen gebildeten Kultusvereins nutzten. Seit 1880 gehörten die Korneuburger Juden offiziell der Kultusgemeinde Floridsdorf an. Im Jahre 1907 gründete man dann die autonome Kultusgemeinde Stockerau-Korneuburg. Bereits drei Jahre war eine Synagoge neu errichtet worden.

Seit 1915 bestand eine großflächige „israelitische Abteilung“ auf dem kommunalen Friedhof an der Stockerauer Straße; erstmalige Belegung erfolgte 1917.

Juden in Korneuburg:

            --- 1872 .............. 63 Juden,

     --- 1890 .............. 88   “  .            Weitere Angaben lagen dem Verfasser nicht vor.

Angaben aus: Albert Starzer, Geschichte der landesfürstlichen Stadt Korneuburg, S. 619 f.

Ansichtskarte / Postkarte Korneuburg in Niederösterreich, | akpool.de Korneuburg, Postkarte um 1910 (Abb. aus: akpool.de)

Bis 1938 haben in Korneuburg ungefähr 20 bis 30 jüdische Familien gelebt.

In Korneuburg überfielen nach dem sog. „Anschluss“ SS- und SA-Horden die Geschäfte von Gegnern des Nationalsozialismus, vor allem aber jene, die in jüdischem Besitz waren. Dabei mussten die Attackierten – sowohl Juden als auch Nichtjuden – die gegen die neuen Machthaber gerichteten Parolen von den Straßen entfernen.

Im März 1940 wohnten nur noch sechs jüdische Personen in Korneuburg.

Nachweislich wurden mehr als 80 Juden aus dem Bezirk Opfer der Shoa, allein 28 aus der Stadt Korneuburg.

 

Ein Konzept für die Sanierung bzw. Restaurierung des vom völligen Verfall stehenden ehemaligen Synagogengebäudes konnte bis auf den heutigen Tag nicht gefunden werden. Das inzwischen in Privatbesitz befindliche Gebäude wurde in den letzten Jahren – trotz bestehenden Denkmalschutzes – baulich verändert und dient zum gegenwärtigen Zeitpunkt als Garage.

Auf dem abgegrenzten jüdischen Teil des Stadtfriedhof befinden sich heute neun Grabsteine sowie zwölf von der Chewra Kadischa gestiftete Grabtafeln. Das Areal - 34 Grabstätten sind hier nachgewiesen - wurde bis gegen Ende der 1950er Jahre belegt.

Jüdische Grabstätten (Aufn. Naoag, 2011, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

 

 

 

Weitere Informationen:

Albert Starzer, Geschichte der landesfürstlichen Stadt Korneuburg, Verlag der Stadtgemeinde Korneuburg, Korneuburg 1899, S. 619 - 622

Germania Judaica, Band II/1, Tübingen 1968, S. 450/451 und Band III/1, Tübingen 1987, S. 673 - 675

Ferenc David, Über die Synagoge in Korneuburg, unveröffentlichtes Manuskript im Stadtmuseum Korneuburg, 1982

Pierre Genée, Synagogen in Österreich, Löcker Verlag, Wien 1992, S. 24 - 26

Andrea Sonnleitner, Mittelalterliche Synagogen im ehemaligen Herzogtum Österreich, Magisterarbeit  (1998), Universität Wien, S. 41 - 78

Simon Paulus, Quellen und Zeugnisse zum aschkenasischen Synagogenbau im Mittelalter, in: Judentum: Wege zur geistigen Befreiung, Dessauer Herbstseminare 2000/2001, Hrg. Moses-Mendelssohn-Gesellschaft Dessau e.V., Heft 12/ 2002, S. 30 f.

Simon Paulus/Karin Kessler, Religiöse Bauten jüdischer Gemeinden in Österreich. Zur Dokumentation eines vergessenen architektonischen Erbes, in: "DAVID - Jüdische Kulturzeitschrift", Heft 56 (Mai 2003)

Christoph Lind, “Der letzte Jude hat den Tempel verlassen ...” Juden in Niederösterreich 1938 - 1945, Mandelbaum-Verlag, Wien 2004

Walter Baumgartner/Robert Streibel, Juden in Niederösterreich: ‘Arisierungen’ und Rückstellungen in den Städten Amstetten, Baden, Hollabrunn, Horn, Korneuburg ... und Wiener Neustadt, in: "Veröffentlichungen der österreichischen Historikerkommission", Band 18, Wien 2004

Eveline Brugger, Adel und Juden im mittelalterlichen Niederösterreich. Die Beziehungen niederösterreichischer Adelsfamilien zur jüdischen Führungsschicht von den Anfängen bis zur Pulkauer Verfolgung 1338, in: "Studien und Forschungen aus dem Niederösterreichischen Institut für Landeskunde", Band 38, St. Pölten 2004

Tina Walzer, Jüdisches Niederösterreich erfahren - eine Reise durch das Weinviertel der vergangenen 150 Jahre, in: "DAVID - Jüdische Kulturzeitschrift", Heft Nr. 62 (Sept. 2004)

Eveline Brugger, Korneuburg 1305 - eine blutige Hostie und die Folgen, in: Nicht in einem Bett. Juden und Christen in Spätmittelalter und Frühneuzeit, hrg. Institut für Geschichte der Juden in Österreich, Wien 2005, S. 20 - 26

E. Brugger/B. Wiedl, Zwischen Privilegierung und Verfolgung. Jüdisches Leben im Mittelalter in Niederösterreich, in: "DAVID - Jüdische Kulturzeitschrift", Heft 64/2005

Arne Herbote/Simon Paulus, Anmerkungen zur mittelalterlichen Synagoge und späteren ‘Roßmühle’ in Korneuburg, in: "DAVID - Jüdische Kulturzeitschrift", Heft 66/Sept. 2005, S. 48 – 50

Irene Brickner (Red.), Korneuburg: Älteste Synagoge bleibt Ruine, in: „Der Standard“ vom 18.3.2008

ARGE. Jüdisches Leben im Bezirk Korneuburg (Hrg.), Synagoge in der Rossmühle in Korneuburg. Vor 600 Jahren gemauert, Korneuburg 2008

Christoph Lind (Bearb.), Die Zerstörung der jüdischen Gemeinden Niederösterreichs 1938 – 1945, in:H.Arnberger/C. Kuretsidis-Haider (Hrg.), Gedenken und Mahnen in Niederösterreich. Erinnerungszeichen zu Widerstand, Verfolgung, Exil und Befreiung, Mandelbaum-Verlag, Wien 2011, S. 46 ff.

E.Brugger/M.Keil/A.Lichtblau/Chr.Lind/B.Staudinger, Geschichte der Juden in Österreich, Verlag Carl Ueberreuter, Wien 2013, S. 19 und S. 211 – 217

Klaus Köhler, „Ein so ein schrecklich zerrissenes Leben .“ Leben und Schicksal der Juden im Bezirk Korneuburg 1848–1946, Mandelbaum Verlag, Wien 2013

Karina Seidl-Deubner (Red.), Von der Synagoge zur Garage, online abrufbar unter: meinbezirk.at vom 9.6.2015

Austria-Forum (Hrg.), Synagoge Korneuburg, online abrufbar unter: austria-forum.org/at/AustriaWiki/Synagoge_Korneuburg (vom 10.6.2020)

Museumsverein Korneuburg (Hrg.), Korneuburgs Synagoge, das jüdische Bethaus, online abrufbar unter: museumsverein-korneuburg.at/blog/korneuburgs-synagoge-das-jüdische-bethaus vom 4.5.2021

Sandra Schütz (Red.), Jüdischer Friedhof in Korneuburg saniert, in: „Bezirksblätter“ vom 22.6.2021

Sebastian Fellner (Red.), Warum Österreichs älteste Synagoge als Garage verwittert, in: „Der Standard“ vom 10.8.2021

Herwig Mohsburger (Red.), Juden im Bezirk Korneuburg: Verfolgt und ermordet., in: „NÖN – Niederösterreichische Nachrichten“ vom 28.5.2022