Krakow am See (Mecklenburg-Vorpommern)

Bildergebnis für rostock landkreis ortsdienst karteDatei:Krakow am See in LRO.svg Krakow am See ist eine Kleinstadt mit derzeit ca. 3.400 Einwohnern im Süden des Landkreises Rostock nördlich der Mecklenburgischen Seenplatte - ca. 20 Klometer südlich von der Stadt Güstrow; diese ist Sitz des Amtes Krakow am See, dem vier weitere Kommunen angehören (Kartenskizze 'Landkreis Rostock' ohne Karteneintrag von Krakow, aus: ortsdienst.de/mecklenburg-vorpommern/rostock  und  Kartenskizze 'Landkreis Rostock' mit Krakow rot markiert, Hagar 2011, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0 und  Karte 'Krakow und nahe Umgebung' von 1939, aus: guestrow-history.de/krakow-am-see).

 

Die Anfänge einer jüdischen Gemeinde in Krakow reichen vermutlich bis ins 13.Jahrhundert zurück; die ersten Juden sollen sich zur Zeit der Ersterwähnung Krakows im Jahre 1298 hier schon aufgehalten haben. Im Jahre 1325 sollen jüdische Bewohner Krakows unter Anklage gestanden haben; der dortige Herzog Johann II. beschuldigte die Juden, die Kirchentür aufgebrochen, Hostien geraubt und diese dann zertreten zu haben. Trotz aller Unschuldsbeteuerungen wurden die Juden verurteilt, nachdem sie schließlich unter Folter Geständnisse abgelegt hatten. Auf dem nahen Jörnberg wurden sie gerädert; zudem wurde ihr gesamtes Vermögens eingezogen.

Vier Jahrhunderte lang lebten fortan keine Juden in der mecklenburgischen Kleinstadt. Erst gegen Mitte des 18.Jahrhunderts siedelten sich wieder einige wenige an: 1759 erhielten die ersten Juden in Krakow am See das Wohnrecht in der Stadt; im Laufe des 19.Jahrhunderts bildete sich dann eine organisierte Gemeinde.

Ihre Synagoge - einen aufwändigen gelben Klinkerbau - errichtete die traditionsbewusste Gemeinde am Schulplatz in der Kleinstadt; eine Spendenaktion hatte den Erwerb des Grundstückes (Plauer Straße) und die nachfolgende Errichtung der Synagoge ermöglicht. In Anwesenheit des Landesrabbiners Dr. Salomon Cohn wurde der Synagogenneubau im Dezember 1866 feierlich eingeweiht.

Anm.: Bereits seit 1820 hatte die Gemeinde über ein angemietetes Gebäude verfügt, in dem ein Betraum und eine Mikwe untergebracht waren.

                                               Synagoge in Krakow (hist. Aufn.)

Aus demProgramm der Einweihungsfeier des Neuen Gotteshauses der Israelitischen Gemeinde zu Krakow am 12.December 1866”:

Die Mitglieder der Israelitischen Gemeinde, so wie diejenigen, welche dem Zuge nach dem neuen Gotteshauses sich anschließen, eingeladen sind, versammeln sich Nachmittags 1 1/2 Uhr in dem Hause des Kaufmanns R.Goldstein. Hier wird von der versammelten Gemeinde das Mincha- (Vesper-) Gebet verrichtet. Dann ordnet sich der Zug in folgender Weise:

1. Die Musici und der Chor der Gemeinde;

2. die vier Gesetz-Rollen getragen von dem Landesrabbiner, dem Religionslehrer und den zwei ältesten Mitgliedern der hiesigen Israelitischen Gemeinde: ...

3. einige in Weiß gekleidete junge Mädchen, von denen eines den Schlüssel zum neuen Gotteshause auf seidenen Kissen trägt;

4. der Magistrat;

5. der Gemeinde-Vorstand;

6. die stimmberechtigten Mitglieder der Israelitischen Gemeinde nach dem Alter der Reception, Paar und Paar

7. Der Bürger-Ausschuß; ...

 

Ein eigener Begräbnisplatz stand den Krakower Juden bereits ab 1821 zur Verfügung; das angekaufte ca. 400 m² große Areal grenzte unmittelbar an den Friedhof der evangelischen Kirchengemeinde an der Plauer Chaussee und war von diesem durch einen Holzzaun getrennt.

Juden in Krakow am See:

         --- 1760 ............................   4 jüdische Familien,

    --- 1810 ............................  50 Juden,

    --- um 1820 ..................... ca.  60   “   (in 19 Familien),

    --- 1860/65 ..................... ca. 110   “   (ca. 6% d. Bevölk.),

    --- 1890 ............................  65   "  ,

    --- 1900 ............................  44   “  ,

    --- 1910 ............................  31   “  ,

    --- 1922 ............................  22   “  ,

    --- 1933 ............................   6   “  .

Angaben aus: Helmut Eschwege, Geschichte der Juden im Territorium der ehemaligen DDR, Band III, S. 1045 f.

und                  Irene Diekmann (Hrg.), Wegweiser durch das jüdische Mecklenburg-Vorpommern, S. 143 f.

Krakow in Mecklenburg, Marktplatz um 1900.jpg

Marktplatz von Krakow am See, hist. Postkarte, um 1890/1900 (Abb. aus: wikipedia.org, gemeinfrei)

 

Die in der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts einsetzende Abwanderung jüdischer Familien aus Krakow ließ die Gemeinde deutlich schrumpfen. Auf Grund fehlender Finanzmittel war die Gemeinde in den 1890er Jahren nicht mehr in der Lage, die laufenden Kosten für die Gemeindeeinrichtungen aufzubringen; so hatte bereits 1891 der Gemeindevorstand um einen staatlichen Zuschuss zum Erhalt der Synagoge und der Bezahlung des Kultusbeamten gebeten. Als dann bis 1910 die Zahl der jüdischen Bewohner Krakows noch weiter abgesunken war (siehe Statistik oben), war alsbald die Gemeinde völlig überschuldet. Da schon längere Zeit keine regelmäßigen Gottesdienste mehr abgehalten wurden, erfolgte als Konsequenz dieser prekären finanziellen Notlage dann der Verkauf des Synagogengebäudes (1920); der neue Eigentümer war der lokale „Arbeiter-Turn- und Sportbund Fichte”, der fortan das Gebäude als Turnhalle nutzte.

Nach dem Tod des letzten Gemeindevorstehers (Benno Nathan) löste sich die Gemeinde 1930 auf; die noch verbliebenen sechs Mitglieder schlossen sich der Güstrower Gemeinde an. (Anm.: Die offizielle Auflösung erfolgte aber erst drei Jahre später).

Das Verhältnis der christlichen Krakower Bevölkerung zu den jüdischen Einwohnern soll außergewöhnlich gut gewesen sein; so genoss die alteingesessene und wohlhabende Familie Nathan hohes Ansehen, weil sie mit großzügigen Spenden soziales Engagement in der Kleinstadt bewiesen hatte.

Im Mai 1936 verstarb die letzte jüdische Bürgerin der Kleinstadt, Rosa Feldmann, die am Markt ein kleines Handelsgeschäft betrieben hatte. Mit ihrem Tode endete die jüdische Geschichte Krakows. Doch erst am 14. Februar 1942 erklärte sich Krakow offiziell für „judenfrei“.

Zwischen 1943 und 1945 existierte in Krakow am See ein Außenkommando des FKL Ravensbrück; etwa 150 bis 200 weibliche Häftlinge, darunter vermutlich auch Jüdinnen aus Osteuropa, mussten hier Zwangsarbeit leisten; in den sog. Getreidehallen fertigten sie Teile für Flugzeuge.

 

Der während des Novemberpogroms teilzerstörte jüdische Friedhof wurde wenige Jahre nach Kriegsende wiederhergestellt.

Nach 1945 diente das ehemalige Synagogengebäude weiterhin als Turnhalle. Mitte der 1980er Jahre beschloss der Stadtrat, es für kulturelle und kommunale Zwecke zu nutzen. Jahrelang stand dann das Gebäude leer, ehe nach ‚der Wende‘ ein eigens gegründeter Kulturverein sich der Aufgabe stellte, das alte Synagogengebäude wieder mit Leben zu füllen. 1995 konnte die inzwischen detailgetreu restaurierte Synagoge der Öffentlichkeit übergeben werden. Die Synagoage in Krakow a.See ist das einzige jüdische Gotteshaus in Mecklenburg-Vorpommern, das sich annähernd im Originalzustand zeigt und deshalb von besonderer kulturhistorischer Relevanz für das Land ist. Seit 1996 erinnert eine kleine Gedenktafel am Eingang des Gebäudes an seine frühere Funktion; eine Dauerausstellung informiert den Besucher über das Leben der einstigen jüdischen Bewohner Mecklenburgs.

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Synagoge in Krakow (Aufn. Harke, 2008, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0  und  M., 2019, aus: commons,.wikimedia.org, CC BY-SA 4.0)

Der erste jüdische Gottesdienst in der Alten Synagoge wurde hier von der progressiven Gemeinde „Bet Haskala“ 2019 abgehalten.

Der unmittelbar an den christlichen Friedhof angrenzende jüdische Begräbnisplatz (an der Plauer Chaussee) weist heute noch ca. 50 Grabsteine auf.

              http://kulturreise-ideen.de/uploads/projects/image_6383.jpg

   Jüdischer Friedhof in Krakow (Aufn. Migebert, 2016, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0  und  Robert Kreibig, aus: kulturreise-ideen.de)

Ein jüngst bei Tiefbauarbeiten am Bützow-Güstrow-Kanal bei Parum aufgefundener Teil einer mit hebräischen Schriftzeichen versehenen Grabplatte könnte - wie Archäologen vermuten - vom Krakower Friedhof stammen. 

 

 

 

In der Kleinstadt Goldberg - am gleichnamigen See südwestlich von Krakow gelegen - gab es seit der zweiten Hälfte des 18.Jahrhunderts eine kleine jüdische Gemeinschaft, die um 1865 ca. 70 Angehörige zählte; vorwiegend waren Vieh- und Textilhandel die Lebensgrundlage der hier lebenden Familien. Die ersten mit Schutzbriefen ausgestatteten Juden konnten sich hier seit den 1750er Jahren niederlassen; mit insgesamt neun Schutzjuden (um 1865) besaß die kleine Landstadt Goldberg damit eine relativ große Anzahl jüdischer Bewohner.

Die Goldberger Juden verfügten über eine 1845 erbaute Synagoge in der Jungfernstraße und ein eigenes, ca. 750 m² großes Begräbnisgelände an der Güstrower Straße; die letzte Beerdigung fand hier 1918 statt. Anfang der 1950er Jahre wurde das verwilderte Begräbnisgelände völlig eingeebnet.

Zu Beginn der 1930er Jahre lebten nur noch sechs Bewohner israelitischen Glaubens in Goldberg.

Das ehemalige Synagogengebäude, in dem bereits um die Jahrhundertwende keine Gottesdienste mehr abgehalten wurden, blieb über einen längeren Zeitraum unbenutzt, bis es dann nach dem Ersten Weltkrieg gewerblich genutzt wurde. 1925 erwarb die Katholische Kirche das Gebäude; nach mehrfachen Umbauten wird es seitdem gottesdienstlich genutzt.  Eine Gedenktafel im Hof weist auf den Ursprung des Gebäudes hin.

 

 

 

Weitere Informationen:

Gerhard Voß, Jüdische Mitbürger in Goldberg, Aufsatz in der Ortschronik, o.J.

Leopold Donath, Geschichte der Juden in Mecklenburg von den ältesten Zeiten (1266) bis auf die Gegenwart (1874), Leipzig 1874, S. 36 f.

Helmut Eschwege, Geschichte der Juden im Territorium der ehemaligen DDR, Dresden 1990, Band III, S. 1045 f.

Zeugnisse jüdischer Kultur - Erinnerungsstätten in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Berlin, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen, Tourist Verlag GmbH, Berlin 1992, S. 35/36

M.Brocke/E.Ruthenberg/K.U.Schulenburg, Stein und Name. Die jüdischen Friedhöfe in Ostdeutschland (Neue Bundesländer/DDR und Berlin), in: "Veröffentlichungen aus dem Institut Kirche und Judentum", Hrg. Peter v.d.Osten-Sacken, Band 22, Berlin 1994, S. 371/372 und S. 438/439

Jürgen Borchert/Detlef Klose, Was blieb .... Jüdische Spuren in Mecklenburg,Verlag Haude & Spener, Berlin 1994, S. 60 - 63 und S. 105 - 108

Kulturverein “Alte Synagoge Krakow am See e.V. - Programm 1996”, Hrg. Max-Samuel-Haus Rostock 1996

Irene Diekmann (Hrg.), Wegweiser durch das jüdische Mecklenburg-Vorpommern, Verlag für Berlin-Brandenburg, Potsdam 1998, S. 142 - 151

Projektgruppe Gedenkstättenarbeit in Mecklenburg-Vorpommern (Hrg.), Bestandsaufnahme politischer Memoriale des Landes Mecklenburg-Vorpommern, Schwerin 1998

Die ehemalige Synagoge Krakow am See, in: Die Dorf-, Stadt- und Klosterkirchen im Naturpark Nossentiner/Schwinzer Heide und seinem Umfeld, o.O. 2003, S. 84/85

Heidemarie G. Vormann, Bauhistorische Studien zu den Synagogen in Mecklenburg, Dissertation an der Technischen Universität Braunschweig, Braunschweig 2010

Heidi Vormann, Synagogen in Mecklenburg – Eine baupflegerische Untersuchung, in: "Schriftenreihe der Bet Tfila-Forschungsstelle für jüdische Architektur in Europa", Band 20, Braunschweig 2011

Beate Heyn (Red.), Baustellenfund - Grabstein aus dem Mittelalter, aus: „Güstrower Anzeiger“ vom 8. 7. 2015

Jüdische Geschichte von Krakow am See (Synagoge/Friedhof, in: alemannia-judaica.de (mit diversen Aufnahmen)

Jürgen Gramenz/Sylvia Ulmer, Ehemaliges jüdisches Leben in Krakow am See, in: Die Geschichte der Juden in Mecklenburg, Aufsatz vom 25.9.2015, in: juden-in-mecklenburg.de/Orte/Krakow

Jürgen Gramenz/Sylvia Ulmer, Krakower Hostienschändung 1325, in: Geschichte der Juden in Mecklenburg, Aufsatz vom 20.9.2015, in: juden-in-mecklenburg.de/Geschichte/Hostienschaendung_Krakow_am_See-1325

Jürgen Gramenz/Sylvia Ulmer, Zur jüdischen Geschichte von Goldberg, in: Geschichte der Juden in Mecklenburg, Aufsatz vom 6.4.2017

Michael Buddrus/Sigrid Fritzlar (Bearb.), Juden in Mecklenburg 1845-1945, Lebenswege und Schicksale. Ein Gedenkbuch, Schwerin 2019, S. 215/216

Jennifer Herold (Red.), „Min all lütt Vaderstadt“ - die jüdische Gemeinde in Krakow am See, in: hagalil.com vom 26.7.2019

Eckhard Rosentreter (Red.), Krakower Synagoge nach 99 Jahren wieder eingeweiht, in: „Güstrower Anzeiger“ vom 9.10.2019

Frank Liebetanz (Red.), Für die Ewigkeit – Vor 200 Jahren: Jüdische Gemeinde Krakow am See kaufte Friedhof, in: „Güstrower Anzeiger“ vom 1.2.2021

Toni Cebulla (Red.), Alter Synagoge in Krakow am See braucht dringend eine Sanierung, in: „Güstrower Anzeiger“ vom 27.3.2024