Leiwen/Mosel (Rheinland-Pfalz)

Jüdische Gemeinde - Schweich/Mosel (Rheinland-Pfalz) Bildergebnis für landkreis trier saarburg pfalz ortsdienst karte" Leiwen ist eine kleine Kommune mit derzeit ca. 1.500 Einwohnern im Landkreis Trier-Saarburg-Pfalz und gehört der Verbandsgemeinde Schweich an – etwa 25 Kilometer von Trier moselabwärts gelegen (Ausschnitt aus hist. Karte, aus: europe1900.eu und Kartenskizze 'Landkreis Trier-Saarburg', aus: ortsdienst.de/rheinland-pfalz/trier-saarburg).

 

Spätestens gegen Ende des 16.Jahrhunderts waren Juden im Dorf Leiwen ansässig; allerdings lebten hier bis ins 19.Jahrhundert hinein nur sehr wenige Familien. Die jüdischen Bewohner waren Schutzjuden des Trierer Kurfürsten und verdienten ihren Lebensunterhalt fast ausschließlich als „Handelsmänner“, Viehhändler und Metzger; zumeist besaßen die einzelnen Familien mehrere Einnahmequellen, da sie von einer allein nicht leben konnten: Während die Männer meist als Kleinhändler über Land zogen, betrieben die Frauen daheim ein kleines Geschäft.

Zu welchem Zeitpunkt sich eine Synagogengemeinde bildete, ist nicht bekannt, vermutlich wohl um 1850. Nach dem Ankauf eines kleinen Hauses an der Ecke Eucharius-/Laurentiusstraße richtete die Judenschaft Gemeinde 1825 hier einen Betraum ein; gleichzeitig diente es als Wohnung des jüdischen Lehrers und Vorsängers. 1910 beschloss dann die hiesige Judenschaft, eine geräumigere Synagoge zu bauen; am Ende des Römerstraße wurde im Juli 1913 auf einem angekauften Grundstück der Neubau feierlich eingeweiht; an dem „richtigen Volksfest“ nahm die gesamte Ortsbevölkerung teil.

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%2073/Leiwen%20Synagoge%20001.jpg

Synagoge in Leiwen (Skizze des Architekten Jacob Reiter, 1913)  -  Bildausschnitt aus einer Luftaufnahme, um 1930 (Landesamt) 

Die jüdischen Kinder besuchten die christliche Dorfschule; Religionsunterricht und der in Hebräisch wurden von Privatlehrern erteilt, die von der jüdischen Gemeinde gestellt und bezahlt wurden. Ab 1913 stand in der neuen Synagoge dafür ein Raum zur Verfügung.

Weit außerhalb des Dorfes lag der jüdische Friedhof, dessen älteste Grabsteine aus der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts stammen; zu welchem Zeitpunkt die Begräbnisstätte angelegt wurde, ist nicht bekannt. Begraben wurden hier auch verstorbene Juden aus den Nachbarorten Trittenheim und Klüsserath.

Die jüdische Gemeinde in Leiwen zählte zum Rabbinatsbezirk Trier.

Juden in Leiwen:

         --- 1808 .........................  29 Juden,

    --- 1843 .........................  57   “  ,

    --- 1873 .........................  39   “  ,

    --- 1895 .........................  42   “  ,

    --- 1925 .........................  46   “  ,

    --- 1930 .........................  61   “  ,

    --- 1933 .........................  45   “  ,

    --- 1936 .........................  20   “  ,

    --- 1938 .........................  11   “  ,

    --- 1939 .........................  keine.

Angaben aus: Hermann Erschens, Geschichte der ehemaligen Judengemeinde in Leiwen,Trittenheim 1993, S. 17

 

Anfang der 1930er Jahre waren fast alle jüdischen Familien in Leiwen verarmt, nur zwei Familien hatten es zu bescheidenem Wohlstand gebracht. Das Zusammenleben zwischen Christen und Juden in der Dorfgemeinschaft soll damals allgemein problemlos gewesen sein, was in den Zeiten zuvor nicht immer der Fall gewesen war.

Obwohl in Leiwen der NSDAP-Wähleranteil relativ hoch war, blieb das Verhältnis zu den jüdischen Einwohnern insgesamt dennoch gut, auch wenn einzelne Ortsbewohner den NS-Parolen folgten. Am 1.4.1933 standen auch in Leiwen SA-Posten vor jüdischen Geschäften und hinderten Käufer am Betreten; doch bereits kurz danach kaufte man weiter bei Juden - einige jedoch heimlich, weil sie sich durch Drohungen der örtlichen NSDAP-Ortsleitung hatten einschüchtern lassen. Ab 1935 häuften sich die antijüdischen Angriffe; so wurden jüdische Bewohner in Angst versetzt, Scheiben der Häuser eingeworfen und Schilder wie „Juden passieren diesen Ort auf eigene Gefahr!” aufgestellt; zwei Jahre später wurden Synagogenfenster eingeworfen.

Während der „Kristallnacht“ zogen einheimische SA-Angehörige durch den Ort, drangen in von Juden bewohnte Häuser ein und zerstörten Fenster und Inneneinrichtung der Synagoge; anschließend wurden die Juden zum Moselufer abgeführt, wo sie Kultgegenstände verbrennen mussten. Nach der Pogromnacht verließen alle jüdischen Bewohner ihren Heimatort, gingen nach Trier und versuchten von hier aus zu emigrieren. Zu Beginn des Jahres 1939 war Leiwen „judenfrei”.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." wurden mindestens 30 gebürtige bzw. länger am Ort lebende jüdische Bewohner Opfer der NS-Verfolgung (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe. alemannia-judaica.de/leiwen_synagoge.htm).

 

Das ehemalige Synagogengebäude diente danach der christlichen Kirchengemeinde als Kindergarten, ehe es ab 1940 als Unterkunft für Kriegsgefangene genutzt wurde. Jahre nach Kriegsende war das Gebäude Lagerraum einer Weinfirma; in den 1950er Jahren wurde es abgerissen.

Auf dem jüdischen Friedhof von Leiwen, der während der NS-Zeit teilzerstört worden war, erinnern heute noch etwa 50 Grabsteine an die jüdische Ortsgeschichte.

 

Jüdischer Friedhof Leiwen (Aufn. Rosemoon, 2012, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

Am Friedhofseingang informiert eine Hinweistafel wie folgt:

Friedhof der ehemaligen jüdischen Gemeinden von Leiwen (1592-1938), Klüsserath und zeitweilig auch von Trittenheim. Nach Zerstörungen im Dritten Reich ca. 50 wiederaufgerichtete Grabsteine aus dem Zeitraum von 1863 bis 1933 mit hebräischen Inschriften und zum Teil deutschen Namenswiederholungen. Es überwiegen einfache rundgeschlossene Stelen aus Rotsandstein. Seit Ende 19. Jahrhundert treten auch Obelisken und Steine mit Obeliskenaufsatz hinzu. Der Friedhof ist die bleibende und mahnende Erinnerung an die ehemalige jüdische Gemeinde in Leiwen, die ein Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft wurde."

 

 

 

In Klüsserath/Mosel haben nachweislich seit den 1720er Jahren jüdische Bewohner gelebt. Zu den gemeindlichen Einrichtungen gehörten eine Synagoge und eine Religionsschule; Verstorbene fanden auf dem jüdischen Friedhof in Leiwen ihre letzte Ruhe. Fast alle Klüsserather Juden verdienten ihren Lebensunterhalt im Viehhandel. Die kleine Gemeinde bestand bis gegen Ende des Ersten Weltkrieges; die wenigen noch verbliebenen Juden gehörten danach der Gemeinde Leiwen an. Anfang der 1930er Jahre lebten noch ca. zehn Personen mosaischen Glaubens in Klüsserath; 1938 wurde nur noch eine einzige Person genannt.

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%2073/Kluesserath%20Synagoge%20105.jpg Ob sich in dem abgebildeten Gebäude (Aufn. J. Hahn, 2006) jemals der Betsaal der kleinen jüdischen Gemeinde Klüsserath befunden hat, lässt sich nicht eindeutig belegen.

 

 

 

Weitere Informationen:

Oskar Link, Chronik des Winzerortes Klüsserath, Klüsserath o.J., S. 180 f.

Richard Laufner, Die Geschichte der jüdischen Bevölkerung im Gebiet des heutigen Kreises Trier-Saarburg, in: "Jahrbuch des Kreises Trier-Saarburg 1979", S. 166 - 175

Susanne Kohl, Die Leiwener Judengemeinde, in: "Jahrbuch des Kreises Trier-Saarburg 1988", S. 210 - 213

Hermann Erschens, Geschichte der ehemaligen Judengemeinde in Leiwen, Trittenheim/Leiwen, 2.Aufl. 1993

Chronik der Gemeinde Klüsserath, hrg. von der Gemeinde Klüsserath, 1993

Günther Heidt/Dirk S. Lenartz, Fast vergessene Zeugen. Juden in Freudenburg und im Saar-Mosel-Raum 1321 – 1943, Norderstedt 2000, S. 234 f.

Stefan Fischbach/Ingrid Westerhoff (Bearb.), “ ... und dies ist die Pforte des Himmels “. Synagogen. Rheinland-Pfalz Saarland, Hrg. Landesamt für Denkmalpflege, Mainz 2005, S. 214 und S. 234/235

Willi Körtels, Die jüdische Schule in der Region Trier, hrg. vom Förderverein Synagoge Könen e.V., 2011, S. 106 - 108

Leiwen, in: alemannia-judaica.de

Klüsserath, in: alemannia-judaica.de

Hermann Erschens, Juden in Klüsserath (1663-1938), in: Schriften des Emil-Frank-Instituts, Band 19, Paulinus Verlag Trier