Lobositz/Elbe (Böhmen)
Die nordböhmische Ortschaft Lobositz am linken Elbufer (im Kreis Aussig) - nur wenige Kilometer westlich von Theresienstadt/Terezin entfernt - ist das tsch. Lovosice mit derzeit ca. 8.500 Einwohnern (Ausschnitt einer hist. Landkarte, aus: europe1900.eu und Kartenskizze 'Tschechien' mit Lovosice rot markiert, K. 2005, aus: commons.wikimedia.org CC BY-SA 3.0).
Auf Grund mündlicher Überlieferung soll jüdische Ansiedlung in Lobositz um 1540 durch Zuwanderung von vertriebenen Juden aus der benachbarten Bischofsstadt Leitmeritz erfolgt sein. Erstmalig urkundlich erwähnt wurde die jüdische Gemeinde aber erst im Jahre 1704. Seitens der Grundherrschaft wurde den jüdischen Familien Baugrund überlassen, auf dem dann die sog. „Judenstadt“ mit ca. 20 Häusern entstand.
Neben einer Synagoge, die um 1760 durch ein Feuer vernichtet, aber bald wieder aufgebaut worden war, besaß die Judenschaft ein einstöckiges Gemeindehaus, in dem eine Winter-Betstube und die Rabbiner-Wohnung untergebracht waren.
Bildmitte Synagogengebäude (hist. Aufn., um 1915)
Einen jüdischen Friedhof soll es in Lobositz bereits im 17.Jahrhundert gegeben haben. Um 1715 wurde ein neues Beerdigungsareal angelegt, das bis Ende des 19.Jahrhunderts benutzt wurde. In den letzten Jahrzehnten ihres Bestehens besaß die Gemeinde einen neu-angelegten Friedhof (eröffnet um 1870/1875), der unmittelbar an den kommunalen angrenzte.
Juden in Lobositz:
--- 1724 ............................ 17 jüdische Familien,
--- um 1800 ..................... ca. 25 “ “ ,
--- 1849 ............................ 85 Juden,
--- 1880 ............................ 184 “ (ca. 4% d. Bevölk.),
--- 1900 ........................ ca. 280 “ ,
--- 1921 ........................ ca. 270 " ,
--- 1930 ........................ ca. 200 “ (ca. 3% d. Bevölk),
........................ ca. 320 " .* * gesamte Gemeinde mit umliegenden Orten
Angaben aus: Angaben Kommunalverwaltung Lobosice (2005)
Bis 1848 wohnten die jüdischen Familien von Lobositz fast ausschließlich in der „Judenstadt“, danach öffneten sich die Tore des Ghettos. In der Wirtschaft der Kleinstadt, die überwiegend eine deutsche Bevölkerung hatte, spielten jüdische Familien bis in die 1930er Jahre eine gewichtige Rolle, vor allem im Handelsbereich. Neben Bierbrauereien gehörten jüdischen Unternehmern auch Zucker, Kanditen- und Kaffeesurrogatfabriken.
Hauptstraße und Dr. Kubitschka-Gasse in Lobositz (hist. Karte von 1903, aus: wikipedia.org, gemeinfrei)
Anfang 1933 setzte die durch ein reges Gemeindeleben sich auszeichnende Kultusgemeinde aus mehr als 300 Personen zusammen, wobei die überwiegende Mehrheit in Lobositz wohnte. 1938 verließen die allermeisten jüdischen Bewohner die Stadt.
Die noch in den 1920er Jahren renovierte Synagoge wurde in der NS-Zeit im Innern zerstört. Über das Schicksal der Lobositzer Juden in der NS-Zeit liegen keine genauen Angaben vor. Vermutlich wurden die meisten Angehörigen der jüdischen Gemeinde Opfer der NS-Herrschaft.
In den letzten Kriegsjahren befand sich in Lobositz ein Außenkommando des KZ Flossenbürg. Ob im Ort jüdische Häftlinge zur Zwangsarbeit eingesetzt waren, ist nicht bekannt.
Nach 1945 wurde das einstige jüdische Wohnviertel der Stadt abgerissen; seitdem befindet sich hier eine Freifläche. Auch die Reste des alten, aus dem 17.Jahrhundert stammenden jüdischen Friedhofs wurden in den 1950er Jahren beseitigt.
Gräber auf dem (neuen) jüdischen Friedhof (Aufn. Ladislav Faigl, 2012, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)
Das ehemalige jüdische Taharahaus dient heute als Trauerhalle des städtischen Friedhofs.
Ehem. Taharahaus (Aufn. Ladislav Faigl, 2012, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)
Nahe der ca. fünf Kilometer südwestlich von Lobositz/Lovosice gelegenen Ortschaft Tschischkowitz (tsch. Čížkovice, derzeit ca. 1.400 Einw.) erinnert heute noch ein kleinflächiges Friedhofsgelände mit etwa 20 Grabsteinen bzw. -relikten an ehemals hier ansässig gewesene jüdische Familien.
Aufn. M., 2011, aus: wikipedia.org, gemeinfrei
Weitere Informationen:
Friedrich Lederer (Bearb.), Geschichte der Juden in Lobositz, in: Hugo Gold (Hrg.), Die Juden und Judengemeinden Böhmens in Vergangenheit und Gegenwart, Brünn/Prag 1934, S. 383 - 387
Rudolf M. Wlaschek, Juden in Böhmen - Beiträge zur Geschichte des europäischen Judentums im 19. und 20.Jahrhundert, in: "Veröffentlichungen des Collegium Carolinum", Band 66, R.Oldenbourg-Verlag, München 1997
Angaben Kommunalverwaltung Lovosice, 2005
The Jewish Community of Lovosice (Lobositz), Hrg. Beit Hatfutsot – The Museum of the Jewish People, online abrufbar unter: dbs.bh.org.il/place/lovosice
Jewish Families from Lovosice (Lobositz), Bohemia, Czech Republic, online abrufbar unter: geni.com/projects/Jewish-families-from-Lovosice-Lobositz-Bohemia-Czech-Republic/15340