Niedermarkt/Dunajská Streda (Slowakei)

Okres dunajska.png Das im äußersten Südwesten der Slowakei liegende Dunajská Streda (dt. Niedermarkt/ung. Dunaszerdahely) war - neben Preßburg (Bratislava) und Neutra (Nitra) - eines der bedeutendsten Zentren des Judentums innerhalb der Slowakei. Die derzeit von ca. 23.000 Menschen bewohnte Stadt ist heute das Zentrum der ungarischen Minderheit in der Slowakei (Kartenskizze ?, 2007, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).

Erste Ansässigkeit jüdischer Familien soll bereits im ausgehenden 17./frühen 18.Jahrhundert erfolgt sein; Zuzüge aus Mähren vertriebener Familien vergrößerten dann die Zahl der jüdischen Bewohner in Niedermarkt, das sich zum wirtschaftlichen Zentrum des ländlichen Umlandes entwickelte. Von der hiesigen Ortsherrschaft erhielt die jüdische Gemeinschaft gewisse Rechte, so z.B. konnte sie ein Bethaus einrichten und einen Friedhof anlegen.

Im Laufe des 19.Jahrhunderts entwickelte sich in der Stadt eine zahalenmäßig große israelitische Gemeinde, deren Angehörige um 1830 ca. 55%, um 1880 immerhin noch ca. 45% der gesamten Kleinstadtbevölkerung ausmachten.

Als eines der Zentren des ungarischen Judentums wurde die Stadt auch „Klein Jerusalem“ genannt. Als erster Rabbiner wirkte hier Shimon David (bis 1761). Rabbiner, die ihm folgten, waren u.a. Alexander Meislish (1784-1800), Menachem Mendel Deutsch (1800-1810), Aaron Szuditz (1816-1828, gleichzeitig Leiter der Jeschiwa) und Jehuda Ben Israel Aszad (1852-1866); letztgenannter war einer der bekanntesten Personen des ungarischen orthodoxen Judentums. Als dessen Nachfolger amtierte dann sein Sohn Aaron Shmuel Aszad, der fast vier Jahrzehnte das Rabbinat vertrat (bis 1904).

Zur Zeit ihrer größten Blüte errichtete die Judenschaft einen Synagogenneubau in der Hauptstraße (eingeweiht 1865), der einen etwa ein Jahrhundert alten Vorgängerbau ersetzte.

slo147.jpg Die Große Synagoge (hist. Aufn., aus: jewishgen.org)

Bereits ca. zwei Jahrzehnte zuvor war eine gemeindliche Bildungseinrichtung geschaffen worden: eine Schule, die zum einen religiöse Ausbildung und zum anderen Unterricht in den Elementarfächern anbot. Zudem gab es in der Stadt eine Jeschiwa.

Zum Rabbinat Niedermarkt sollen zeitweise ca. 50 umliegende Ortschaften gehört haben.

Die orthodoxe Gemeinschaft „Adas Israel“ verfügte auch über ein eigenes Synagogengebäude (erbaut 1927).

Juden in Niedermarkt/Dunajská Streda:

--- 1700 .........................    16 jüdische Familien,

--- 1727 .........................    47 Juden,

--- 1746 .........................    65   “  ,

--- 1767 .........................    28 jüdische Familien,

--- 1770 .........................    53     “        “   ,

--- um 1775 ......................   121     “        “   ,*     * mit umliegenden Dörfern

--- 1828 ..................... ca.   980 Juden (ca. 57% d. Bevölk.)

--- 1840 ..................... ca. 1.240   “  ,

--- 1880 ..................... ca. 1.900   “  (ca. 45% d. Bevölk.),

--- 1900 ..................... ca. 2.150   “  ,

--- 1910 ..................... ca. 2.400   “  (ca. 50% d. Bevölk.),

--- 1921 ..................... ca. 2.500   “  ,

--- 1930 ......................... 2.186   “  ,

--- 1940 ......................... 2.645   “  ,

--- 1945/46 .................. ca.   600   “  ,

--- 1990 ..................... ca.   20 Familien.

Angaben aus: Maros Borský, Synagogue Architecture in Slovakia towards creating a memorial landscape of lost community, S. 28/29

und                   Dunajská Streda, aus: The Encyclopedia of Jewish Life before and during the Holocaust, Vol. 1, S. 346

und                   jewishgen.org/Yizkor/Dunajska_Streda/Dunajska_streda

1887 wurde im Zuge antijüdischer gewalttätiger Ausschreitungen das jüdische Stadtviertel in Brand gesetzt; mehr als 80 Familien verloren damals ihre Unterkünfte.

Im wirtschaftlichen und politischen Leben von Dunajská Streda spielten Angehörige der hiesigen Judenschaft eine herausragende Rolle: Mehr als 180 Geschäfte, mehr als 50 Handwerksbetriebe und acht Fabriken hatten jüdische Eigentümer; der Magistrat wurde von jüdischen Abgeordneten dominiert.

Schon in den Jahren nach 1900 - und verstärkt dann in der Zwischenkriegszeit - gewannen verschiedene zionistische Organisationen („Beth Jacob“, „Adat Yisrael“, „Mizrachi“) bei der jungen Generation erheblichen Einfluss.

Nach der Annexion durch Ungarn wurden im November 1938 im Zuge von Unruhen zahlreiche jüdische Geschäfte geplündert.

Nach der deutschen Okkupation (Frühjahr 1944) verstärkte sich die antisemitische Politik: jüdisches Eigentum wurde konfisziert, Männer in Lagern zur Zwangsarbeit verpflichtet. In der Stadt selbst wurde ein Ghetto eingerichtet, in das Juden aus dem Umland eingewiesen wurden – vor ihrem Weg in die Deportation. Diese erfolgte Mitte Juni 1944, als fast 3.000 Menschen von Dunajská Streda nach Auschwitz-Birkenau verschleppt und dort zumeist den Tod fanden.

Durch einen Bombentreffer (1945) wurde das Synagogengebäude zerstört, Jahre später die Ruine niedergelegt.

 

Unmittelbar nach Kriegsende kehrten einige hundert Überlebende hierher zurück. Auf Grund von Emigration nach Palästina/Israel und nach Übersee ging die Zahl der jüdischen Familien deutlich zurück. Anfang der 1990er Jahre sollen in der Stadt kaum mehr 20 Familien mosaischen Glaubens gelebt haben.

Bildergebnis für Dunajská Streda jewish cemetery Jüdischer Friedhof, aus: dbs.bh.org.il/place/dunajska-streda

Ein im Jahre 1991 errichtetes Mahnmal erinnert heute an das einstige jüdische Wohnviertel und an die fast 3.000 Juden der Stadt und des nahen Umlandes, die Opfer der NS-Vernichtungspolitik wurden.

Holocaust-Mahnmal (Aufn. Noon, 2009, aus: commons.wikimedia.org) File:Dunajska Streda-Jewish Holocaust Memorial.jpg

Weitere Informationen:

Abraham (Alfréd) Issachar Engel (Hrg.), A Memorial to the Jewish Community of Dunaszerdahely (Dunajská Streda, Slovakia, Tel Aviv 1975 (online abrufbar unter: jewishgen.org/Yizkor/Dunajska_Streda/Dunajska_streda

The Encyclopedia of Jewish Life before and during the Holocaust, New York University Press, Washington Square, New York 2001, Vol. 1, S. 346

Robert Buchler/Ruth Shashak (Bearb.), “Dunajska Streda” – Encyclopaedia of Jewish communities, Slovakia (Dunajská Streda, Slovakia), Jerusalem 2003, online abrubar unter: jewishgen.org/Yizkor/pinkas_slovakia/slo143.

Maros Borský, Synagogue Architecture in Slovakia towards creating a memorial landscape of lost community, Dissertation (Hochschule für Jüdische Studien in Heidelberg), 2005

The Jewish Community of Dunajska Streda, Hrg. Beit Hatfutsat – The Museum of the Jewish People, online abrufbar unter: dbs.bh.org.il/place/dunajska-streda