Polch (Rheinland-Pfalz)

Datei:Landkreis koblenz.jpg – Wikipedia  Polch, eine kleine Kommune mit derzeit ca. 6.800 Einwohnern, ist heute ein Teil der Verbandsgemeinde Maifeld im Kreis Mayen-Koblenz - wenige Kilometer südöstlich von Mayen bzw. knapp 30 Kilometer westlich von Koblenz gelegen (Ausschnitt aus hist. Karte von 1905, aus: wikipedia.org CCO und Kartenskizze 'Landkreis Mayen-Koblenz' mit Polch rot markiert, Rauenstein 2008, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

In der Ortschaft Polch lebten vermutlich um 1800 die ersten jüdischen Bewohner. Sie bildeten später eine kleine Kultusgemeinde, die zu keiner Zeit mehr als 90 Angehörige zählte.

Ihren kärglichen Lebensunterhalt verdienten die Juden Polchs zumeist im Viehhandel. Über die Situation der jüdischen Einwohner der Bürgermeisterei Polch gibt ein Schreiben des hiesigen Bürgermeisters vom November 1850 an den Landrat Auskunft:

„ ... in hiesiger Bürgermeisterei wohnenden Juden sich in drei Synagogen-Gemeinden geordnet haben und zwar in Polch mit 48 Seelen, in Ochtendung mit 63 Seelen und in Mertloch mit 77 Seelen. Sämmtliche Gemeinden haben weder einen geprüften Lehrer, noch eine eigene Synagoge, sondern statt der letzten benutzen sie in Privatwohnungen gemiethete Stuben und Betsäle, nachdem sie dieselben geeignet dazu eingerichtet haben und als Vorsänger wählen sie ein geeignetes Mitglied aus ihrer Mitte. ...”

Die zahlenmäßig leicht angewachsene jüdische Gemeinde unternahm nach 1850 größte Anstrengungen, eine eigene Synagoge zu bauen; doch fehlende finanzielle Mittel verzögerten fast ein Jahrzehnt die Bauarbeiten; vollendet wurde das neue Synagogengebäude, ein eingeschossiger Saalbau aus Bruchsteinen, schließlich 1877. Über der Eingangstür war eine hebräische Inschrift angebracht, die folgenden Wortlaut besitzt: "Kommt, laßt uns anbeten und knien und niederfallen vor dem Herrn, der uns gemacht hat (Psalm 95,6)“.

             Synagoge in Polch in der Ostergasse 

Die finanzielle Unterhaltung der neuen Synagoge wurde in Statuten genau festgeschrieben; danach hatte jedes Mitglied einen monatlichen Unterhaltsbeitrag zu zahlen.

Die religiöse Unterweisung der Kinder erfolgte zumeist durch auswärtige Lehrer („Wanderlehrer“).

Ihre Verstorbenen begrub die kleine jüdische Gemeinschaft zunächst in einem Waldgelände bei Wierschem, das der Graf von Eltz zur Verfügung gestellt hatte. Ende der 1860er Jahre erwarben die Polcher Juden - zusammen mit Juden aus anderen Ortschaften der Region - ein Beerdigungsareal im Gemeindebezirk Mertloch, das künftig Verstorbenen als letzte Ruhestätte diente.

Juden in Polch:

    --- 1808 .......................... 30 Juden,

    --- 1828 .......................... 32   “  ,

    --- 1850 .......................... 48   “  (in 8 Familien),

    --- 1868 .......................... 50   “  ,

    --- 1880 .......................... 55   “  ,

    --- 1890 ...................... ca. 70   “  ,

    --- 1912 .......................... 85   “  ,

    --- 1925 .......................... 72   “  ,

    --- 1931 ...................... ca. 60   “  ,

    --- 1937 ...................... ca. 40   “  ,

    --- 1940 ..........................  ?   “  .

Angaben aus: Karoline Henkel, Die jüdischen Einwohner von Polch, S. 265

 

Zu Beginn der 1930er Jahre lebten etwa 50 Bewohner jüdischen Glaubens im Ort.

Während des Novemberpogroms von 1938 wurde die Synagoge in der Ostergasse durch ein SA-Rollkommando aus Mayen in Brand gesetzt; da das Feuer schnell gelöscht wurde, war der Schaden begrenzt; nur die Empore wurde beschädigt. 1940 wurde das Gebäude der politischen Gemeinde Polch übereignet. Ende der 1930er Jahre lebten nur noch wenige ältere jüdische Bewohner in Polch; die übrigen waren zumeist emigriert. Die letzten beiden jüdischen Ehepaare wurden vermutlich 1942 „in den Osten“ deportiert.

Der NS-Vernichtungspolitik sind nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." insgesamt 20 gebürtige bzw. längere Zeit in Polch ansässig gewesene Juden zum Opfer gefallen (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/polch_synagoge.htm).

Polch Synagoge Tafel760.JPG (Aufn. GFreihalter, 2010, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)     Das ehemalige Synagogengebäude in der Ostergasse, das bis 1980 als Lagerraum Verwendung fand, wurde Anfang der 1980er Jahre grundlegend restauriert; in den Räumlichkeiten finden heute kulturelle Veranstaltungen statt. Eine kleine Dauerausstellung auf der wiederhergestellten Empore informiert über das Leben der Angehörigen der einstigen jüdischen Gemeinde Polchs.

 2010 hatte sich der Förderverein „Ehemalige Synagoge Polch“ gegründet mit dem Ziel, den baulichen Erhalt des Gebäudes finanziell zu unterstützen.

 

ehem. Synagogengebäude (Aufn. GFreihalter, 2010, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0) und Deckengewölbe (Aufn. J. Hahn, 2009)

Seit 1988 erinnert eine kleine Gedenktafel:

Zum steten Gedenken

an die vertriebenen und ermordeten jüdischen Mitbürger

Zudem ist später eine Inschriftentafel angebracht worden, die acht Holocaust-Opfer der Gemeinde Polch namentlich nennt.

Die jüngst durch ein leichtes Erdbeben verursachten Bauschäden am ehemaligen Synagogengebäude konnten bis 2014 behoben werden.

 

 

 

Im wenige Kilometer südlich von Polch gelegenen Dorf Mertloch (heute der Verbandsgemeinde Maifeld mit Sitz in Polch zugehörig) gab es im 19.Jahrhundert eine jüdische Gemeinde, die um 1850/1860 ihre maximale Größe mit etwa 80 Angehörige besaß. Angeblich sollen bereits im 14.Jahrhundert vereinzelt Juden im Dorf sich aufgehalten haben.

Anfangs fanden gottesdienstliche Treffen in einem Betraum eines Privathauses statt; später stand den Gemeindeangehörigen eine neu errichtete Synagoge in der Friedhofsstrasse zur Verfügung. Auch ein kleiner Friedhof, auf dem auch Verstorbene aus der Region beerdigt wurden, war seit Ende der 1860er Jahre an der Straße nach Naunheim vorhanden; dieses Gelände sollte fortan Verstorbenen aus den Orten der Umgebung (wie Gappenach, Kollig, Mertloch, Münstermaifeld, Naunheim, Polch u. Pillig) als letzte Ruhestätte dienen. Zuvor waren Verstorbene auf einem Waldgelände des Grafen von Eltz bei Wierschem begraben worden. Infolge Abwanderung reduzierte sich die Zahl der jüdischen Einwohner Mertlochs deutlich. 1895 lebten noch 40, 1925 nur noch 20 Juden im Dorf. Da das Synagogengebäude bereits 1937 veräußert worden war, überstand es unversehrt den Novemberpogrom; nach diversen Umbauten dient es bis auf den heutigen Tag Wohnzwecken.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des „Gedenkbuches – Opfer der Verfolgung der Juden ...“ wurden elf gebürtige Mertlocher Juden Opfer der NS-Verfolgung (namentliche Angaben siehe: alemannia-judaica.de/mertloch_synagoge.htm).

Etwa 70 Grabsteine finden sich heute noch auf dem jüdischen Friedhofsgelände von Mertloch.

 

Friedhof in Mertloch, links: Eingangspforte (Aufn. J. Hahn, 2009), rechts: Gräberreihen (Aufn. GFreihalter 2010, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

 

 

 

Weitere Informationen:

Leopold Hoenig, Vorfahren und Nachkommen, o.O. (USA) 1982 (ins Deutsche übersetzt von Heide Knödgen-Brandis)

Karoline Henkel, Die jüdischen Einwohner von Polch, in: F.-J.Heyen (Hrg.), Polch im Maifeld - Geschichte und Gegenwart, Ortschronik der Gemeinde Polch, o.J., S. 264 f.

Rita Weiler, Die jüdischen Einwohner und ihre Synagoge in Polch, in: M. Dresler-Schenck (Hrg.), Auf den Spuren der Juden in Mayen und Umgebung, Stadt Mayen/Realschule Mayen 1987, S. 149 - 153

Peter Krechel, Polch unterm Nationalsozialismus, im Zweiten Weltkrieg und in der Nachkriegszeit bis zur Währungsreform, in: F.-J.Heyen (Hrg.), Polch im Maifeld - Geschichte und Gegenwart, Ortschronik der Gemeinde Polch, o.J., S. 349 ff.

Spuren des Nationalsozialismus in Polch" - Projekt der 10. Klasse der Hauptschule in Polch im Rahmen des Schülerwettbewerbs der Bundeszentrale für politische Bildung 2003

Polch, in: alemannia-judaica.de (mit Aufnahmen der ehem. Synagoge)

Mertloch mit Gappenach, in: alemannia-judaica.de

Stefan Fischbach/Ingrid Westerhoff (Bearb.), “ ... und dies ist die Pforte des Himmels “. Synagogen. Rheinland-Pfalz Saarland, Hrg. Landesamt für Denkmalpflege, Mainz 2005, S. 270 (Mertloch) und S. 314 - 316 (Polch)

Heinz Israel (Red.), Polcher Synagoge langwierig saniert, in: „Rhein-Zeitung“ vom 30.4.2014

Synagoge in Mertloch, online abrufbar unter: kuladig.de/Objektansicht/O-116713-20150302-6

Reinhard Kallenbach (Red.), Polcher Synagoge: Zeugin des jüdischen Lebens auf dem Maifeld, in: „Rhein-Zeitung“ vom 3.6.2021