Winnweiler (Rheinland-Pfalz)

Datei:Rheinhessen 1905.pngDatei:Verbandsgemeinden in KIB.svg    Die derzeit ca. 5.000 Einwohner zählende Ortsgemeinde Winnweiler liegt im Donnersbergkreis und ist Verwaltungssitz der gleichnamigen Verbandsgemeinde (mit 12 Ortschaften) – wenige Kilometer südlich von Rockenhausen bzw. ca. 20 Kilometer nordöstlich von Kaiserslautern gelegen (Ausschnitt aus hist. Karte von 1905, aus: wikipedia.org, gemeinfrei und Kartenskizze 'Donnersbergkreis', Hagar 2009, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Gegen Mitte des 19.Jahrhunderts erreichte die hiesige jüdische Gemeinde ihren personellen Höchststand.

Erstmals wird ein jüdischen Einwohner in Winnweiler in den 1670er Jahren erwähnt; im Laufe des 18.Jahrhunderts wurden einige jüdische Familien im Orte ansässig, die um 1740 eine kleine Gemeinde bildeten. Anfang des 19.Jahrhunderts zogen vermehrt jüdische Familien hierher. Innerhalb von vier Jahrzehnten erhöhte sich die Zahl der Gemeindemitglieder auf mehr als 160 Personen.

Bereits Ende des 18.Jahrhunderts verfügten die damals noch wenigen Juden über einen Betraum im Obergeschoss eines Gebäudes am Marktplatz.

   https://www.alemannia-judaica.de/images/Images%2062/Winnweiler%20Synagoge%20006.jpgStandort des alten Synagogenraumes (hist. Aufn.)

Obwohl die jüdische Gemeinde Ende des 19.Jahrhunderts durch Ab- und Auswanderung deutlich an Mitgliedern verlor, ließ die jüdische Gemeinde von Winnweiler 1900/1901 einen Synagogenneubau im neoromanischen Baustile in der Gymnasiumstraße errichten.

Synagoge Winnweiler um 1900 (Aufn. aus: wikipedia.org, gemeinfrei)  -  Synagogenmodell (Abb. Museum Winnweiler)

                   Über die Einweihung der Winnweiler Synagoge berichtete die „Allgemeine Zeitung des Judentums” am 12.7.1901 wie folgt:

Winnweiler, 2.Juli. Am 28. vorigen Monats fand die Einweihung der neuen Synagoge statt. Die ganze Bevölkerung ohne Unterschied des Glaubensbekenntnisses hat warmen Antheil genommen an der feierlichen Begehung dieses Ereignisses. Davon zeugte der überaus reiche Flaggenschmuck, den das ganze, am linken Ufer der Alsenz sich lieblich ausbreitende Städtchen angelegt, die Verziehrung vieler Häuser mit Kränzen und Guirlanden und der Betheiligung der Einwohnerschaft an der Einweihungsfeierlichkeit. Die religiöse Feier begann mit einem Gottesdienste in dem bisherigen, von der Synagogengemeinde benützten Raum. ... Nach Ankunft des Zuges vor der neuen Synagoge sang der Chor ein deutsches Lied ... Hierauf überreichte ... Bauassistent Hein von Rockenhausen dem königlichen Bezirksamtmann die Schlüssel zur Synagoge .... Dieser übergab sodann die Schlüssel dem Bezirksrabbiner ... Nach einer kurzen Ansprache, in welcher der Rabbiner das neue Gebäude dem Schutze Gottes und der Obhut der Gemeinde Winnweiler empfiehlt, öffnete derselbe die Pforte, und unter den Klängen der Musikkapelle traten die Festtheilnehmer in die Synagoge ein. Der nun folgende Weiheakt machte einen tiefen Eindruck. ... Die Fest- und Weihepredigt des Rabbiners Dr. Landsberg hatte als Text die Psalmstelle: ‘ Ich habe meine Freude, wenn man zu mir spricht: Kommt, laßt uns ziehen in das Haus des Herrn.’ Mit der Weihe des inneren Raumes als Gebetsstätte der Israeliten und der einzelnen gottesdienstlichen Gegenstände, wie die heilige Lade, der Vorhang, die beständige Lampe, die Decken, Leuchter u.s.w., und den Salomonischen Bitten bei der Einweihung des Tempels schloß die dreiviertelstündige sehr inhaltsreiche Weiherede. Dann sprach der Rabbiner das Gebet für den Prinzregenten Luitpold, das deutsche Vaterland, die Gemeinde und ertheilte den Anwesenden den Priestersegen. Damit war der Weiheakt beendet.

Nach Fertigstellung des Baues wurde die Gymnasiumstraße in „Synagogenstraße“ umbenannt; nach 1933 hieß sie dann „Realschulstraße“.

Seit den 1830er Jahren bestand in Winnweiler auch eine jüdische Elementarschule, die zunächst in der alten Synagoge am Markt untergebracht war; 1845 wurde sie ins Gebäude der ehemaligen protestantischen Schule, Neugasse, verlegt. Erstmals wurde 1808 der jüdische "Schulmeister Levy Mayer" genannt; erster Lehrer an der Israelitischen Volksschule war nach 1830 Jakob Strauß. Mitte der 1920er Jahre löste sich die jüdische Schule auf.

    https://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20116/Winnweiler%20Israelit%2028061865.jpg   

Anzeigen in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 28. Juni 1865 und vom 14. Mai 1879

Im 19.Jahrhundert existierte im Keller eines Gebäudes in der Schlossstraße auch eine Mikwe.

Eine eigene Begräbnisstätte besaß die Winnweilerer Judenschaft mindestens seit 1750; diese lag weit vor dem Dorfe, an der heutigen Schulstraße. Dieser Friedhof wurde auch von Nachbargemeinden wie Münchweiler, Neuhemsbach, Enkenbach, Hochspeyer, Imsbach, Lonsfeld und Gonsbach mitgenutzt; er zählte zu den größten jüdischen Friedhöfen in der Pfalz. 1856/57 war dort eine schlichte Trauerhalle errichtet worden, die bis heute erhalten geblieben ist; sie stellt den einzigen unverändert erhaltenen jüdischen Kultbau der Nordpfalz dar.

Zur Kultusgemeinde Winnweiler gehörten auch die beiden Ortschaften Imsbach und Lohnsfeld.

Juden in Winnweiler:

    --- 1673 ......................... eine jüdische Familie,

    --- 1712 .........................   3     “       “   n,

    --- 1787 .........................  22 Juden,

    --- 1802 .........................  40   “  ,

    --- 1816 .........................  71   “  (ca. 9% d. Bevölk.),

    --- 1824 ......................... 100   “  ,

    --- 1834 ......................... 143   “  (ca. 11% d. Bevölk.),

    --- 1848 ......................... 165   “  (ca. 12% d. Bevölk.),

    --- 1861 ......................... 128   “  ,

    --- 1880 .........................  99   “  ,

    --- 1900 .........................  81   “  (ca. 5% d. Bevölk.),

    --- 1933 .........................  30   “  ,

    --- 1937 .........................  16   “  ,

    --- 1940 (Okt.) ..................   9   “  ,

             (Dez.) ..................   keine.

Angaben aus: W.Rasche/T.Taxis, Zur Geschichte der Winnweilerer Juden, S. 249 und S. 255

 

Nach 1850 verließen vor allem jüngere jüdische Familien ihren Heimatort, um eine neue Existenz zumeist in Nordamerika aufzubauen. Um die Jahrhundertwende arbeiteten fast alle Juden Winnweilers als Händler und Kaufleute. In der kleinstädtischen Gesellschaft waren die jüdischen Familien integriert; Juden waren im Gemeinderat und lokalen Vereinen tätig, ihre Familien unterhielten freundschaftliche Kontakte mit christlichen Familien.

Bis 1938 hatte bereits die Hälfte der noch 1933 in Winnweiler lebenden jüdischen Bürger die Stadt verlassen. Während des Novemberpogroms von 1938 wurde der Synagogenbau verwüstet und anschließend in Brand gesteckt, bald darauf die Ruine von einer Wehrmachtseinheit gesprengt und das Gelände eingeebnet. Auch Wohnungen mehrerer jüdischer Bewohner und ein Geschäft wurden zerstört. Das Synagogengelände ging 1939 in kommunale Hände über.

Die wenigen noch in Winnweiler lebenden Juden wurden im Oktober 1940 ins südfranzösische Gurs deportiert; von den neun Personen hat nur ein Ehepaar überlebt; es kehrte nach 1945 nach Winnweiler zurück.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." sind insgesamt 22 aus Winnweiler stammende bzw. längere Zeit am Ort ansässig gewesene Juden der "Endlösung" zum Opfer gefallen; aus Lohnsfeld waren es sechs Personen (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/winnweiler_synagoge.htm).

 

Wenige Meter vom früheren Standort der Synagoge ließ die Verbandsgemeinde Winnweiler an einer Steinmauer eine Tafel anbringen, die neben der Abbildung der ehemaligen Synagoge die folgende Inschrift trägt:

                                  Gedenktafel (Aufn. J. Hahn, 2010)

Museum Schloßstr.37 Winnweiler.jpg  In Winnweiler wurde 1998 der gemeinnützige Verein "Museum Winnweiler e.V.” gegründet, der inzwischen das „Museum Winnweiler - Jüdisches Museum der Nordpfalz” realisiert hat. Eine Dauerausstellung im von die Kommune sanierten Gebäude (Schlossstraße) informiert vor allem über die jüdische Geschichte der Nordpfalz (Aufn. Peter, 2020, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0).

Der während der NS-Zeit teilweise zerstörte israelitische Friedhof wurde nach 1945 wiederhergestellt; mit einer Gesamtfläche von ca. 6.000 m² und ca. 350 Grabmälern präsentiert er sich heute in einem recht gepflegten Zustand.

Gräberfeld und Taharahaus auf dem jüdischen Friedhof Winnweiler (beide Aufn. H., 2014, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

 

 

In Breunigweiler – heute Teil der Verbandsgemeinde Winnweiler - erinnert ein alter jüdischer Friedhof an ehemals hier ansässig gewesene Familien. Der nördlich der Ortschaft "In den Waldwiesen" liegende Friedhof, dessen Anlage möglicherweise ins 17.Jahrhundert zurückgeht, weist heute aber nur sehr wenige Grabsteine bzw. -stelen auf, die z.T. tief in den Erdboden eingesunken sind. Vermutlich wurde das Begräbnisgelände (es befindet sich heute auf einer von Privat genutzten Obstwiese) nur bis in die erste Hälfte des 19.Jahrhunderts genutzt.

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20435/Breunigweiler%20Friedhof%201010.JPG Jüdisches Begräbnisareal in Breunigweiler (Aufn. Heiner Knester)

 

 

 

Weitere Informationen:

Helmut Hopp, Die Juden im Kantonalbezirk Winnweiler nach der Französischen Revolution, in: "Nordpfälzer Geschichtsblätter 1960", S. 433 ff.

Heinz-Egon Rösch, Auf den Spuren jüdischer Vergangenheit in der Nordpfalz, Hrg. Nordpfälz. Geschichtsverein, Heft 44/1964, S. 69 ff.

Walter Bäuml, Gedenkstein macht Schandtat unvergessen. Vor 46 Jahren Synagoge in Winnweiler zerstört, in: "Die Rheinpfalz" (Ausgabe Rockenhausen) vom 10.11.1984

Mit der Gedenkstätte dem Vergessen entgegenwirken. Feierstunde in Winnweiler erinnert an das Schicksal der Juden während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, in: "Die Rheinpfalz" (Ausgabe Rockenhausen) vom 12.11.1984

Werner Rasche, Die jüdischen Friedhöfe im Raum Winnweiler, in: "Nordpfälzer Geschichtsverein 1988"

Werner Rasche, Spiegelbild gesellschaftlicher Akzeptanz: Das jüdische Schulwesen im Raum Winnweiler, in: "Donnersberg-Jahrbuch 1990", S. 190 f.

W.Rasche/T.Taxis, Zur Geschichte der Winnweilerer Juden, in: Werner Rasche, Ortsgeschichte von Winnweiler, Hrg. Gemeinde Winnweiler, 1991, S. 249 – 258

Nordpfälzer Geschichtsverein (Hrg.), Jüdisches Leben in der Nordpfalz - Dokumentation, Verlag F.Arbogast, Otterbach 1992, S. 48 - 50, S. 58 (Friedhof Breunigweiler) und S. 82 - 88

rnhard Kukatzki, Jüdische Kultuseinrichtungen in der Verbandsgemeinde Winnweiler: Synagogen, Friedhöfe, Ritualbäder in ..., Mannheim 1998

Werner Rasche, ‘Zur Zierde und Bequemlichkeit’: die Trauerhalle auf dem jüdischen Friedhof in Winnweiler, in: "Donnersberg-Jahrbuch", No. 26/2003, S. 145 f.

Winnweiler mit Alsenbrück, Imsbach und Lohnsfeld, in: alemannia-judaica.de (mit diversen Text- u. Bilddokumenten zur jüdischen Ortshistorie)

Stefan Fischbach/Ingrid Westerhoff (Bearb.), “ ... und dies ist die Pforte des Himmels “. Synagogen. Rheinland-Pfalz Saarland, Hrg. Landesamt für Denkmalpflege, Mainz 2005, S. 388 - 390

Otmar Weber, Die Synagogen in der Pfalz von 1800 bis heute. Unter besonderer Berücksichtigung der Synagogen in der Südwestpfalz, Hrg. Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Pfalz (Landau), Dahn 2005, S. 159/160

Museum Winnweiler – Jüdisches Museum der Nordpfalz, online abrufbar unter: jüdisches-museum-winnweiler.de/Judentum.htm (mit diversen Angaben zur jüdischen Ortsgeschichte und historischen Aufnahmen)

Der jüdische Friedhof in Breunigweiler, online abrufbar unter: juedische-friedhoefe.info/friedhoefe-nach-regionen/rheinland-pfalz/pfalz/breunigweiler/der-friedhof-in-breunigweiler.html