Alsheim (Rheinland-Pfalz)

RheinhessenBildergebnis für Kreis Alzey-Worms  Alsheim ist mit seinen derzeit ca. 2.600 Einwohnern ein Ortsteil der Verbandsgemeinde Eich im Kreis Alzey-Worms (Ausschnitt aus hist. Karte von 1905, aus: wikipedia.org, gemeinfrei und Kartenskizze 'Kreis Alzey-Worms', Hagar 2010, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Erste jüdische Ansiedlungen in Alsheim lassen sich bis in die Zeit um 1530 nachweisen; allerdings lebten hier bis ins 18.Jahrhundert nie mehr als fünf bis sechs Familien, die dann schließlich um 1750 eine Kultusgemeinde bildeten.

Anfang der 1840er Jahre ließ die Gemeinde in der Mittelgasse ein kleines Synagogengebäude mit ca. 70 Plätzen errichten, das auch eine Mikwe, eine Schule und eine Lehrerwohnung beherbergte. Zuvor hatte seit etwa 1740 ein Betraum in einem Privathaus für gottesdienstliche Treffen zur Verfügung gestanden. Zu den gemeindlichen Einrichtungen gehörte auch ein, allerdings erst im Jahr 1896 angelegter Friedhof, der auch von den Nachbarorten Gimbsheim und Mettenheim genutzt wurde. In den Jahrzehnten zuvor waren Alsheimer Juden in Osthofen beerdigt worden. Auch die anderen Alsheimer Kultuseinrichtungen wurden zeitweilig von Juden aus Mettenheim und Gimbsheim genutzt. 

Ein von der kleinen Gemeinde angestellter Lehrer fungierte - wie in kleinen Gemeinden allgemein üblich - zugleich auch als Vorbeter und Schochet. Prägend für das jüdische Gemeindeleben in Alsheim war in der gesamten zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Lehrer und Vorbeter Karl Marx (1824-1910); sein Synagogenchor war weit über die Gemeindegrenzen hinaus bekannt. Marx spielte auch im Dorfleben jahrzehntelang eine größere Rolle; als Gründer des „Sängerbundes“ war er auch viele Jahre dessen Dirigent. In weiten Kreisen des Judentums und der jüdischen Lehrerschaft in Deutschland genoss Marx hohes Ansehen.

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20120A/Alsheim%20AZJ%2012031897.jpgaus: "Der Israelit" vom 12.März 1897

Aus einem Artikel der Zeitschrift "Der Israelit" vom 4. Okt. 1904: "Alsheim (Rheinhessen), 27. Sept. Die heutige 80-jährige Geburtstagsfeier des Herrn Lehrers Karl Marx, Nestor der israelitischen Lehrer Hessens, gestaltete sich zu einem selten schönen Feste. Aus allen Teilen Deutschlands hatten sich bedeutende Männer eingefunden, um persönlich ihre Glückwünsche dem Jubilare, der unter der Lehrerschaft Deutschlands eine der ersten Stellungen einnimmt, sowie dessen edlen Gattin, die heute ihren 72. Geburtstag feierte, die Glückwünsche darzubringen. Bei dem Festmahle eröffnete den Reigen der Ansprachen Dr. Adler, Direktor des Philanthropins in Frankfurt am Main und gratulierte im Namen des Verbandes der israelitischen Lehrervereine im deutschen Reiche, dem der Jubilar als Vorstandsmitglied angehört. ...Dann sprachen: Lehrer Wertheimer - Heldenbergen, Vorsitzender des israelitischen Lehrervereins im Großherzogtum Hessen, ...Dr. Driesen, Direktor des Seminars in Karlsruhe, Dr. Löhren - Frankfurt am Main, erster Schriftführer der 'Achawa' (= Unterstützungskasse für israelitische Lehrer-Witwen und -Waisen), … Volksschullehrer Rothschild - Worms, Lehrer Nußbaum - Wiesbaden, Vorsitzender des Lehrervereins im ehemaligen Kurhessen, Lehrer Salomon - Sprendlingen (Rheinhessen), Gymnasiallehrer Gabriel - Offenbach am Main und Lehrer Eisenheimer - Gimbsheim, sowie verschiedene Freunde des Geburtstagskindes, … Man zählte während des Nachmittags 128 Telegramme. Der Gesangverein Sängerbund, welcher vom Jubilar seit 1847 dirigiert wird, brachte heute Abend seinem bewährten Dirigenten eine schon arrangierte Ovation dar. ...“

         http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20136/Alsheim%20FrfIsrFambl%2022041910.jpg Zeitungsnotiz vom Aug. 1907

Die jüdische Gemeinde war dem Rabbinatsbezirk Worms zugeteilt.

Juden in Alsheim:

    --- um 1550 ........................  4 jüdische Familien,

    --- 1743 ...........................  6    "         "   ,

    --- 1799 ...........................  2    "         "   ,

    --- 1808 ........................... 14 Juden,

    --- 1824 ........................... 34   "  ,

    --- 1861 ........................... 73   “  ,*      * mit Hangen-Wahlheim

    --- 1871 ........................... 79   "  ,

    --- um 1880 .................... ca. 50   “  ,

    --- 1905 ........................... 43   “  ,

    --- 1924 ........................... 25   "  ,

    --- 1933 ........................... 15   “  .**     ** andere Angabe: 33 Pers.

Angaben aus: Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Bd. 1, S. 32

und                 Alsheim, in: alemannia-judaica.de

 

Zu Beginn der 1930er Jahre lebten noch ca. zehn jüdische Familien in Alsheim. Haupterwerbszweige waren Landwirtschaft und Weinhandel. Bis Kriegsbeginn hatten die allermeisten jüdischen Bewohner Alsheim bereits verlassen.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." wurden 13 in Alsheim geborene bzw. länger am Ort ansässig gewesene jüdische Bewohner Opfer der Shoa (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/alsheim_synagoge.htm).

 

Einziger sichtbarer Hinweis auf die ehemalige jüdische Gemeinde ist heute der Friedhof, der eine Fläche von ca. 650 m² besitzt und noch relativ gut erhaltene Grabmale aufweist.

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%2059/Alsheim%20Friedhof%20101.jpg

Jüdischer Friedhof in Alsheim (Aufn. J.B., 2013, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0  und  J. Hahn, 2005)

Das Gebäude der ehemaligen Synagoge wurde Anfang der 1970er Jahre zu Wohnzwecken umgebaut.                                                       

 

 

 

Nur wenige Kilometer südlich von Alsheim liegt das Dorf Mettenheim, das in den 1820er Jahren eine der größten jüdischen Landgemeinden der Region mit ca. 75 Mitgliedern beherbergte. Die Kinder besuchten die jüdische Schule in Alsheim. Infolge von Abwanderungen in die Städte verringerte sich ihre Zahl jedoch und lag 1861 bei nur mehr 20 Personen. Anfang der 1930er Jahre lebten keine jüdischen Bewohner mehr im Dorf.

[vgl. Eich (Rheinland-Pfalz)]

 

 

 

Weitere Informationen:

W. Jost, Geschichte des Dorfes Mettenheim - Festschrift zur Einweihung der wiederhergestellten evangelischen Pfarrkirche, 1907 (Reprint Worms 1990)

Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Societäts-Verlag Frankfurt/M., 1971, Bd. 1, S. 32/33

Hannelore Künzl, Synagogenbauten in Rheinhessen, in: "Alzeyer Geschichtsblätter", No.16/1981, S. 114

Gunter Mahlerwein, Alsheim - HALASEMIA. Geschichte eines rheinhessischen Dorfes, Band 1: Von den Anfängen bis zum Ende des 18. Jahrhunderts, Alsheim 1996

Gunter Mahlerwein, Alsheim - HALASEMIA. Geschichte eines rheinhessischen Dorfes, Band 2: Von der französischen Revolution bis heute, Alsheim 2004

S. Fischbach/I.Westerhoff (Bearb.), “ ... und dies ist die Pforte des Himmels “Synagogen. Rheinland-Pfalz Saarland, Hrg. Landesamt für Denkmalpflege, Mainz 2005, S. 72 und S. 271

Klaus Mümpfer (Red.), Christen in der jüdischen Volksschule, in: „Wormser Zeitung“ vom 28.8.2006

Alsheim, in: alemannia-judaica.de (mit zahlreichen Textdokumenten zur jüdischen Ortshistorie, insbes. zum jüdischen Lehrer K. Marx)

Christine Bausch (Red.), Reise zu den jüdischen Vorfahren am Altrhein, in: „Allgemeine Zeitung“ vom 1.4.2023 (u.a. auch in Alsheim)