Altwiedermus (Hessen)

Jüdische Gemeinde - Langenselbold (Hessen) Main-Kinzig-Kreis Karte Altwiedermus ist heute ein Ortsteil der Gemeinde Ronneburg im hessischen Main-Kinzig-Kreis - ca. 20 Kilometer nordöstlich von Hanau/Main gelegen (Ausschnitt aus hist. Karte von 1905 ohne Eintrag von Altwiedermus/Ronneburg, aus: wikipedia.org und Kartenskizze 'Main-Kinzig-Kreis', aus: ortsdienst.de/hessen/main-kinzig-kreis).

 

Auf der unmittelbar beim Dörfchen Altwiedermus liegenden Ronneburg lebten bis Anfang des 19.Jahrhunderts jüdische Familien, deren Vorfahren sephardischer Herkunft waren. Sie hatten bis 1816 dem Schutz der Ysenburger Herrschaft unterstanden; noch um 1810/1820 sollen hier mehr als 70 Juden gewohnt und eine eigene Gemeinde gebildet haben; Anfang der 1860er Jahren waren es noch ca. 30 Personen.

Mit der Auflösung der Ortsgemeinde Ronneburg (1826) gehörte das Gebiet nun zu Altwiedermus; allerdings waren die meisten jüdischen Familien inzwischen abgewandert, nur die ärmeren von ihnen waren zurückgeblieben. Die winzige Gemeinde in Altwiedermus zählte im 19.Jahrhundert kaum 30 Personen.

Seit 1873 gab es im Dorf ein Bethaus; zuvor waren gottesdienstliche Zusammenkünfte in privaten Räumlichkeiten abgehalten worden.

         Ehem. Synagoge in Altwiedermus (Aufn. aus: Th. Altaras)

Die jüdischen Familien lebten vom Handel mit Fellen, Hüten und Landesprodukten; eine Familie besaß eine Metzgerei.

Ein vermutlich aus dem 17.Jahrhundert stammender Friedhof wurde von den im Bereich der Burg Ronneburg lebenden Juden als Begräbnisstätte benutzt; der älteste erhaltene Grabstein datiert aus dem Jahre 1774. Auf dem Gelände wurden bis 1877 auch die Juden aus Mittelgründau beigesetzt.

Die in Altwiedermus verstorbenen jüdischen Personen wurden auf dem jüdischen Friedhof in Eckartshausen beerdigt.

Juden in Altwiedermus:

--- um 1830 .................... ca. 20 Juden,

--- 1871 ........................... 25   “  ,

--- 1895 ........................... 22   “  ,

--- 1900 ........................... 25   “  (ca. 8% d. Bevölk.),

--- 1905 ........................... 25   “  (in 11 Familien),

--- 1910 ........................... 29   “  ,

--- 1924 ........................... 17   “  ,

--- 1933 ........................... 27   “  (in 6 Familien),

--- 1939 (Dez.) .................... keine.

Angaben aus: Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Bd. 1, S. 38

 

Zu Beginn der 1930er Jahre lebten noch sechs jüdische Familien in Altwiedermus; wenige Jahre später (1938) löste sich die kleine Gemeinde ganz auf. Vor Kriegsbeginn lebte kein einziger Bewohner mosaischen Glaubens mehr im Ort.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." sind von ihren neuen Wohnorten nachweislich mindestens zwölf gebürtige bzw. länger in Altwiedermus ansässig gewesene Juden deportiert und ermordet worden (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe. alemannia-judaica.de/altwiedermus_synagoge.htm).

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20197/Altwiedermus%20Synagoge%20144.jpg Am Gebäude des ehem. jüdischen Bethauses in Altwiedermus (Aufn. J. Hahn, 2009), das noch vor der „Reichskristallnacht“ in private Hand übergegangen war und deshalb unzerstört blieb, ist eine Informationstafel mit folgendem Text angebracht:

Ehemalige Synagoge Altwiedermus. Diese Synagoge steht unter dem Denkmalschutz des Landes Hessen! Sie wurde während der Zeit der Reichsgründung 1871 erbaut. Mit einer Grundfläche von ca. 5 x 6 m ist sie eine der kleinsten Synagogen im Lande. Sie war der Ort des Gebetes der jüdischen Gemeinde und gleichzeitig 'Schul'. Im Innern befand sich der Betsaal mit den Männersitzplätzen. Eine Tür auf Sockelhöhe war einst der Eingang zu den Frauenplätzen. Ein rechteckiges Becken aus Naturstein im Boden, vermutlich eine Mikwe (Ritualbad), wurde nach dem Krieg zugemauert. Im August 1938 wurde in der Naziherrschaft die jüdische Gemeinde aufgelöst und das Gebäude verkauft.  Geschichts- und Heimatverein Ronneburg e.V." 

 

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20329/Ronneburg%20Stolpersteine%20121.jpg 2011 wurden in Altwiedermus fünf sog. „Stolpersteine“ verlegt (Aufn. aus: stolpersteine-ronneburg.de).

Der unterhalb der Ronneburg, am Ortsausgang von Altwiedermus in Richtung Büdingen liegende jüdische Friedhof weist heute nur noch wenige, teilweise schon im Erdboden versunkene Grabsteine auf.

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20197/Altwiedermus%20Friedhof%20157.jpg

Beerdigungsgelände mit alten Grabsteinen (Aufn. J. Hahn, 2009 und Aufn. aus: ronneburghistory.de)

vgl. dazu:  Hüttengesäß (Hessen)

 

 

Weitere Informationen:

Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Societäts-Verlag, Frankfurt/M. 1971, Bd. 1, S. 38/39

Thea Altaras, Synagogen in Hessen. Was geschah seit 1945?, o.O. 1988, S. 147/147 und Teil II (1994), S. 134

Studienkreis Deutscher Widerstand (Hrg.), Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung 1933 - 1945. Hessen I Regierungsbezirk Darmstadt, 1995, S. 221/222

The Encyclopedia of Jewish Life before and during the Holocaust (Vol. 1), New York University Press, Washington Square, New York 2001, S. 36

Altwiedermus, in: alemannia-judaica.de (mit einigen Textdokumenten und Aufnahmen zur jüdischen Lokalgeschichte)

Juden in Ronneburg-Hüttengesäß, Hrg. Geschichts- und Heimatverein Ronneburg e.V., 2014 (online abrufbar)

N.N. (Red.), Synagoge in Altwiedermus: Tür statt Thora-Schrein, in “Hanauer Anzeiger” vom 1.4.2017