Bad Brückenau (Unterfranken/Bayern)

Datei:Karte Landkreis Bad Kissingen.png – Wikipedia Datei:Bad Brückenau in KG.svg  Bad Brückenau ist heute eine Kleinstadt mit derzeit ca. 7.000 Einwohnern im unterfränkischen Landkreis Bad Kissingen (topografische Karte, Lencer 2009, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0  und  Kartenskizze 'Landkreis Bad Kissingen', Hagar 2010, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Erstmals wird im Jahr 1524 ein Jude namentlich erwähnt, der in Brückenau lebte. Im 16./17.Jahrhundert soll es in Brückenau eine winzige jüdische Gemeinschaft gegeben haben. Ihren Lebensunterhalt bestritten die Familien vom Handel mit "Kram, Ellen und Gewicht". Aus der Zeit der Ansiedlung jüdischer Familien im 16. Jahrhundert stammte ein Friedhof (um 1560 angelegt); genannt wird der Friedhof erstmals in der "Judenordnung" des Stifts Fulda von 1586 („ … sollen alle Juden, so unter uns seßhaft und darin sich aufhalten, so sie alt oder jung sterben, ihr Begräbnis vor der Stadt Fulda, Brückenau, Pfaffenhausen und sonst nirgends haben.“). Aus dem Jahre 1628 ist auch eine „Judenschule“ (Synagoge/Betraum) urkundlich belegt. Nach der Ausweisung der Juden aus dem gesamten Hochstift - also auch aus Brückenau (1671) - wurde der oben genannte Friedhof (Lage bislang unbekannt) aufgegeben.

Brückenau mit alter Brücke - Zeichnung H. Girl von 1876 (aus: wikipedia.org, CCO)

Zusammen mit Glaubensgenossen aus Züntersbach im Bezirk Schlüchtern gründete man um die Mitte des 19.Jahrhunderts eine autonome Kultusgemeinde. Hatten um 1800 nur vier jüdische Familien hier gelebt und sich vom Vieh- u. Kleinhandel ernährt, so vergrößerte sich ihre Zahl mit der Aufhebung des Matrikelparagraphen. Zu den Einrichtungen der neu gebildeten Kultusgemeinde zählten neben der Synagoge eine Mikwe, eine Elementarschule und ein Wohltätigkeitsverein. 1876 zerstörte ein Großbrand zahlreiche Häuser und die Synagoge. Mit Ausnahme von zwei jüdischen Familien wurden dabei alle obdachlos.

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%2086/Bad%20Brueckenau%20Israelit%2014031907.jpghttp://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20158/Bad%20Brueckenau%20Israelit%2002121909.jpg

Kurznotizen in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 14.März 1907 und vom 2.Dez. 1909

Im August 1913 ließ dann die Gemeinde am Standort der alten, am Schlachthofweg, eine neue Synagoge errichten, der auch eine Mikwe angeschlossen war.

                     

Bauzeichnungen für die neue Synagoge, um 1910 (Abb. aus: commons.wikimedia.org, gemeinfrei)

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20114/Brueckenau%20Synagoge%20005.jpg

Synagoge in Bad Brückenau, hist. Aufn. (aus: commons.wikimedia.org, gemeinfrei)

In einem Artikel der Zeitschrift "Der Israelit" vom 26. Sept. 1913 wurde wie folgt über die Einweihung berichtet: "Brückenau, 19. September. Der langgehegte Wunsch der Gemeinde Brückenau nach einer neuen Synagoge ging nun in Erfüllung. Nachdem wiederholte Gesuche um Gewährung von Zuschüssen aus Staatsmitteln wegen Mangel eines vordringlichen Bedürfnisses abgelehnt worden waren, entschloß sich die Gemeinde, aus eigenen Mitteln eine neue Synagoge zu erbauen. Ein neben der alten Synagoge befindlicher Bauplatz konnte käuflich erworben werden; nach nicht ganz sechsmonatiger Bauzeit steht der Bau, mit einer hübschen, das Städtebild zierenden Kuppel vollendet da. Am 28. August nachmittags 3 Uhr versammelten sich vor der alten Synagoge die Ehrengäste mit den Mitgliedern der Gemeinde. In feierlichem Zuge ging's von der alten in die neue Synagoge, an deren Pforte der Gemeindepräses Nathan Grünebaum eine Ansprache hielt, dankend der Mitwirkung der Staats- und Gemeindebehörden gedenkend. Nachdem in poetischer Weise Fräulein Rosa Lion die Schlüssel zur Synagoge übergeben, königlicher Bezirksamtmann Freiherr von Ruffin namens der Staatsbehörde, Bürgermeister und Landrat Reinwald namens der Stadt zum Neubau Glück gewünscht und auch fernere Fürsorge zugesichert hatten, erfolgte durch Distriktsrabbiner Dr. Bamberger, Kissingen, die Eröffnung der Synagogenpforte. Unter Gesang zur Begrüßung des Gotteshauses fand der Einzug statt, dem sich die üblichen Zeremonien anschlossen. Das Städtchen hatte zu der Feier reichen Flaggenschmuck angelegt."

Neben der Synagoge gab es im „Hotel Kaufmann“ einen eigenen Betsaal; das 1876 eröffnete Hotel wurde streng koscher geführt und war Treffpunkt orthodoxer Kurgäste.

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20158/Bad%20Brueckenau%20Israelit%2010051900.jpg

Daneben gab es noch zwei weitere streng-rituell geführte Beherbergungsbetriebe in Bad Brückenau.

Erst um 1923 legte die Gemeinde ihren Friedhof an; damit gehört er zu den jüngsten jüdischen Friedhöfen in Bayern. Zuvor waren Verstorbene auf dem jüdischen Friedhof in Altengronau begraben worden.

Ein Jahr später richtete man im Ort auch eine jüdische Elementarschule ein. 

Die jüdische Gemeinde unterstand bis in die 1890er Jahre dem Bezirksrabbinat Gersfeld, danach dem Bezirksrabbinat Kissingen.

Juden in (Bad) Brückenau:

    --- um 1575 ........................   7 jüdische Familien,

    --- um 1600/1610 ...................  11     "        "   ,

    --- 1789 ...........................   4     "        "   ,

    --- 1803 ...........................   4     "        "   ,

    --- 1835 ...........................   4     "        "   ,

    --- 1867 ...........................  19 Juden (in 7 Familien),

    --- 1892 ...........................  55   „  (ca. 3% d. Bevölk.),

    --- 1900 ........................... 114   „  ,

    --- 1910 ........................... 124   „  (ca. 6% d. Bevölk.),

    --- 1925 ........................... 128   “  ,

    --- 1933 ........................... 117   “  ,*     *andere Angabe: 144 Pers.

    --- 1935 (Dez.) .................... 105   “  ,

    --- 1938 (Jan.) ....................  48   “  ,

    --- 1939 (Mai) .....................  35   “  ,

    --- 1940 (Jan.) ....................  13   “  ,

    --- 1942 (Febr.) ...................   7   “  ,

             (Mai) .....................  ein  “ ().

Angaben aus: Baruch Z. Ophir/Falk Wiesemann, Die jüdischen Gemeinden in Bayern 1918 - 1945, S. 273

und                 W.Kraus/H.-Chr. Dittscheid/G. Schneider-Ludorff (Hrg.), Mehr als Steine … - Synagogengedenkband Bayern, Teilband III/2.1: Unterfranken, S. 38

 

Bad Brückenau wurde von zahlreichen Juden als Kurort besucht; so gab es im Ort auch drei koscher-geführte Hotels.

                http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20158/Bad%20Brueckenau%20Israelit%2007061900.jpg http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20211/Bad%20Brueckenau%20FrfIsrFambl%2008061905.jpg1901/1905

  Wanderausstellung abgestempelt Antisemitismus zwei antisemitisch-geprägte Karikaturen (1920er Jahre)

Bereits in den ersten Jahren der NS-Diktatur verließ ein Teil der wohlhabenden Juden Brückenau, um in andere deutsche Städte zu ziehen; nur wenige emigrierten. Infolge der Abwanderung war die jüdische Gemeinde bald außer Stande, ihre gemeindlichen Aufgaben zu erfüllen.

                 Das Bezirksamt Brückenau berichtete am 27.Juli 1934 an den Regierungspräsidenten:

“ ... Die Juden befleissigen sich im allgemeinen einer ziemlichen Zurückhaltung, doch steht immer noch ein erheblicher Teil der Bevölkerung, namentlich der ländlichen, in finanzieller Abhängigkeit von jüdischen Händlern und unterstützt die Juden durch Einkauf in jüdischen Geschäften. ...”

                  In einem Schreiben des Bezirksamts Bad Brückenau vom 3.10.1936 hieß es:

“ ... wird bemerkt, daß der Zustrom von Juden nach Bad Brückenau ein sehr starker war.  Wie bereits mehrfach berichtet wurde, hat insbesondere die Tatsache, daß in beiden jüdischen Hotels nichtjüdisches Personal beschäftigt war, bei der ortsansässigen Bevölkerung und bei einer großen Anzahl von Kurgästen des Staatsbades starke Bedenken, teilweise sogar eine gewisse Erregung hervorgerufen. ... Feststellungen, daß in den jüdischen Hotels Rassenschande getrieben worden sei, konnten trotz scharfer Überwachung nicht getroffen werden. ... Wegen der hiesigen jüdischen Hotels beabsichtige ich, für das kommende Jahr an das zuständige Arbeitsamt heranzutreten, damit von dort keine arischen Hausangestellten mehr überwiesen werden. ...”

Ähnlich wie in Bad Kissingen unterlag auch hier der Kuraufenthalt jüdischer Gäste Einschränkungen, die in einer Benutzerordnung für die staatlichen Bäder vom Mai 1938 festgelegt waren. Darin hieß es z.B.:

Der Zutritt zu den innerhalb des Kurgartens gelegenen Heilquellen ist nur während der vom Badekommissariat für die Inhaber der gelben Kurkarte festgelegten besonderen Brunnenzeiten gestattet, ... Während der Kurkonzerte darf der Inhaber der gelben Kurkarte sich nur in jenen Teilen des Kurgartens aufhalten, die nicht zur näheren Umgebung des Musikpavillons und des Kurgartenkaffees gehören. ...”

 

Beim Novemberpogrom von 1938 wurde die Synagoge in Brand gesteckt; der NSDAP-Kreisleiter persönlich soll das Feuer entfacht haben. Das gesamte Inventar und alle Kultgeräte wurden vernichtet. Auch das jüdische Schulhaus wurde stark beschädigt. Die im jüdischen Besitz befindlichen Hotels der Stadt demolierten SA- bzw. SS-Angehörige vollständig. Alle jüdischen Männer - mit Ausnahme der älteren - wurden inhaftiert und zwei Wochen später ins KZ Dachau eingewiesen.

Im Februar 1942 lebten nur noch sieben Juden in der Stadt; sie wurden anschließend über die Zwischenstation Würzburg deportiert. Ab Oktober 1942 war dann der gesamte Landkreis Brückenau „judenrein“

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..."  wurden 38 gebürtige bzw. längere Zeit in Bad Brückenau ansässig gewesene jüdische Bewohner Opfer der NS-Gewaltherrschaft (namentliche Nennung der betrofenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/bad_brueckenau_synagoge.htm).

In einem Gerichtsverfahren wurde der ehemalige NSDAP-Kreisleiter wegen seiner Aktivitäten während des Novemberpogroms zu einer Haft von fünf Jahren verurteilt.

 

Nach Kriegsende kehrte kein einziger jüdischer Bewohner nach Bad Brückenau zurück.

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20107/Brueckenau%20Friedhof%20121.jpg Aufn. J. Hahn, 2007

Auf dem christlichen Waldfriedhof in Bad Brückenau befindet sich seit 1987 ein großer Findling, auf dem eine Gedenkplatte angebracht ist, deren Inschrift an die ehemalige jüdische Gemeinde erinnert:

Die Stadt Bad Brückenau gedenkt ihrer ehemaligen jüdischen Mitbürger.

Die Synagoge stand Unterhainstrasse No.24 und diente dem Gebet bis zu ihrer Vernichtung in der Pogromnacht des 9./10.November 1938 .In der Zeit der schwersten Verfolgung erlosch die Jüdische Gemeinde 1939.

Zur Mahnung und zum Gedenken.

Dieses Grundstück war ehemals Eigentum der Jüdischen Kultusgemeinde Brückenau.

 

An die Anwesenheit von Juden in Bad Brückenau erinnert heute noch die „Judengasse“ unweit der einstigen Synagoge. Ein Teil des Synagogengebäudes ist heute noch vorhanden; nach einem Umbau wird das Gebäude nun als Wohn- und Geschäftshaus genutzt.

Gedenktafel, die an die Synagoge erinnert (Aufn. W. Weigang) http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20107/Brueckenau%20Synagoge%20120.jpg

Aus Anlass des 70.Jahrestages der Reichspogromnacht wurde am Alten Rathaus eine Gedenktafel für die Brückenauer Juden enthüllt, die der Shoa zum Opfer gefallen sind; auf der bronzenen Tafel sind 44 Personen namentlich aufgeführt.

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20417/Bad%20Brueckenau%20Gedenktafel%20020.jpg Aufn. Cornelia Mence, aus: alemannia-judaica.de

2018 wurden in Bad Brückenau - auf Initiative von Schüler/innen des Franz-Miltenberger-Gymnasiums - an vier Standorten insgesamt acht „sog. „Stolpersteine“ verlegt; weitere Steine fanden ein Jahr später ihren Platz in der Gehwegpflasterung vor den ehemaligen Wohnstätten der betroffenen Personen (in der Ludwigsstraße und Alten Schlachthofweg). Bei der dritten Verlegeaktion (2020) wurden in Anwesenheit von Josef Schuster, dem Vorsitzenden des Zentralrates der Juden, sieben "Stolpersteine" in die Gehwegpflasterung eingefügt. 2021/2022/2023 wurden noch weitere Steine verlegt, so dass man derzeit mehr als 40 messingfarbene Gedenkquader zählt.

undefinedundefinedundefined undefinedundefined verlegt in der Ludwigsstraße

und in der Wernarzer Straße  undefinedundefined (Aufn. Chr. Michelides, 2023, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)

Auf Beschluss der Kommune (2021) beteiligte sich die Stadt mit einer metallenen Koffer-Skulptur am zentralen "DenkOrt Deportationen 1941-1944" in Würzburg; die Doublette des Koffers ist am Alten Rathaus von Bad Brückenau zu finden.

          Kofferskulptur (Aufn. Dirk Jäckel, 2021)

 

 

 

Die Entstehung einer jüdischen Gemeinde in Züntersbach geht ins 17.Jahrhundert zurück, als nach der Vertreibung der Juden aus dem Hochstift Fulda (1671) sich mehrere Familien hier niederließen. Zu den gemeindlichen Einrichtungen zählten ein Betraum - dieser brannte vermutlich in den 1890er Jahren ab -, eine Religionsschule und eine Mikwe.

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20107/Zuentersbach%20Israelit%2013061881.jpg  http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20107/Zuentersbach%20Israelit%2016061884.jpg http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20107/Zuentersbach%20Israelit%2030111885.jpg

drei Stellenangebote von 1881, 1884 und 1885 (aus der Zeitschrift "Der Israelit)

Ein eigenes Begräbnisareal gab es nicht, Verstorbene wurden in Altengronau beerdigt. Um 1900 löste sich die Gemeinde auf; die wenigen verbliebenen Juden Züntersbach schlossen sich der Gemeinde von Bad Brückenau an.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem wurden 18 gebürtige bzw. längere Zeit in Züntersbach lebende jüdische Bewohner wurden Opfer der „Endlösung(namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/zuentersbach_synagoge1.htm).

 

 

Im südlich von Bad Brückenau gelegenen Unterleichtersbach bestand im 18./19.Jahrhundert (eventuell auch schon früher) eine kleine jüdische Gemeinde, die aber zu keiner Zeit mehr als 50 Mitglieder zählte. Mit der Auflösung der Gemeinde im Jahre 1871 schlossen sich die noch in Unterleichtersbach lebenden Juden der Kultusgemeinde Bad Brückenau an.

 

 

In Schondra - ebenfalls südlich von Bad Brückenau - existierte vom 18. Jahrhundert bis ins erste Jahrzehnt des 20.Jahrhunderts eine jüdische Gemeinde, die zu keiner Zeit kaum mehr als 30 Angehörige besaß. Bei der Erstellung der Matrikel (1817) waren sechs Familienvorstände aufgelistet. Die Gemeinde gehörte bis 1892/1893 zum Rabbinatsbezirk Gersfeld, danach zum Distriktsrabbinat Bad Kissingen

Juden in Schondra:

--- 1806 .................  13 Juden,

--- 1829 .................   6 jüdische Familien,

--- 1843 .................   5     "       "    ,

--- 1867 .................  31 Juden (in 4 Familien),

--- 1872 .................  16   "   (in 2 Familien),

--- 1890 .................  25   "  ,

--- 1910 .................  14   "  ,

--- 1933 .................   2   "  .

Angaben aus: W.Kraus/H.-Chr. Dittscheid/G. Schneider-Ludorff (Hrg.), Mehr als Steine … - Synagogengedenkband Bayern, Teilband III/2.1: Unterfranken, S. 157

Nach ihrer Auflösung (1910) – fortan gehörten die wenigen verbliebenen Juden zur jüdischen Gemeinde Geroda - kamen Teile der Inneneinrichtung der 1853 in Nutzung genommenen Synagoge in den Besitz des Verbandes der Bayerischen Israelitischen Gemeinden und der Kultusgemeinde München übergeben.

                       http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20240/Schondra%20Synagoge%20120.jpg Thora-Schrein aus der Synagoge Schondra (hist. Aufn.)

Beerdigungsstätte für die Schondraer Juden war der jüdische Friedhof in Langenselbold. Die letzten beiden jüdischen Bewohner verließen 1935 ihren Heimatort.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des „Gedenkbuches – Opfer der Verfolgung der Juden ...“ kamen fünf aus Sontra stammende jüdische Personen während der NS-Zeit gewaltsam ums Leben (namentliche Nennung der Personen siehe: alemannia-judaica.de/schondra_synagoge.htm#Zur Geschichte der Synagoge).

 

 

Datei:Riedenberg in KG.svg In Unterriedenberg - einer kleinen Ortschaft in der Rhön, heute zur Verwaltungsgemeinschaft Bad Brückenau gehörend - gab es seit dem 18.Jahrhundert eine jüdische Gemeinde. Deren Angehörige stellten - als Schutzjuden des Fürstabt von Fulda bzw. der Herrschaft Sterpferts in Römershag (?) - einen beachtlichen Teil der Dorfbevölkerung. Bei der Erstellung der bayrischen Matrikellisten (1817) wurden für Unterriedenberg zwölf jüdische Familienvorstände genannt; ihren Lebenswerwerb bestritten diese zumeist vom Vieh- und Kleinhandel bzw. als Handelsvermittler (Schmusen). 1867 lebten im Dorf 84 Juden und damit knapp 30% der Dorfbevölkerung.

Zu den gemeindlichen Einrichtungen zählten ein um 1750 erbautes Bethaus, eine Schule mit Lehrerwohnung und eine Mikwe.

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20102/Unterriedenberg%20Israelit%2012071876.jpg  http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20264/Riedenberg%20Israelit%2019091901.jpg Stellenanzeigen aus der Zeitschrift „Der Israelit“ (1876/1901)

Ab dem 18.Jahrhundert war die zahlenmäßig relativ große Landgemeinde Unterriedenberg mit der nur wenige Familien zählenden Judenschaft von Brückenau eng verbunden; sie bildeten bis 1844 den "Gebets- u. Schulsprengel Brückenau-Unterriedenberg".

Verstorbene wurden auf dem jüdischen Friedhof in Pfaffenhausen und nach 1910 auf dem in Geroda beerdigt.

Die israelitische Gemeinde gehörte von1840 bis Anfang der 1890er Jahre zum Rabbinatsbezirk Gersfeld und danach zum Distriktrabbinat Bad Kissingen.

Juden in Unterriedenberg:

       --- 1703 .......................  3 jüdische Familien,

    --- 1763 ....................... 12     "       "    ,

--- 1829 ....................... 13     "       "    ,

--- 1839 ....................... 63 Juden (ca. 18% d. Bevölk.),

--- 1848 ....................... 66   "   (in 15 Familien),

--- 1867 ....................... 84   "   (ca. 28% d. Bevölk.),

--- 1873 ....................... 95   "   ,

--- 1890 ....................... 61   “   (ca. 23% d. Bevölk.),

--- 1900 ....................... 71   “  ,

--- 1910 ....................... 46   “  ,

--- 1925 ....................... 34   “  ,

--- 1932 ................... ca. 30   “  ,

--- 1930 (Nov.) ...............  6 jüdische Familien.

Angaben aus: Unterriedenberg, in: alemannia-judaica.de

und                 W.Kraus/H.-Chr. Dittscheid/G. Schneider-Ludorff (Hrg.), Mehr als Steine … - Synagogengedenkband Bayern, Teilband III/2.1: Unterfranken, S. 333

https://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20102/Unterriedenberg%20Israelit%2012061893.jpg Kleinanzeige aus "Der Israelit" vom 12.6.1893

Zu Beginn der NS-Zeit lebten noch ca. 30 Juden, meist Viehhändler, im Dorf; die meisten hatten den Ort bereits vor der „Kristallnacht“ verlassen. Während der Novembertage 1938 drangen SA-Angehörige in von Juden bewohnte Häuser ein und zerstörten Inventar. Wenige Wochen später löste sich die jüdische Gemeinde ganz auf. Die noch hier verbliebenen elf Personen verzogen im Dezember 1938 nach Frankfurt/Main.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem wurden 23 gebürtige bzw. länger am Ort lebende jüdische Bewohner wurden Opfer der Shoa (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/unterriedenberg_synagoge.htm).

Vier Jahre nach Kriegsende fand vor dem Landgericht in Würzburg ein Prozess gegen 19 der beim Novemberpogrom 1938 Beteiligten statt: Fünf erhielten mehrmonatige Gefängnisstrafen, die anderen wurden freigesprochen.

Heute findet man in Unterriedenberg keine Spuren jüdischen Lebens mehr. Zudem vermisst man bislang eine Gedenktafel, die an die einst dort wohnhaft gewesenen, dann vertrieben und ermordeten jüdischen Bewohner erinnert.

Jüngst beteiligte sich auch Riedenberg am unterfränkischen Projekt „DenkOrt Deportationen 1941-1944“; so erinnert eine aus Basalt geschaffene Rucksack-Skulptur an die beiden aus dem Ort 1942/43 deportierten Jüdinnen.

      Riedenberg Rucksack-Skulptur (Abb. aus: denkort-deportationen.de)

 

 

 

Weitere Informationen:

Baruch Z. Ophir/Falk Wiesemann, Die jüdischen Gemeinden in Bayern 1918 - 1945. Geschichte und Zerstörung, Oldenbourg-Verlag, München/Wien 1979, S. 273 - 275

Herbert Schultheis, Juden in Mainfranken 1933 - 1945 unter besonderer Berücksichtigung der Deportationen Würzburger Juden, in: "Bad Neustädter Beiträge zur Geschichte und Heimatkunde Frankens", Band 1, Verlag Max Rötter, Bad Neustadt a.d.Saale 1980, S. 169 ff.

Leonard Rugel, Die Juden in Bad Brückenau, in: "Quellen-Blätter. Heimatkundliche Beilage der Saale-Zeitung für den Landkreis Bad Kissingen", Ausgaben Aug. - Nov. 1983

Israel Schwierz, Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayerns - Eine Dokumentation, Hrg. Bayrische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit, 2. Aufl., München 1992, S. 38/ 39, S. 118 und S. 128/129

Cornelia Binder/Michael Mence, Last Traces - Letzte Spuren von Deutschen jüdischen Glaubens im Landkreis Bad Kissingen, Mellrichstadt 1992

Michael Trüger, Der jüdische Friedhof in Bad Brückenau, in: "Der Landesverband der Israel. Kultusgemeinden in Bayern", 9.Jg., No. 64/1994, S. 23

The Encyclopedia of Jewish Life before and during the Holocaust (Vol. 3), New York University Press, Washington Square, New York 2001, S. 1362

R. Ruppert (Red.), Gedenken an die Synagoge – Tafel an ehemaligem jüdischen Gebäude enthüllt – 1938 zerstört, in: “Main-Post” April 2001

Ulrich Debler, Die jüdische Gemeinde in Bad Brückenau, in: "Würzburger Diözesangeschichtsblätter", No.66/2004, S. 11 - 112

Cornelia Binder/Michael Mence, Nachbarn der Vergangenheit - Spuren von Deutschen jüdischen Glaubens im Landkreis Bad Kissingen mit dem Brennpunkt 1800 bis 1945, Selbstverlag, o.O. 2004

Dirk Rosenstock (Bearb.), Die unterfränkischen Judenmatrikeln von 1817. Eine namenkundliche und sozialgeschichtliche Quelle, in: "Veröffentlichungen des Stadtarchivs Würzburg", Band 13, Würzburg 2008, S. 97 (Bad Brückenau) und S. 99 (Unterriedenberg)

Bad Brückenau, in: alemannia-judaica.de (mit diversen Text- und Bilddokumenten zur jüdischen Ortshistorie)

Züntersbach, in: alemannia-judaica.de (mit Dokumenten zur jüdischen Ortshistorie)

Schondra, in: alemannia-judaica.de

Unterleichtersbach, in: alemannia-judaica.de

Unterriedenberg, in: alemannia-judaica.de (mit einigen Dokumenten zur jüdischen Ortshistorie)

Alexander von Papp, Ein fränkisch-jüdisches Leben im 20. Jahrhundert - Zum 100. Geburtstag von David Schuster, in: "Frankenland. Zeitschrift für fränkische Landeskunde und Kulturpflege", Heft 4/2011, S. 284 - 295

Ulrike Müller (Red.), Bad Brückenau: Jüdische Orte gestern und heute, in: „Main-Post“ vom 14.7.2016

Anke Gundelach (Red.), Erinnern an jüdische Mitbürger. Stolperstein-Verlegung in Bad Brückenau und Bad Kissingen, in: "Bayrischer Rundfunk" vom 23.2.2018

Schülerinnen des Franz-Miltenberger-Gymnasium (Bearb.), Jüdisches Leben in Brückenau – ein geschichtlicher Abriss in sechs Kapiteln, Bad Brückenau 2018 (als PDF-Datei abrufbar unter: alemannia-judaica.de/images/Images 467/Bad Brueckenau Juedisches Leben.pdf)

Auflistung der in Bad Brückenau verlegten Stolpersteine, online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Bad_Brückenau

N.N. (Red.), Stolpersteine erinnern ans Schicksal von Bad Brückenauer Juden, in: „Main-Post“ vom 30.6.2019

Ulrike Müller (Red.), Bad Brückenau: Acht Stolpersteine verlegt, in: „Saale-Zeitung“ vom 8.7.2019

N.N. (Red.), Neue Stolpersteine in Bad Brückenau mit Josef Schuster verlegt, in: "BR24" vom 19.7.2020

Stefan W. Römmelt (Red.), Bad Brückenau – Erinnern in Unterfranken, in: „Jüdische Allgemeine“ vom 24.7.2020 (betr. Stolpersteinverlegung)

Cornelia Berger-Dittscheid (Bearb.), Bad Brückenau, in: W.Kraus/H.-Chr. Dittscheid/G. Schneider-Ludorff (Hrg.), Mehr als Steine … - Synagogengedenkband Bayern, Teilband III/2.1: Unterfranken, Kunstverlag Josef Fink, Lindenberg/Allgäu 2021, S. 11 - 46

Cornelia Berger-Dittscheid (Bearb.), Unterriedenberg, in: W.Kraus/H.-Chr. Dittscheid/G. Schneider-Ludorff (Hrg.), Mehr als Steine … - Synagogengedenkband Bayern, Teilband III/2.1: Unterfranken, Kunstverlag Josef Fink, Lindenberg/Allgäu 2021, S. 323 – 339

Cornelia Berger-Dittscheid/Axel Töllner (Bearb.), Schondra, in: W.Kraus/H.-Chr. Dittscheid/G. Schneider-Ludorff (Hrg.), Mehr als Steine … - Synagogengedenkband Bayern, Teilband III/2.1: Unterfranken, Kunstverlag Josef Fink, Lindenberg/Allgäu 2021, S. 130 – 165 (Schondra unter Geroda)

Steffen Standke (Red.), Leidenschaftliche Diskussion im Bad Brückenauer Stadtrat zum Gedenkort Aumühle, in: „Main-Post“ vom 24.5.2021

Anke Gundelach/Sylvia Schubart-Arand (Red.), Holocaust: Stolperstein-Verlegung in Bad Brückenau und Gemünden, in: "BR24" vom 27.10.2021

Steffen Standke (Red.), „Koffer“ steht für alle vertriebenen und deportierten Brückenauer Juden, in: „Saale-Zeitung“ vom 28.10.2021

N.N. (Red.), Bad Brückenau. 5. Stolpersteinverlegung: Tragisches Schicksal einer Brückenauer Jüdin wird fassbar, in: inFranken.de vom 22.6.2022

Evelyn Schneider (Red.), Aus Oregon Spurensuche in Riedenberg, in: „Fränkischer Tag“ vom 21.6.2023