Bad Salzschlirf (Hessen)
Bad Salzschlirf ist ein Heilbad im osthessischen Landkreis Fulda mit derzeit ca. 3.500 Einwohnern – knapp 20 Kilometer nordwestlich von Fulda gelegen (Ausschnitt aus hist. Karte von 1905, aus: wikipedia.org, gemeinfrei und Kartenskizze 'Landkreis Fulda', Hagar 2009, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).
In (Bad) Salzschlirf, seit 1838 ein Badeort, lässt sich eine Ansiedlung jüdischer Familien erst ab dem Jahre 1892 nachweisen. Ihren Lebenserwerb bestritten sie mit verschiedenen Tätigkeiten, so etwa als Hoteliers, Einzelhändler, Handwerker und Ärzte. Nur für wenige Jahre bildeten die Salzschlirfer Juden eine selbstständige Kultusgemeinde; in dieser Zeit - 1909 bis 1912 - fanden gottesdienstliche Zusammenkünfte regelmäßig in einem Raum der Pensionen Weihl bzw. im Waldschlösschen statt.
aus: "Frankfurter Israelitisches Familienblatt" vom 31. Juli 1903 und „Badezeitung“ vom Aug. 1912
Da aber die Gemeinde wegen ihrer geringen Größe nicht lebensfähig war, wurden die jüdischen Familien schließlich erneut der Kultusgemeinde Fulda zugewiesen.
Verstorbene Juden aus Bad Salzschlirf wurden auf dem jüdischen Friedhof in Schlitz bzw. in Fulda beerdigt.
Juden in Bad Salzschlirf:
--- 1892 ......................... 3 Juden,
--- 1905 ......................... 21 “ (in 7 Familien),
--- 1922 ......................... 45 “ ,
--- 1933 (Jan.) .................. 23 “ ,
--- 1935 ......................... 8 jüdische Familien,
--- 1938 (Juli) .................. 2 Juden.
Angaben aus: Anja Listmann, Beinahe vergessen. Jüdisches Leben in Bad Salzschlirf
hist. Postkarte, um 1905 (Abb. aus: wikipedia.org, CCO)
Anzeigen aus dem Hotelgewerbe von Bad Salzschlirfer Juden:
(Anzeigen aus: alemannia-judaica.de)
Im Jahre 1907 eröffnete das Hotelier-Ehepaar Sophie und Jacob Strausser in der bisherigen Villa Bellevue ein "Israelitisches Haus I. Ranges" , das alsbald in "Villa Waldschlößchen" umbenannt wurde. Nach dem Tod von Jacob Strauss (1923) führte dessen Ehefrau Sophie das Haus bis zu ihrem Tod (1929) weiter.
Mit Beginn der NS-Herrschaft verschlechterten sich auch in Bad Salzschlirf die Lebensbedingungen der wenigen hier lebenden jüdischen Familien. Das Spektrum der Aktionen reichte von Schmierereien antisemitischen Inhalts bis hin zur Körperverletzung. Die prekäre Lage führte bald dazu, dass die allermeisten jüdischen Einwohner ihren Wohnort verließen, in größere Städte verzogen und von hier aus ihre Auswanderung vorbereiteten. Während einigen die Emigration in ein sicheres Land gelang, wurden andere während der Kriegsjahre aus ihren Zufluchtsländern, z.B. den Niederlanden, „in den Osten“ deportiert.
1941 wurde der letzte jüdische Bewohner aus Bad Salzschlirf deportiert.
Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." wurden 19 gebürtige bzw. längere Zeit hier ansässig gewesene Bad Salzschlirfer Juden Opfer des Holocaust (namentliche Nennung der betreffenden Personen siehe: alemannia-judaica.de/bad_salzschlirf_synagoge.htm).
Nach Ende des Zweiten Weltkrieges fanden in den Jahren 1946 bis 1949 etwa 800 - 900 jüdische DPs in Bad Salzschlirf eine vorläufige Unterkunft. Die ersten hier eintreffenden DPs kamen im „Hotel Badehof“ und anderen Kurhäusern unter; hier befand sich auch die Verwaltung der DP-Camps. Die aus mehreren Nationen zusammengewürfelte „Gemeinde“ löste sich im Frühjahr 1949 wieder auf, nachdem die meisten in die USA bzw. in den neugegründeten Staat Israel ausgewandert waren.
2019 wurde am Rande des Kurparks von Bad Salzschlirf eine kleine Gedenkstätte geschaffen, die an alle ehemaligen jüdischen Bewohner des Kurortes erinnern soll. Auf der an einem Findling angebrachten Gedenktafel sind namentlich die 19 Shoa-Opfer genannt.
noch unfertiger Gedenkort (Aufn. aus: osthessen.news.de)
Eine identische Gedenktafel befindet sich auch auf dem neuen jüdischen Friedhof in Fulda.
Weitere Informationen:
Rudolf Müller, Chronik der Pfarrgemeinde Bad Salzschlirf, o.O. o.J.
Fritz Severin, Chronik der Gemeinde Bad Salzschlirf, Fulda 1976
Karl Weber, Chronologie von Bad Salzschlirf, Bad Salzschlirf 1988
A.Königseder/J.Wetzel, Lebensmut im Wartesaal - Die jüdischen DPs im Nachkriegsdeutschland, Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt/M. 1994, S. 249
Anja Listmann, Beinahe vergessen. Jüdisches Leben in Bad Salzschlirf, Rhön-Verlag, Hünfeld 2000
Bad Salzschlirf, in: alemannia-judaica.de (mit zahlreichen, meist personenbezogenen Dokumenten zur jüdischen Ortshistorie)
Thea Altaras, Synagogen und jüdische Rituelle Tauchbäder in Hessen – Was geschah seit 1945?, Königstein im Taunus 2007, S. 115
Michael Imhof/Anja Listmann (Bearb.), Juden in Deutschland und 1000 Jahre Judentum in Fulda, hrg. von Zukunft Bildung Region Fulda e.V., Michael Imhof Verlag, Petersberg 2011, S. 278 – 282
Bad Salzschlirf, Vor dem Holocaust. Fotos zum jüdischen Alltagsleben in Hessen, online abrufbar unter: vor-dem-holocaust.de (mit zahlreichen privaten Aufnahmen hiesiger jüdischer Familien)
Bad Salzschlirf – Jüdisches DP-Lager, online abrufbar unter: after-the-shoah.or
Matthias Kübel (Red.), Erinnerungsort für das jüdische Leben in Bad Salzschlirf – öffentliche Projektvorstellung, online abrufbar unter: badsalzschlirf.de vom 25.3.2019
Carla Ihle-Becker (Red.), Bad Salzschlirf. Jüdische Opferfamilien fühlen sich von Bürgermeister Kübel brüskiert, in: osthessen-news.de vom 21.9.2019
Volker Nies (Red.), Würdige Gedenkfeiern für Bad Salzschlirfer Juden, in: „Fuldaer Zeitung“ vom 23.9.2019
Gemeinde Bad Salzschlirf (Hrg.), Erinnerungsort jüdisches Leben, online abrufbar unter: badsalzschlirf.de/leben/ehrenamt/erinnerungsort-juedisches-leben/ (u.a. Aufnahmen bei der Veranstaltung zur Einweihung der Gedenkstätte)