Barntrup/Lippe (Nordrhein-Westfalen)
Barntrup mit derzeit ca. 8.600 Einwohnern ist eine Kleinstadt im Ostteil des Kreises Lippe; sie liegt etwa 20 Kilometer nordöstlich von Detmold (hist. Karte von Lippe, aus: wikiwand.com/de/Landratsamt_Blomberg und Kartenskizze 'Kreis Lippe', TUBS 2008, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).
Barntrup um 1765 (Abb. aus: wikipedia.org, gemeinfrei)
Bereits in den Jahren vor dem Dreißigjährigen Krieg sollen sich einige wenige jüdische Familien in Barntrup und Alverdissen angesiedelt haben, nachdem die gräfliche Herrschaft einen Zuzug nach Lippe ermöglicht hatte. Nach vorübergehender Ausweisung im Jahre 1614 ließen sich dann erneut Juden hier nieder. Die Gemeinde, deren Angehörige sehr arm waren, blieb stets klein; zu ihr gehörten nach 1858 auch die Familien in Alverdissen, Bega und Sonneborn.
In der Krummen Straße befand sich der Betsaal der Gemeinde: Das ursprünglich als Wohnhaus genutzte Fachwerkgebäude hatte ein Gemeindemitglied der hiesigen Judenschaft (Jacob Aron Steinberg) 1872 zur Verfügung gestellt, nachdem bereits in den Jahrzehnten zuvor gottesdienstliche Treffen hier abgehalten worden waren. Der eigentliche Synagogenraum - mit einer separaten Frauenabteilung - befand sich im Obergeschoss des Gebäudes; im Parterre war eine Mietwohnung.
Synagogengebäude in Barntrup (hist. Aufn., um ?)
Ein eigenes kleines Beerdigungsgelände an der Hagenstraße stand den Gemeindemitgliedern seit ca. 1840 zur Verfügung. Da sich die Zahl der Gemeindemitglieder im Laufe der Zeit immer mehr verringerte, wurde die Fläche des Friedhofs verkleinert; die letzte Beerdigung fand hier 1936 statt. Auf dem Gelände findet man heute ca. 20 Grabstellen.
Jüdischer Friedhof in Barntrup (Aufn. G. 2022, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 4.0 und Grugerio, 2012, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)
Am Oberlauf der Bega, in der Sibbentruper Straße, gab es ebenfalls einen kleinen jüdischen Friedhof; auf ihm fand 1890 die letzte Beerdigung statt.
Anm. In den 1930er Jahren schlossen sich die bislang selbstständigen israelitischen Gemeinden Barntrup, Alverdissen und Silixen zur Gemeinde Bösingfeld zusammen, die fortan die Bezeichnung "Synagogengemeinde Bösingfeld-Barntrup" trug.
Juden in Barntrup:
--- um 1780/90 ..................... 2 jüdische Familien,
--- 1810 ........................... 6 “ “ ,
--- 1858 ........................... 6 “ “ ,
--- 1872 ........................... 49 Juden,
--- 1895 ........................... 45 “ (knapp 5% d. Bevölk.),
--- 1904 ........................... 11 erwachsene Juden,
--- um 1930 ........................ 17 Juden (in 4 Familien),
--- 1935/36 ........................ 3 jüdische Familien,
--- 1942 ........................... keine.
Angaben aus: Elfi Pracht, Jüdisches Kulturerbe in Nordrhein-Westfalen, Reg.bez. Detmold, S. 289
und Friedrich Böttcher, Geschichte der Juden in Barntrup (Maschinenmanuskript, April 2003)
Unter den zu Anfang der 1880er Jahre in Barntrup niedergelassenen sieben Kaufleuten waren drei Juden; sie trieben Handel mit „Kram, Höker und Kolonialwaren“. Die Abwanderung der meisten jüdischen Bewohner nach 1880/1890 führte dazu, dass das Synagogengebäude nicht mehr als solches genutzt wurde, jedoch blieb die Inneneinrichtung - einschließlich der Ritualien - bis in die 1930er Jahre erhalten.
Auch in Barntrup scheint der Boykott des 1.4.1933 stattgefunden zu haben, so hieß es in einer Kurzmeldung im Lokalanzeiger: „An den Häusern der drei hiesigen Juden wurden von SA-Männern Plakate angebracht mit der Aufschrift: ‚Deutsche handelt nur mit deutschen Viehhändlern! Die Juden sind Deutschlands Unglück!’ Sonstige jüdische Geschäfte haben wir in Barntrup nicht.” 1935 erließ die Barntruper Stadtverordnetenversammlung eine „Orts-Satzung zum Kampf gegen das Judentum“, in dieser wurden u.a. die Bauern aufgefordert, jegliche Wirtschaftskontakte zu den jüdischen Viehhändlern zu beenden; am Schwimmbad und in Gastwirtschaften wurden Schilder mit der Aufschrift „Juden ist der Eintritt verboten“ angebracht; „arische“ Gewerbetreibende mussten sich schriftlich verpflichten, von jüdischen Firmen keine Waren mehr zu beziehen.
Während des Novemberpogroms zerstörten Barntruper Nationalsozialisten - von der SA-Leitung in Detmold in Marsch gesetzt - die dort noch befindliche Inneneinrichtung der Synagoge; das Gebäude selbst blieb erhalten und wurde 1939 von einem hiesigen Gastwirt gekauft. Um 1978/1980 wurde das inzwischen verfallene Gebäude abgerissen und auf den Fundamenten ein Neubau errichtet.
Seit 1988 erinnert ein Gedenkstein an die fünf aus Barntrup deportierten und ermordeten jüdischen Bewohner.
Vor ca. zehn Jahren wurden in der Oberen Straße vier sog. „Stolpersteine“ verlegt (Stand 2022).
Aufn. G., 2022, aus: wikipedia.or, CC BY-SA 4.0.
Im Barntruper Stadtteil Alverdissen hatte jüdisches Leben um die Mitte des 18.Jahrhunderts Einzug gehalten; doch auch hier blieb die Zahl der Familien stets sehr gering. Trotzdem wurde der Bau einer Synagoge gegen viele Widerstände vorangetrieben. Schließlich genehmigte die Behörde das Vorhaben, und auf einem Grundstück außerhalb der alten Stadtmauer entstand nun das Gebäude.
Vermutlich seit dem ausgehenden 18.Jahrhundert stand auch ein winziges Beerdigungsareal am Südhagen zur Verfügung.
Juden in Alverdissen:
--- 1807 ........................ 23 Juden,
--- 1858 ........................ 38 “ ,
--- 1880 ........................ 9 “ ,
--- 1900 ........................ 8 “ ,
--- 1932 ........................ 5 “ .
--- 1942 ........................ keine.
Angaben aus: Ursula Olschewski (Bearb.), Barntrup-Alverdissen, in: Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinschaften in Westfalen …, S.235
Im Zusammenhang der Mitte der 1930er Jahre vollzogenen Inkorporierung der Juden Alverdissens in die Synagogengemeinde Bösingfeld-Barntrup wurde die Synagoge aufgegeben.
Während des Novemberpogroms wurden in Alverdissen auch Wohnungen jüdischer Personen demoliert; nach einem Lagebricht der Gendarmerie soll die Dorfbevölkerung „seit Jahren nicht judenfreundlich“ gewesen sein und mit der „Aktion gegen die Juden durchaus einverstanden“ gewesen sein.
Einziger Hinweis auf ehemals Ansässigkeit jüdischer Familien ist der kleine Friedhof mit seinen zwei Grabsteinen.
Begräbnisplatz Alverdissen (Aufn. Grugerio, 2013, in: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)
In Bega - heute ein Ortsteil von Dörentrup – findet man eine jüdische Begräbnisstätte, auf der nur noch sehr wenige Grabsteine erhalten geblieben sind. Das an der Sibbentruper Straße gelegene Areal wurde bis um 1890 genutzt. Die in Bega lebenden Juden gehörten ehemals zur jüdischen Synagogengemeinde von Barntrup.
Friedhof in Bega (Aufn. G., 2012, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)
Weitere Informationen:
Martin Böttcher, 600 Jahre Stadt Barntrup, Barntrup 1976
Friedrich Böttcher, Der “Jude Katz” in Barntrup, in: J.Scheffler/H.Stöwer (Bearb.), Juden in Lemgo und Lippe - Kleinstadtleben zwischen Emanzipation und Deportation Forum Lemgo - "Schriften zur Stadtgeschichte", No. 3, Bielefeld 1988, S. 230 - 240
Friedrich Böttcher, Zur Geschichte der Barntruper Juden in nationalsozialistischer Zeit, Bielefeld 1988
E.Böttcher/M.Böttcher (Hrg.), Ein Denkmal in Barntrup, in: "Schriften der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in Lippe e.V.", Heft 6, Detmold 1992
Helmuth Welsch, Die Geschichte der Juden im früheren Marktflecken Alverdissen, Manuskript (1997)
Elfi Pracht, Jüdisches Kulturerbe in Nordrhein-Westfalen, Regierungsbezirk Detmold, J. P.Bachem Verlag, Köln 1998, S. 289 - 294
Friedrich Böttcher, Geschichte der Juden in Barntrup, Maschinenmanuskript, April 2003
N.N. (Red.), Neue „Stolpersteine“ in der Oberen Straße verlegt, in: „Lippische Landeszeitung“ vom 4.8.2011
Friedrich Böttcher (Bearb.), Barntrup, in: Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinschaften in Westfalen und Lippe. Die Ortschaften und Territorien im heutigen Regierungsbezirk Detmold, Ardey-Verlag, Münster 2013, S. 226 - 232
Ursula Olschewski (Bearb.), Barntrup-Alverdissen, in: Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinschaften in Westfalen und Lippe. Die Ortschaften und Territorien im heutigen Regierungsbezirk Detmold, Ardey-Verlag, Münster 2013, S. 232 - 237