Böhmisch-Krummau (Böhmen)
Die südwestböhmische, am Nordrand des Böhmerwaldes gelegene Stadt Krum(m)au - ca. 20 Kilometer südlich von Budweis/Ceske Budejovice - ist das heutige tschechische Český Krumlov mit derzeit ca. 13.000 Einwohnern. Während der Regentschaft der Rosenberger Adelsfamilie verzeichnete die Stadt ihre größte Blüte (Ausschnitt aus hist. Karte mit Krumau am unteren linken Kartenrand, aus: europe1900.eu und Kartenskizze 'Tschechien' mit Český Krumlov rot markiert, K. 2005, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0).
Mit Erlaubnis des Königs Johann von Luxemburg konnte die Rosenberger Herrschaft erreichen, dass sich um 1335 jüdische Familien in Krummau niederlassen konnten. Als Verwalter der Finanzen waren sie den Rosenbergern zu Diensten. Ihre Behausungen besaßen die jüdischen Familien in einer ihnen zugewiesenen Straße. Gegen Ende des 15.Jahrhunderts wurden die Juden aus Krummau ausgewiesen und ihre Niederlassung künftig verboten. In den beiden Folgejahrhunderten durften in der Stadt nur zwei bis drei jüdische Familien leben; ansonsten blieb das allgemeine Verbot des Aufenthaltes von Juden in Krummau bis Ende des 18. Jahrhunderts in Kraft. In der Krummauer Vorstadt Špičák ließ sich dann die erste jüdische Familie dauerhaft nieder; weitere folgten nach. Erst seit Ende der 1840er Jahre war ein Zuzug jüdischer Familien in die Kernstadt wieder erlaubt; im Jahre 1855 gründete sich ein „Betverein“, aus dem knapp zwei Jahrzehnte später die neuzeitliche jüdische Gemeinde von Krummau erwuchs; zu ihr zählten dann auch die Bewohner von Wettern (tsch. Vetrni).
In den Jahren 1908/1909 ließ die Judenschaft in der südlichen Vorstadt einen Synagogenbau mit einem achteckigen Turm errichten; dieses im neuromanischen Stil erstellte Gebäude - der Prager Architekt Victor Kafka zeichnete dafür verantwortlich - bot etwa 180 Personen Platz. Gottesdienste wurden hier bis 1938 abgehalten.
ehem. Synagoge (Aufn. Jitka Erbanová , 2013, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0 u. Walter Klosse, 2016, aus: wikipedia, org, CC BY-SA 4.0)
Innenraum (Aufn. J. Erbenová, 2013, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)
Die Entstehung der Krummauer Synagoge ist untrennbar mit dem Namen Spiro verbunden; diese Familie war im Laufe des 19.Jahrhunderts zu eine der ökonomisch stärksten in der gesamten Region avanciert - sie war im Besitz einer weltbekannten Papierfabrik. Ignaz Spiro (geb. 1817), das Oberhaupt des Familienclans, setzte sich vehement für die Belange der jüdischen Gemeinde ein; so hatte er dafür gesorgt, dass Anfang der 1890er Jahre ein jüdischer Friedhof mit einer großen Zeremonienhalle angelegt wurde. Zuvor waren Verstorbene auf dem jüdischen Friedhof in Rosenberg begraben worden.
Auch die Einrichtung eines jüdischen Waisenhauses und die Gründung des Synagogen-Fonds ging auf sein Engagement zurück.
Juden in Böhmisch-Krummau:
--- 1834 .......................... 137 Juden,
--- 1880 .......................... 103 “ ,
--- 1894 .......................... 137 “ ,
--- 1900 .......................... 165 “ ,
--- 1930 .......................... 111 “ .
Angaben aus: Angaben der Stadtverwaltung Cesky Krumlov
Stadt Krummau - hist. Postkarte um 1910 (Abb. aus: wikipedia.org, CCO)
... und Ringplatz
Mit der deutschen Besetzung im Sept. 1938 verließen fast alle jüdischen Familien Krummau und brachten sich zunächst im tschechischen Kernland in Sicherheit. Jahre später wurden sie im Rahmen der „Endlösung“ verschleppt und zumeist ermordet.
Nach 1945 kehrten nur zwei ehemalige jüdische Bewohner aus den Lagern nach Ceský Krumlov zurück; eine Gemeindegründung kam nicht mehr zustande.
Das Stadtbild Cesky Krumlovs dominieren heute die drei Türme der Kirche St.Veit, des Schlosses und der Synagoge. In den beiden ersten Jahrzehnten nach Kriegsende wurde das Synagogengebäude - es war während der NS-Zeit ausgeplündert worden - von der tschechischen „Hussitenkirche“ genutzt; danach nutzte man es als provisorischen Lagerraum für Kulissen des Theaters. Erst nach der sog. „Wende“ geriet das Synagogengebäude wieder in den Blickpunkt öffentlichen Interesses. In Zusammenarbeit mit der Prager Jüdischen Gemeinde hat das „Egon-Schiele-Art-Centrum“ mit der Instandsetzung der Krummauer Synagoge begonnen.
Anm.: Der u.a. wegen seiner Aktmalerei umstrittene Egon Schiele (1890-1918) hat sich einige Zeit in Krummau, der Heimat seiner Mutter, aufgehalten; doch Anfeindungen der kleinstädtischen Bewohner veranlassten ihn bald wieder zum Verlassen der Stadt.
Egon Schiele "Die kleine Stadt" 1912 (Abb. aus: wikipedia.org, gemeinfrei)
Auf dem 1891 angelegten, mit einer drei Meter hohen Mauer umgebenen jüdischen Friedhof – in unmittelbarer Nähe des kommunalen Friedhofs – findet man noch mehr als 100 Grabsteine, die aus der Zeit des frühen 20.Jahrhunderts stammen.
Jüdischer Friedhof in Moravský Krumlov (Aufn. Jitka Erbenova, 2011, aus: commons-wikimedia.org, CC BY-SA 3.0)
In Wettern (tsch. Vetrny, derzeit ca. 3.900 Einw.) – sechs Kilometer südlich von Krummau – ist das Vorhandensein einer jüdischen Gemeinschaft frühestens seit dem 18.Jahrhundert nachgewiesen. Die Begräbnisstätte datiert aus dieser Zeit. Um die Mitte des 19.Jahrhunderts löste sich die Gemeinde fast völlig auf; die verbliebenen Angehörigen schlossen sich der Krummauer Kultusgemeinde an.
Weitere Informationen:
L. Hirsch, Geschichte der Juden in Böhm. Krumau, in: Hugo Gold (Hrg.), Die Juden und Judengemeinden Böhmens in Vergangenheit und Gegenwart I., Brünn/Prag 1934, S. 49/50
The History of the Jews in Böhmisch Krumau, abrufbar unter: jewishgen.org/yizkor/bohemia/boh049.html
Radek Cihlas (Bearb.), Synagoga v Českém Krumlově (Geschichte der Synagoge in Český Krumlov), Aufsatz 2006
Synagogue Český Krumlov - Angaben der Stadtverwaltung Český Krumlov unter: ckrumlov.info/docs/en/atr117.xml