Braunfels (Hessen)
Braunfels ist eine Kleinstadt mit derzeit ca. 11.000 Einwohnern im hessischen Lahn-Dill-Kreis - knapp 15 Kilometer südwestlich von Wetzlar (Ausschnitt aus hist. Karte, aus: wikipedia.org gemeinfrei und Kartenskizze 'Lahn-Dill-Kreis', Andreas Trepte 2007, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 2.5).
Juden in Braunfels lassen sich ab etwa 1500 urkundlich nachweisen; sie sollen nach dem sog. „Fettmilch-Aufstand“ in Frankfurt von dem hier herrschenden Grafengeschlecht Solms-Braunfels im Dorf angesiedelt worden sein.
Die wenigen hier lebenden Familien suchten bis Ende des 17.Jahrhunderts die Synagoge in Leun auf, ehe dann 1697 ein eigener Betraum in einem Privathaus in der Borngasse zur Verfügung stand.
Anm.: In Leun befand sich die älteste Synagoge der Region; die hier bestehende jüdische Gemeinde löste sich aber in der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts auf, deren Synagoge um 1890 abgerissen.
Bereits 1709 hatte der „Hofjud“ Daniel Wolfff – er war Finanzagent des Grafen - im Obergeschoss seines neuerrichteten Hauses einen Betraum eingerichtet; diese „Privatsynagoge“ wurde aber nur etwa 15 Jahre genutzt. Seit den 1720er Jahren gab es im Hintertal eine Synagoge, die dann mehr als ein Jahrhundert existierte.
Ehem. Synagogengebäude (hist. Aufn., aus P. Arnsberg)
Ab den 1850er Jahren diente den Braunfelser Juden eine zur Synagoge umgebaute Scheune am Burgweg als gottesdienstlicher Treffpunkt.
Auszug aus Geburtsregister (1826)
Religiös-rituelle Aufgaben der Gemeinde verrichtete ein angestellter Lehrer.
Stellenangebote aus der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21.5.1876, vom 28.5.1908 und vom 3.4.1924
Für den gesamten Bezirk Braunfels gab es seit Ende des 17.Jahrhunderts eine zentrale jüdische Begräbnisstätte in Burgsolms.
Im Gebiet der Grafen Solms-Braunfels verteilten sich im 18./19.Jahrhundert die jüdischen Familien auf die folgenden Ortschaften: Bonbaden, Braunfels, Burgsolms, Leun, Kraftsolms, Kröffelbach, Münchholzhausen und Oberndorf.
Juden in Braunfels:
--- um 1700 .......................... 7 jüdische Familien,
--- 1843 ............................. 79 Juden,
--- 1876 ............................. 21 jüd. Steuerzahler,
--- 1925/26 .......................... 35 Juden,
--- 1932/33 .......................... 10 jüdische Familien,
--- 1938 ............................. 19 Juden,
--- 1939 ............................. 13 " ,
--- 1942 ............................. keine.
Angaben aus: Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Bd. 1, S. 89
Die Braunfelser Juden waren hauptsächlich als Kleinhändler und Handwerker tätig.
Stellengesuche von Privatpersonen (1903/1916)
Anzeigen der Privatpension Juda (1924/1937)
Während der ersten Jahre der NS-Herrschaft emigrierten die meisten jüdischen Familien von Braunfels in die USA. 1938 hielten sich noch knapp 20 jüdische Bewohner im Ort auf; alsbald darauf löste sich die Gemeinde ganz auf. Während des Novemberpogroms wurde der Synagogenraum demoliert und ausgeräumt; auf eine Inbrandsetzung wurde wegen der feuergefährdeten Nachbargebäude verzichtet;.die Ritualien "verschwanden".
Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des „Gedenkbuches – Opfer der Verfolgung der Juden ...“ sind 15 aus Braunfels und 20 aus Bonbaden stammende oder längere Zeit hier ansässig gewesene jüdische Bewohner der NS-Gewaltherrschaft zum Opfer gefallen; aus Burgsolms und Oberndorf waren es neun und aus Philippstein vier (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/braunfels_synagoge.htm).
Anfang der 1950er Jahre wurde das Synagogengebäude wegen Baufälligkeit abgerissen. Eine Gedenktafel am unteren Burgweg erinnert dort seit 1980 mit den folgenden Worten:
An dieser Stelle stand die Synagoge der Jüdischen Gemeinde zu Braunfels
Verwüstet am 9.11.1938
ZUM GEDENKEN an unsere jüdischen Mitbürger
Hier bleibe ihr Leid unvergessen
Die Bürger der Stadt Braunfels im Jahre 1980
Aufn. Elisabeth Böhrer, 2012
Aus Anlass der 70.Wiederkehr der Reichspogromnacht wurde im Braunfelser Stadtteil Bonbaden eine Gedenktafel angebracht, die an ehemaligen jüdischen Bewohner erinnert; zwölf von ihnen wurden Opfer der „Endlösung“.
Westlich des historischen Ortskerns von Burgsolms befindet sich heute noch ein altes jüdisches Begräbnisgelände mit einer Fläche von mehr als 6.000 m²; es war ehemals der Zentralfriedhof der Gemeinden/Filialgemeinden Braunfels, Burgsolms, Bonbaden, Griedelbach, Kraftsolms, Kröffelbach, Nauborn, Niederbiel, Oberndorf und Tiefenbach.
Jüd. Friedhof in Burgsolms (Aufn. Barnack, 2007, aus: wikipedia.org, CCO)
Weitere Informationen:
Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Societäts-Verlag, Frankfurt/M. 1971, Bd. 1, S. 88 f.
Karl-Heinz Schellenberg, Braunfelser Chronik, Braunfels o.J. (1990 ?)
Studienkreis Deutscher Widerstand (Hrg.), Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung 1933 - 1945. Hessen II Regierungsbezirke Gießen und Kassel, 1995, S. 110/111
Braunfels mit Bonbaden und Philippstein sowie Oberndorf und Burgsolms, in: alemannia-judaica.de (mit diversen Textdokumenten zur jüdischen Ortshistorie)
Gerhild Kirschner (Red.), Jüdische Bürger in Bonbaden - Spurensuche von G. Kirschner, K. Drevenstedt, Ch. Dommert, online abrufbar unter: braunfels.de von 2013 (Anm. mit differenzierten biografischen Angaben zu den einzelnen jüdischen Familien)