Buchsweiler (Elsass)
Das im Unterelsass gelegene Städtchen Buchsweiler mit derzeit ca. 4.000 Einwohnern - westlich von Hagenau/Haguenau gelegen - trägt den franz. Ortsnamen Bouxwiller (Abb. Ausschnitt aus hist. Karte von 1905, aus: wikipedia.org, gemeinfrei).
Bouxwiller auf einer Bildkarte, um 1780 (aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)
Seit dem beginnenden 14.Jahrhundert sind Juden in Buchsweiler urkundlich nachweisbar. Eine aus dem 18.Jahrhundert stammende Synagoge wurde 1842 (oder 1844) durch die Erstellung eines Neubaus ersetzt; im Keller befand sich ein Ritualbad. Zur Finanzierung des Synagogengebäudes hatte auch die Kommune einen Beitrag geleistet.
Synagoge Buchsweiler (Lithographie Hancke)
Hauptstraße mit Synagoge (hist. Karte, aus: alemannia-judaica.de)
Unter den Herren von Hanau-Lichtenberg, die Buchsweiler zeitweise zu ihrer Residenz gemacht hatten, durften sich hier eine Talmudschule (Jeschiwa) und ein jüdischer Gerichtshof (Beith-Din) niederlassen; Bestand hatten diese Einrichtungen bis zur Französischen Revolution.
Anlässlich der Amtseinführung des neuen Rabbiners, Dr. Adolf Singer, erschien in der Zeitschrift "Der Israelit" am 17. Juli 1884 der folgende Beitrag:
"Buchsweiler (Unter-Elsass), 9. Juli. Sonntag, 6. d. fand hier eine Feier statt, die jeden wahren Jehudi mit Stolz und Freude erfüllen muß. Unser neuer Rabbiner, Herr Dr. Adolf Singer, bisher Rabbiner in Niedersept, wurde am genannten Tage feierlich in sein Amt eingeführt. Um 3 Uhr Nachmittags versammelten sich die Mitglieder der hiesigen isr. Gemeinde, alle festtäglich gekleidet, in unserer herrlich geschmückten und beleuchteten Synagoge. Als Gäste waren erschienen: Das Stadtverordneten-Kollegium mit dem Herrn Bürgermeister an der Spitze, der Herr Pastor der hiesigen evang. Gemeinde, der Herr Director des hiesigen Gymnasiums, der Herr Amtsrichter und noch viele andere Honoratioren der hiesigen Stadt, endlich die Herren Cultusvorsteher der zum hiesigen Rabbinatsbezirke gehörigen Gemeinden.
Die Feier begann mit einem Boruch Habo-Gesang, vorgetragen vom hiesigen Kantor. Sodann bestiegen Herr Dr. Singer und das Konsistorialmitglied Herr Isidor Nathan aus Straßburg, als Vertreter des dortigen Konsistoriums zu gleicher Zeit die Kanzel. Herr Nathan verlas die auf die Einsetzung des Rabbiners Bezug habenden Aktenstücke und schloß mit herzlichen Worten der Aufmunterung und mit Segenswünschen für Rabbiner und Gemeinde. Nachdem Herr Nathan die Kanzel verlassen, begann Herr Dr. Singer unter lautloser Stille seine Antrittsrede. Der Redner dankte zuerst in warm empfundenen Worten Gott dafür, daß er ihm beigestanden und gnädiglich seinem Ziele entgegengeführt. Dann sprach er der hohen Regierung, dem isr. Consistoriumund der hiesigen Gemeinde den Dank aus für seine Wahl zum hiesigen Rabbiner, endlich dankte er auch den anwesenden Gästen für ihre Theilnahme.
Nun begann die eigentliche Predigt. Unter Zugrundelegung der Worte des Moses aus dem laufenden Wochenabschnitte 4. Buch Mose, Kap. 27,16 und 16 als Text, entwickelte der Redner in gediegener und formvollendeter Weise die Pflichten eines Leiters der religiösen Angelegenheiten der israelitischen Gemeinde. Die Predigt machte auf alle Zuhörer einen tiefen Eindruck und wurde der Redner beim Verlassen der Kanzel allseitig beglückwünscht. Ein Schlußgesang beendete die Feier in der Synagoge.
Später vereinigte ein Festessen, das die hiesige Gemeinde zur Feier des Tages veranstaltete, einen großen Theil der Festtheilnehmer. Der Herr Rabbiner brachte bei dieser Gelegenheit auf die Einigkeit in der hiesigen Gemeinde einen Toast aus, den er aber zu einem ernsten und geistreichen Vortrage gestaltete. Es folgten noch andere Toaste und erst gegen Abend trennte man sich.
So schloß diese schöne Feier, in in mancher Hinsicht eine Heiligung des Gottesnamens genannt werden kann und die allen Theilnehmern sicherlich noch lange im Gedächtniß bleiben wird. M. Kahn, Lehrer."
Anzeige aus der Zeitschrift „Der Israelit“ vom 4.Juni 1903
Verstorbene wurden auf dem Friedhof bei Ettendorf - dessen Anlage erfolgte um 1575 - beerdigt; dieses Gelände diente auch anderen jüdischen Gemeinden in den Dörfern der Grafen von Hanau-Lichtenberg als zentrale Begräbnisstätte.
jüdischer Friedhof von Ettendorf (Aufn. P., 2012, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)
Juden in Buchsweiler:
--- 1689 ......................... 18 jüdische Familien,
--- 1725 ......................... 31 “ “ ,
--- 1784 ......................... 287 Juden,
--- 1807 ......................... 275 “ ,
--- 1851 ......................... 353 “ ,
--- 1866 ......................... 296 “ ,
--- 1910 ......................... 135 “ ,
--- 1936 ......................... 109 “ ,
--- 1953 ......................... 40 “ ,
--- 1985 ......................... 3 jüdische Familien.
Angaben aus: Max Guggenheim, Les Israélites de Bouxwiller
und Michel Rothé/Max Warschawski, Les synagogues d’Alsace et lieur histoire, S. 31
„Judengasse“ in Buchsweiler (hist. Postkarte, aus: alemannia-judaica.de)
Ihren zahlenmäßigen Zenit erreichte die jüdische Gemeinde in der Mitte des 19.Jahrhunderts. Wie in fast allen Gemeinden des Elsass setzte ab 1860/1870 die Abwanderung jüdischer Familien ein, so auch in Buchsweiler. Zu Beginn des 20.Jahrhunderts hatte sich die Zahl der jüdischen Bewohner auf ca. 140 reduziert; d.h. innerhalb vier Jahrzehnte waren zwei Drittel abgewandert. Die im Ort verbliebenen Juden wurden nach 1940 deportiert; nur wenige kehrten hierher zurück.
Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem wurden 24 aus Bouxwiller stammende Juden Opfer der „Endlösung“ (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/bouxwiller_synagogue.htm).
Während der Kriegsjahre hatte das Synagogengebäude als Produktionsstätte für Verpackungsmaterial gedient. Nach Kriegsende richteten Überlebende hier einen kleinen Betsaal ein, der bis Mitte der 1950er Jahre genutzt wurde. Als die wenigen Familien das Synagogengebäude nicht mehr unterhalten konnten, sollte es abgerissen werden. Daraufhin gründete man die „Association des Amis du Musée Judeo-Alsacien de Bouxwiller“ mit der Zielsetzung, hier ein Museum einzurichten. Im Jahre 2000 konnte dieser Plan realisiert werden: Im „Musée Judeo-Alsacien de Bouxwiller“ wird heute über die jahrhundertalte jüdische Geschichte und Kultur der Region informiert.
Ehemalige Synagoge vor und nach der Sanierung (Aufn. Olivier Lévy, 2007, aus: commons.wikimedia.org, CC BY 2.5)
Innenansicht (Aufn. Ralph Hammann, 2014, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)
und Modell der Synagoge
In Bouxwiller wurden bislang an fünf Standorten insgesamt acht sog. „Stolpersteine“ verlegt, die an ehemalige jüdische Einwohner erinnern, die deportiert und ermordet wurden.
In Weinburg (frz. Weinbourg, derzeit ca. 450 Einw.) gab es seit der Zeit des 18.Jahrhunderts eine kleine israelitische Gemeinde; die Zahl ihrer Angehörigen erreichte mit ca. 70 Personen ihren Höchststand um 1850. Gegen Ende des 19.Jahrhunderts löste sich die Gemeinde völlig auf, nachdem fast alle Familien das Dorf verlassen hatten. Das Synagogengebäude wurde noch vor 1900 verkauft und fortan zu Wohnzwecken genutzt.
Die Gemeinde hatte zum Bezirksrabbinat von Buchsweiler gehört.
Weitere Informationen:
Michel Rothé/Max Warschawski, Les synagogues d’Alsace et lieur histoire, Jerusalem 1992
Max Guggenheim, Les Israélites de Bouxwiller, online abrufbar unter: sdv.fr/judaisme/synagog/basrhin
Bouxwiller. Musée judéo-alsacien (Kurzinformation)
Bouxwiller, in: alemannia-judaica.de (mit Text- und zahlreichem Bildmaterial zur jüdischen Ortshistorie)
Auflistung der in Bouxwiller verlegten Stolpersteine, online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_im_Département_Bas-Rhin#<Bouxwiller
Ville de Bouxwiller (Red.), Stolpersteine de Bouxwiller, online abrufbar unter: bouxwiuller.eu (Karte mit Verlegestandorten)
Weinbourg, in: alemannia-judaica.de
Volker Knopf (Red.), Hopfenhändler und Hollywood-Stars im Museum, in: „Die Rheinpfalz“ vom 4.9.2021