Bunzlau (Schlesien)

File:Schlesien Kr Bunzlau.pngPOL Bolesławiec map.svgDie niederschlesische ‚Töpferstadt’ Bunzlau - nordöstlich von Görlitz gelegen - ist das heutige poln. Boleslawiec mit derzeit ca. 39.000 Einwohnern (Ausschnitt aus hist. Landkarte von 1905, aus: wikipedia.org, gemeinfrei und Kartenskizze 'Polen' mit Boleslawiec rot markiert, K. 2005, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Bereits im ausgehenden 12.Jahrhundert haben sich vermutlich Juden in Bunzlau aufgehalten; darauf weisen Unterlagen hin, wonach die Stadtbürger jüdische Geldverleiher in Anspruch nahmen, um den Bau der Stadtbefestigung zu finanzieren. Als Gegenleistung soll ihnen hier eine Niederlassung erlaubt worden sein. Seit der zweiten Hälfte des 14.Jahrhunderts lassen sich Juden in Bunzlau dann zweifelsfrei nachweisen. Trotz mehrfacher Ausweisungen konnten sie immer wieder in die Stadt zurückkehren; hier lebten sie in der „Judengasse“, die mehr als 30 Häuser zählte. Mitte des 15.Jahrhunderts erfolgte dann ihre endgültige Vertreibung aus Bunzlau; sie teilten damit das Schicksal ihrer schlesischen Glaubensgenossen.

Es dauerte dann fast vier Jahrhunderte, ehe sich wieder jüdische Familien in Bunzlau ansiedeln konnten. Um 1815 gründeten jüdische Neuankömmlinge eine Kultusgemeinde, die gegen Ende des 19.Jahrhunderts immerhin fast 200 Angehörige zählte. Als erste gemeindliche Einrichtung wurde 1817 ein Friedhof an der Opitzstraße eingerichtet; etwa ein halbes Jahrhundert später errichtete man auf dem Gelände ein Taharahaus. In den 1920er Jahren soll ein neuer israelitischer Friedhof in der Löwenberger Straße angelegt worden sein.

Ein Synagogenneubau - aus roten Ziegelsteinen gefertigt und mit einer Kuppel versehen - wurde im September 1878 auf einer Freifläche in der Niklasvorstadt nahe der Promenade des Odeonteiches eingeweiht; er löste eine um 1825 in einem Privathause eingerichtete Betstube am damaligen Kirchplatz ab. Initiator des Synagogenbaus war der Kaufmann Israel Hülse, Hauptgeldgeber der Bankier Sachs.

  https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/6/6c/Boles%C5%82awiec_Synagogue.jpg

  Synagoge (hist. Postkarte, aus: pl.wikipedia.org gemeinfrei  und  hist. Aufn., um 1900)

Der aus dem mährischen Austerlitz stammende Moritz Tintner (1843-1906) war viele Jahre als Kantor, Prediger und Lehrer in der jüdischen Gemeinde Bunzlau tätig. Tintner veröffentlichte zahlreiche Aufsätze über das Erziehungswesen und den Gemeindegesang im jüdischen Gottesdienst.    

Juden in Bunzlau:

         --- 1822 ..........................  21 Juden,

    --- 1840 ..........................  80   “  ,

    --- 1849 ..........................  99   “  ,

    --- 1858 .......................... 114   “  ,

    --- 1864 .......................... 149   “  ,

    --- 1880 .......................... 194   “  ,

    --- 1890 .......................... 175   “  ,

    --- 1925 .......................... 103   “  ,

    --- 1938 ...................... ca.  65   “  ,

    --- 1942 ..........................  keine.

Angaben aus: The Encyclopedia of Jewish Life before and during the Holocaust (Vol. 1), S. 221

Rathaus von Bunzlau, um 1885 (aus: wikipedia.org, gemeinfrei)

 

Bis Anfang der 1930er Jahre zählte die Gemeinde immerhin noch ca. 100 Mitglieder, obwohl zahlreiche Familien aus wirtschaftlichen Gründen Bunzlau verlassen hatten und in größeren Städten innerhalb Deutschlands eine neue Existenz aufzubauen hofften

Nach den Gewalttätigkeiten während der „Kristallnacht“ - jüdische Geschäfte wurden demoliert und das Synagogengebäude in Brand gesetzt - verließen fast alle Juden ihre Heimatstadt; über deren weitere Schicksale liegen kaum Informationen vor. Im Jahre 1941 soll Bunzlau „judenrein“ gewesen sein.

Nur acht jüdische Personen, die den Holocaust überlebt hatten, kehrten nach Kriegsende in ihre Heimatstadt zurück.

Im Kreis Bunzlau gab seit Sommer 1941 ein Zwangsarbeiterlager für männliche Juden; ein Jahr später wurde ein solches für jüdische Frauen eingerichtet. Seit Mai 1944 war das Männerlager in das Lagersystem des KZ Groß-Rosen integriert.

 

Dort, wo ehemals das Synagogengebäude stand, befindet sich heute eine Grünfläche. 

Vom jüdischen Friedhof findet man ebenfalls keine Überreste mehr; seit 1944 ist es eine unbebaute Fläche, nachdem Grabsteine und Friedhofsmauer niedergelegt worden waren. Im hiesigen Museum wird ein einziger Grabstein vom ehemaligen jüdischen Friedhof aufbewahrt; er stammt aus dem Jahre 1827.

 

 

 

Datei:Schlesien Kr Sprottau - Sagan.png Im ca. 40 Kilometer nördlich von Bunzlau gelegenen Sprottau / poln. Szprotawa (Ausschnitt aus hist. Karte von 1905, aus: wikipedia.org, gemeinfrei) ist jüdisches Leben erstmals im ausgehenden 14.Jahrhundert dokumentiert, demnach sollen die Familien damals in der „Judengasse“ gelebt haben. Nach ihrer Vertreibung gab es in Sprottau dann über mehrere Jahrhunderte hinweg keine jüdische Ansiedlung; erst im beginnenden 19.Jahrhundert ließen sich wieder Juden hier nieder und bildeten in der Folgezeit eine kleine Kultusgemeinde; diese setzte sich um 1890 aus ca. 90 Mitgliedern zusammen. Infolge von Abwanderung dezimierte sich diese Zahl jedoch bald: 1925 gehörten ihr 44 und 1933 nur noch 37 Personen an. In der Pogromnacht wurden das Bethaus in Brand gesetzt und die wenigen jüdischen Geschäfte demoliert. Über das Schicksal der im Mai 1939 in Sprottau noch verbliebenen 13 Juden ist nichts bekannt. Der aus dem späten 19.Jahrhundert stammende jüdische Friedhof weist auf Grund der Zerstörungen in der NS-Zeit nur noch einige Grabsteine bzw. -fragmente auf.

Szprotawa-cmentararz1.JPG Szprotawa - cmentarz żydowski

verwahrlostes Friedhofsgelände (Aufn. 2006, aus: wikipedia.org, CCO) - Grabanlage der Fam. Oppenheimer (Aufn. Joanna Majorczyk, aus: kirkuty.xip.pl)

 

 

 

Nur wenige Kilometer westlich von Sprottau liegt Sagan/Bober (poln. Zagan, derzeit ca. 26.000 Einw.); hier sollen Juden vom beginnenden 13.Jahrhundert bis zu ihrer Vertreibung im Jahre 1462 gelebt haben. Eine neuzeitliche Gemeinde gründete sich erst zu Beginn des 19.Jahrhunderts; in den 1880er Jahren zählte diese etwa 170 Köpfe. Neben einem um 1815 eröffneten Friedhof am Heideberg besaß die Gemeinde seit 1857 eine Synagoge, die in einem alten Festungsturm untergebracht war. Der letzte Gottesdienst soll hier 1930 abgehalten worden sein.

Synagoge in Sagan (hist. Aufn.)

Juden in Sagan:

--- 1880 ........................ 170 Juden,

--- 1905 ........................ 113   “  ,

--- 1929 ........................  97   “  ,

--- 1933 .................... ca.  80   “  ,

--- 1937 .................... ca.  30   “  ,

--- 1939 ........................   7   “  .

Angaben aus: The Encyclopedia of Jewish Life before and during the Holocaust, Vol. 2, S. 1118

Anfang der 1930er Jahre gehörten der Gemeinde knapp 100 Menschen an. Während der Novembertage 1938 wurden Synagogengebäude und Läden jüdischer Eigentümer niedergebrannt; zum damaligen Zeitpunkt lebten nur noch etwa 30 Juden in Sagan; ein Jahr später waren es nur noch sieben Personen. Über deren Schicksale ist nichts bekannt.

1940/1941 befand sich in Sagan ein Zwangsarbeitslager; hier mussten jüdische Frauen in einer Textilfabrik bzw. beim Bahnbau arbeiten.

vgl. Sagan/Bober (Schlesien)

 

 

 Im ca. 20 Kilometer östlich von Görlitz bzw. südwestlich von Bunzlau gelegenen Lauban (poln. Luban, derzeit ca. 21.000 Einw.) gab es nach 1850 eine kleine jüdische Gemeinschaft, die aber kaum mehr als 60 - 80 Mitglieder zählte. Ab Anfang der 1930er Jahre gehörten die wenigen jüdischen Familien der Görlitzer Kultusgemeinde an. Bei Kriegsbeginn hielten sich nach ca. 20 Personen mosaischen Glaubens im Ort auf. Einige wurden ins nahe Tormersdorf (in den Martinshof) verbracht, wo ein Arbeitslager für Juden eingerichtet worden war; ihr weiteres Schicksal ist unbekannt.

An der Rückfront eines Ziegelbaues in Luban ist heute noch ein am Giebel gemauerter Davidstern zu sehen; ob das Haus früher als Synagoge gedient hat, ist nicht absolut sicher.

                                Vermutlich ehem. Betraum der Gemeinde (?)

Dort, wo sich ehemals die jüdische Begräbnisstätte befand, ist heute ein parkähnliches Waldgelände anzutreffen.

                  

 

 

Weitere Informationen:

E. Wernicke, Chronik der Stadt Bunzlau, Bunzlau 1884

The Encyclopedia of Jewish Life before and during the Holocaust (Vol. 1), New York University Press, Washington Square, New York 2001, S. 221/222, Vol.2, S. 709 und S. 1118 (Sagan) und Vol. 3, S. 1229

K. Bielawskie, BOLESŁAWIEC (BUNZLAU), in: kirkuty.xip.pl

The Jewish community of Boleslawiec, in: Beit Hatfutsot – The Museum of the Jewish People, online abrufbar unter: dbs.bh.org.il/place/boleslawiec

aufgeführte einzelne Gemeinden in: sztetl.org.pl