Dormagen-Zons (Nordrhein-Westfalen)
Dormagen mit derzeit ca. 65.000 Einwohnern ist eine Stadt im Rhein-Kreis Neuss – unmittelbar angrenzend an Köln und die Landeshauptstadt Düsseldorf (Kartenskizze 'Rhein-Kreis Neuss', TUBS 2008, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).
Einzelne Juden lassen sich erstmals bereits im 11.Jahrhundert in der Region Dormagen nachweisen. Den Pestverfolgungen des Jahres 1349 soll auch die Judenschaft Dormagens zum Opfer gefallen sein. Erst in der zweiten Hälfte des 17.Jahrhunderts können wieder einzelne jüdische Bewohner in Dormagen urkundlich belegt werden.
Seit ca. 1760 soll am Ort eine Synagoge bestanden haben; doch kann man wohl davon ausgehen, dass die in Dormagen lebenden jüdischen Bewohner die Zonser Synagoge besuchten, die im Oktober 1828 eingeweiht worden war. Zusammen mit Zons bildete Dormagen eine Synagogengemeinde, wobei Zons zunächst die zahlenmäßig größere jüdische Gemeinschaft besaß; offiziell gehörten die Juden aus Dormagen und aus Zons der Synagogengemeinde Neuss an. Seit 1912 gab es im Dachgeschoss eines Privathauses in der Kölner Straße in Dormagen einen Betraum, in dem kaum 20 Männer Platz fanden. Für die Frauen gab es eine abgetrennte, durch zwei Stufen leicht erhöhte separate Empore.
Der jüdische Friedhof in Zons (an der Nievenheimer Straße in der Zonser Heide) wurde mindestens seit 1771 – aus diesem Jahr stammt der älteste Grabstein – belegt. Ob dieses Areal mit einem bereits gegen Mitte des 17.Jahrhundert erwähnten Begräbnisplatz identisch ist, kann nicht nachgewiesen werden. Nach mehrfachen Schändungen wurde im Jahre 1925 eine Mauer um den Friedhof gezogen, die von in den USA lebenden Nachkommen jüdischer Zonser gestiftet wurde. Das Eingangstor trägt die Aufschrift: „Diese Mauer wurde errichtet im Jahre 1925, gestiftet zum Andenken an ihre Eltern von Julius und Bernhard Lichtenstein, New York“.
Eingangstor zum jüdischen Friedhof in Zons (Aufn. K. u. B.Limburg, 2011, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0)
Die Existenz eines jüdischen Friedhofs in Dormagen an der Krefelder Straße kann seit Anfang der 1860er Jahre urkundlich nachgewiesen werden.
Aus dem Jahre 1819 stammte die sog. „Dormagener Ritualmordlegende“, die durch die Delhovensche „Rheinische Dorfchronik“ überliefert ist. Danach wurde das Verschwinden und der Tod eines siebenjährigen Christenmädchens einem hiesigen Juden angelastet.
Juden in Dormagen Juden in Zons
--- 1843 ............. 30 Juden, ............ 93 Juden,
--- 1852 ............. 34 “ , ............ 88 “ ,
--- 1861 ............. 44 “ , ............ 73 “ ,
--- 1887 ............. 47 “ , 1895 ............ 29 “ ,
--- 1910 ............. 49 “ , 1905 ............ 20 “ ,
--- 1933 ............. 34 “ , 1925 ............ 15 “ ,
--- 1941 ............. 24 “ , 1932 ............ 2 Familien.
--- 1942 ............. keine .
Angaben aus: Heinz A. Pankalla, Zur Geschichte der jüdischen Mitbürger u. der Synagogengemeinde Zons-Dormagen
und Elfi Pracht-Jörns, Jüdisches Kulturerbe in Nordrhein-Westfalen,Teil II: Reg.bez. Düsseldorf, S. 428 - 432
Die Dormagener und Zonser Juden waren zumeist als Kaufleute und Krämer tätig.
Kaufhaus David Dahl in Dormagen (hist. Aufn. aus: Archiv Breimann)
Zu Beginn des 20.Jahrhunderts ging die Zahl der jüdischen Gemeindemitglieder zurück; die Auflösung der kleinen Gemeinde Dormagen beschleunigte sich Mitte der 1930er Jahre mit der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Diskriminierung ihrer Angehörigen.
Zu Beginn der NS-Zeit waren in Dormagen 34 Juden gemeldet. In einem Bericht vom Juni 1934 schrieb der Amtsbürgermeister an den Landrat: „ ... Hier wohnen nur wenige Juden, in der Hauptsache Gewerbetreibende, die überhaupt nicht in Erscheinung treten und sehr zurückhaltend leben.” 1935 kam es in Anwesenheit zahlreicher Schüler zu einer „Demonstration“ vor dem Geschäftshaus dem jüdischen Unternehmers Katz, der aufgefordert wurde, den Ort umgehend zu verlassen. Ab Mitte der 1930er Jahre verzogen jüdische Familien in umliegende Städte (Düsseldorf/Köln), einige emigrierten.
Während des Pogroms wurden in der Nacht vom 9./10.November 1938 in Dormagen auf „höhere Anweisung“ Gewalttätigkeiten gegen Wohnungen bzw. Geschäftshäuser Dormagener Juden begangen. Einzelne jüdische Männer wurden vorübergehend im Rathauskeller inhaftiert. Im Gefolge der „Entjudung“ des Grundbesitzes wurden 1941 die wenigen noch in Dormagen lebenden Juden aus ihren Häusern ausgewiesen. Die letzten in Dormagen lebenden jüdischen Bürger wurden im Spätherbst 1941 ins Ghetto Riga bzw. nach Theresienstadt deportiert. Im Mai 1942 meldete der Amtsbürgermeister in einem Schreiben an den Landrat: „ ... Es wird Fehlanzeige erstattet, da im hiesigen Bezirk keine Juden mehr wohnhaft sind.”
Von den ca. 35 jüdischen Innenstadt-Bewohnern gelang acht die Flucht ins Ausland, 23 fanden einen gewaltsamen Tod in Ghettos in Polen und in Auschwitz; nur zwei sollen überlebt haben.
In einem nach Kriegsende geführten Prozess gegen verantwortliche Tatbeteiligte an der ‚November-Aktion’ in Dormagen standen der damalige Amtsbürgermeister Wilhelm Möllers und der NSDAP-Ortsgruppenleiter Behnke vor Gericht; sie gaben an, gegen ihre persönliche Überzeugung nur auf Anweisung der NSDAP-Kreisleitung des Landratsamtes gehandelt zu haben. Diese Version wurde durch die Tatsache gestützt, dass aus Neuss stammende SA- bzw. NSDAP-Angehörige nach Dormagen gekommen waren, um hier gewaltsam gegen jüdische Geschäfte vorzugehen.
2013 wurde am historischen Rathaus von Dormagen eine stählerne Stele mit einer Gedenktafel für die vom Nationalsozialismus verfolgten, vertriebenen und ermordeten Mitbürger errichtet. Auf der Tafel sind die Namen und Wohnorte der bisher in Dormagen bekannten NS-Opfer verzeichnet.
Auf dem jüdischen Friedhof in Dormagen (Krefelder Straße), auf dem noch ca. 30 Grabsteine zu finden sind, erinnert heute ein Gedenkstein an die kleine jüdische Gemeinde mit den folgenden Worten:
Zum Gedenken an unsere Brüder und Schwestern der Jüdischen Gemeinde Dormagen,
den Opfern des Nazi-Regimes, welche sterben mußten für ihren heiligen Glauben in den Jahren 1933 - 1945
Namentliche Nennung der Opfer siehe: denkmalprojekt.org/2017/dormagen_juedisches-denkmal_rhein-kreis-neuss_nrw.html
Jüdischer Friedhof Dormagen (Aufn. wiki.genealogy.net und K. u. B. Limburg, 2011, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)
In Zons, einem heutigen Stadtteil Dormagens, sind erstmals jüdische Bewohner gegen Ende des 15.Jahrhunderts nachweisbar; vermutlich hielten sich Juden aber bereits im 13.Jahrhundert im Ort auf. In den Memorbüchern von Deutz und Bergheim wird auch Zons im Zusammenhang des Pestpogroms von 1348/49 genannt.
Zons, Merian-Stich um 1650 (Abb. aus: wikipedia.org, gemeinfrei)
Ein jüdischer Friedhof „Am Judenberg“ ist aus der zweiten Hälfte des 17.Jahrhunderts belegt; der älteste erhaltengebliebene Grabstein stammt aus dem Jahr 1771. Eine Synagoge wird in Zons erstmalig 1720 erwähnt; 1828 wurde in der Lindenstraße ein neues Synagogengebäude eingeweiht, das auch von den Juden aus Dormagen, Hackenbroich und Stürzelberg aufgesucht wurde. Bis ins letzte Drittel des 19.Jahrhunderts war die Zahl der in Zons lebenden Juden stets größer als die in Dormagen; in den 1920er Jahren lebten nur noch zwei Familien in Zons; alle anderen waren inzwischen abgewandert. Nach 1910 fanden in der Synagoge von Zons nur noch sporadisch Gottesdienste statt; das völlig marode Gebäude soll in den 1930er Jahren abgebrochen worden sein.
In den 1990er Jahren wurde der bis dahin stark vernachlässigte jüdische Friedhof in Zons (Nievenheimer Straße) wieder hergerichtet; hier befinden sich 25 Grabsteine und zahlreiche -fragmente.
Jüdischer Friedhof in Zons (Aufn. K. u. B. Limburg, 2011, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)
Seit 2005 werden in Dormagen sog. „Stolpersteine“ verlegt; die Initiative ging dabei vornehmlich von Schüler/innen der weiterführenden Schulen aus. In den vergangenen Jahren sind im Stadtgebiet Dormagen insgesamt 39 Steine (davon 33 in der Innenstadt) verlegt worden (Stand 2023), um an Dormagener Bürger zu erinnern, die in der NS-Zeit verfolgt, vertrieben und ermordet wurden. Zudem zeigt eine Gedenktafel neben dem Historischen Rathaus in der Innenstadt die genauen Standorte der verlegten Steine.
Einige sog. „Stolpersteine (Abb. aus: wiki-de.genealogy.net/Datei:Dormagen-Stolperstein)
verlegt in der Kölner Straße (Aufn. Jakob Gottfried, 2022, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 2022)
Weitere Informationen:
Klaus H.S. Schulte, Dokumentation zur Geschichte der Juden am linken Niederrhein seit dem 17.Jahrhundert, in: "Veröffentlichungen des Historischen Vereins für den Niederrhein ...", Band 12, Verlag L.Schwann, Düsseldorf 1972, S. 35/36 und S. 221 - 224
Heinz A. Pankalla, Zur Geschichte der jüdischen Mitbürger und der Synagogengemeinde Zons-Dormagen, in: "Historisches Jahrbuch der Stadt Dormagen 1985", S. 10 - 59.
Stefan Rohrbacher, Die Hep-Hep-Krawalle und der Ritualmord des Jahres 1819 zu Dormagen, in: R.Erb/M.Schmidt (Hrg.), Antisemitismus und deutsche Geschichte, Berlin 1987, S. 135 – 147
Dieter Peters, Land zwischen Rhein und Maas / Land tussen Rijn en Maas. Genealogische Daten von jüdischen Friedhöfen in der ehemaligen Rheinprovinz und in der niederländischen Provinz Limburg, Kleve 1993, S. 282 f.
Michael Brocke (Hrg.), Feuer an dein Heiligtum gelegt - Zerstörte Synagogen 1938 Nordrhein-Westfalen, Ludwig Steinheim-Institut, Kamp Verlag, Bochum 1999, S. 104 und S. 595
Elfi Pracht-Jörns, Jüdisches Kulturerbe in Nordrhein-Westfalen: Teil II: Regierungsbezirk Düsseldorf, J.P.Bachem Verlag, Köln 2000, S. 427 - 435
Dormagen. Mit den Namen erinnern, abrufbar unter: rp-online.de vom 2.11.2006 (betr. Stolpersteine in Dormagen)
Dormagen – jüdisches Denkmal auf dem jüdischen Friedhof, online abrufbar unter: denkmalprojekt.org/2017/dormagen_juedisches-denkmal_rhein-kreis-neuss_nrw.html
Carina Wernig (Red.), Stolperstein-Stele erinnert an NS-Opfer, in: „NGZ - Neuß-Grevenbroicher Zeitung“ vom 16.10.2013
Stephan Zöller (Red.), Gedenken in Dormagen – 39 Stolpersteine sollen erinnern, in: „NGZ – Neuß-Grevenbrroicher Zeitung“ vom 29.12.2020
Auflistung der in Dormagen verlegten Stolpersteine, online abrufbar unter: commons.wikimedia.org/wiki/Category:Stolpersteine_in_Dormagen?uselang=de
Eduard Breimann (Red.), Das Leid und Überleben der jüdischen Mitbürger, in: „Neuß-Grevenbroicher Zeitung“ vom 26.10.2023
Eduard Breimann (Red.), Die Friedhöfe jüdischer Mitbürger und ihre Grabkultur, in: „Neuß-Grevenbroicher Zeitung“ vom 22.11.2023
Andrea Lemke (Red.), Erinnerungen bewahren und lebendig halten – Auf den Spuren jüdischer Geschichte in Dormagen: Vera Strobel, in: „Neuß-Grevenbroicher Zeitung“ vom 7.9.2024