(Bad) Camberg (Hessen)

Datei:Bad Camberg in LM.svg Bad Camberg ist mit derzeit ca. 14.000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt im westhessischen Landkreis Limburg-Weilburg - etwa 30 Kilometer nördlich der Landeshauptstadt Wiesbaden bzw. 20 Kilometer südöstlich der Kreisstadt Limburg (Lahn) gelegen (Ausschnitt aus hist. Karte von 1905, aus: wikipedia.org, gemeinfrei  und  Kartenskizze 'Landkreis Limburg-Weilburg', Hagar 2011, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Camberg besaß im Laufe des 19.Jahrhunderts eine der größten jüdischen Gemeinden im Kreis Limburg-Weilburg.

Möglicherweise haben sich bereits um 1465 Juden in Camberg aufgehalten; ob dauerhaft oder nur vorübergehend, ist nicht belegbar. In den 1570er Jahren und während der Zeit des Dreißigjährigen Krieges lebten dann nachweislich einige jüdische Familien in Camberg; in den Jahrzehnten danach sollen weitere zugezogen sein. Die unter landesherrlichem Schutz stehenden Juden lebten zunächst von der Landwirtschaft und dem Schacherhandel.

Ein früher als Brauhaus genutztes Gebäude in der Schmiedgasse diente der Gemeinde seit Ende der 1830er Jahre als Synagoge; von 1773 bis 1838 hatte ein kleines unscheinbares Fachwerkhaus in der Hainstraße als jüdische „Schule“ (=Gebetsraum) gedient. Das Haus in der Hainstraße blieb weiter im Besitz der Gemeinde und diente fortan als Schule und Wohnhaus des Lehrers; im Keller (später im Erdgeschoss) befand sich die Mikwe.

Zur Besorgung religiöser Aufgaben hatte die Gemeinde einen Lehrer angestellt, der die Kinder in Hebräisch und im Fache Religion unterwies; gemeinsam mit den christlichen besuchten die jüdischen Kinder die lokale Elementarschule.

   

Synagoge in Camberg (Abb. aus: P. Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden ...)   -   Innenansicht (Aufn. aus: „CV-Zeitung“, März 1924)   

                 Stellenangebot aus: "CV-Zeitung" vom März 1924

Der jüdischen Gemeinde Camberg - sie war dem Rabbinatsbezirk Wiesbaden angeschlossen - gehörten auch die wenigen Juden aus Eisenbach, Steinfischbach und Walsdorf an. Neben einem kleinen älteren Friedhof gab es in Camberg auch eine etwas größere jüdische Begräbnisstätte; beide Areale lagen nahe des kommunalen Friedhofs an der Kapellenstraße.

Juden in (Bad) Camberg:

--- um 1665 ....................... 31 Juden (in fünf Familien),

--- 1726 .......................... 10 jüdische Familien,

--- 1780 ..........................  5     “        “   ,

--- 1822 .......................... 44 Juden,

--- 1843 .......................... 82   “  ,

--- 1871 ......................... 102   “  ,

--- 1880 ......................... 115   “  (ca. 5% d. Bevölk.),

--- 1900 .......................... 86   “  ,

--- 1905 .......................... 76   “  ,

--- 1925 .......................... 72   “  ,

--- 1933 .......................... 63   “  ,

--- 1936 ..........................  6 jüdische Familien,

--- 1937 .......................... 69 Juden,

--- 1939 .......................... 20   “  ,

--- 1942 (Dez.) ................... keine.

Angaben aus: Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Bd. 1, S. 108

und                 Caspar Hofmann, Die Juden in Camberg im 19. und 20.Jahrhundert

 

Die Juden Cambergs lebten zumeist in eher bescheidenen Verhältnissen; sie verdienten ihren Lebensunterhalt im Pferdehandel, Fruchthandel und im Handel mit Kleinwaren.

eine gewerbliche Anzeige von 1891 http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20165/Camberg%20Israelit%2014051891.jpg

http://static0.akpool.de/images/cards/53/534244.jpg Marktplatz - hist. Postkarte (aus: Verein Hist. Camberg)

Von gewalttätigen Ausschreitungen gegen Nazi-Gegner Anfang August 1933 waren auch einige jüdische Einwohner betroffen, die von der SS vor der aufgeputschten Menge „in Schutzhaft“ genommen wurden. Im Juli 1935 verwarnte der Bürgermeister fünf jüdische Geschäftsleute unter Androhung eines Zwangsgeldes, „vorübergehende Leute auf der Straße anzuhalten und zu versuchen mit ihnen Geschäfte zu machen”. Bereits in den ersten Jahren der NS-Herrschaft verließen jüdische Familien Camberg; sie zogen in andere deutsche Städte oder wanderten aus; 1937 lebten nur noch sechs Familien im Orte. Während der „Kristallnacht“ zerstörten SS-Angehörige den Innenraum der Synagoge in der Schmiedgasse; anschließend wurden die Außenmauern niedergerissen. Zudem plünderten und demolierten Nationalsozialisten Privat- und Geschäftshäuser jüdischer Einwohner. Auch die beiden jüdischen Begräbnisplätze in der Kapellenstraße wurden geschändet. Die letzte in Camberg wohnende jüdische Familie wurde - zusammen mit anderen aus der Umgebung - im Juni 1942 via Frankfurt/M. deportiert.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem wurden 39 gebürtige bzw. längere Zeit in Camberg ansässig gewesene jüdische Bewohner Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft; weitere fünf aus Steinfischbach und acht aus Eisenbach stammende Juden/Jüdinnen fielen ebenfalls der "Endlösung" zum Opfer (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/camberg_synagoge.htm).

 

Beide jüdische Friedhöfe in Bad Camberg sind bis heute erhalten geblieben; die Areale machen einen gepflegten Eindruck.

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20226/Bad%20Camberg%20Friedhof%20205.jpghttp://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20226/Bad%20Camberg%20Friedhof%20213.jpg

Ansichten vom alten und neuen jüdischen Friedhof in Bad Cambach (Aufn. J. Hahn, 2009)

In der Schmiedgasse erinnert seit 1980 eine Gedenktafel an das in der Pogromnacht zerstörte jüdische Gotteshaus; die Inschrift lautet:

Hier stand von 1838 bis zur Kristallnacht 1938

die Synagoge der Israelitischen Gemeinde

Auf Initiative des "Vereins Historisches Camberg" wurde 1991 eine bronzene Tafel angebracht:

Und haben bis zum Grunde alle Stätten deines Namens entweiht. Psalm 74, 7b

Auf der Hoffläche dieses Anwesens stand die Camberger Synagoge.

In der Pogromnacht am 09. November 1938 wurde die Synagoge geschändet. Zu diesem Zeitpunkt lebten 69 jüdische Mitbürger in unserer Stadt. Einige konnten noch rechtzeitig auswandern, andere wurden in Konzentrationslagern ermordet. Das Schicksal von vielen ist ungewiß. 1945, am Ende der Naziherrschaft, lebten keine jüdischen Mitbürger mehr in Camberg.

Möge diese Tafel mahnen, zu allen Zeiten und unter allen Bedingungen, für das Recht und die Würde aller Menschen einzustehen.

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20226/Bad%20Camberg%20Synagoge%20150.jpg Abb. J. Hahn, 2009

 

Im Jahre 2014 wurden vor sieben Häusern 13 sog. „Stolpersteine“ in den Bürgersteig eingelassen, die an ehemalige jüdische Bewohner Bad Cambergs erinnern; im darauffolgenden Jahr verlegte man weitere sieben Steine, die Opfern der „Euthanasie“ gewidmet sind. Derzeit findet man im Stadtgebiet von Bad Camberg insgesamt mehr als 30 messingfarbene Steinquader (Stand 2023)

Stolperstein Bad Camberg Frankfurter Str. 8 Pauline Bachenheimer.jpgStolperstein Bad Camberg Frankfurter Str. 8 Seligmann Bachenheimer.jpg  Stolperstein Bad Camberg Neumarkt 11 David Liebmann.jpgStolperstein Bad Camberg Neumarkt 11 Johanna Liebmann.jpg

verlegt in der Frankfurter Str. und Neumarkt (Aufn. Gmbo, 2015, aus: commons.wikimedia.org, CCO)

Der „Verein Historisches Camberg“ und die Stadt haben die ehemalige alte „Judenschule“ in der Hainstraße – ein aus den 1730er Jahren stammendes unscheinbares, nur knapp sechs Meter breites Fachwerkhaus - „als Bürgerprojekt“ erworben, saniert und zum Kulturdenkmal ausgebaut; die feierliche Eröffnung fand im Mai 2015 statt

  Alte jüdische Schule | Stadt Bad Camberg

Bauskizze: Ehem. Jüdische Schule (aus: Verein Historisches Camberg) und aktuelle Aussehen (Aufn. aus: bad-camberg.de)

 

 

 

In Steinfischbach – heute Ortsteil der Kommune Waldems wenige Kilometer östlich von Bad Camberg - gab es bis zu Beginn des 20.Jahrhunderts eine winzige jüdische Gemeinde, die kaum mehr als 30 Angehörige umfasste. Vermutlich hatten sich diese bereits um 1850 der Gemeinde Camberg angeschlossen, hielten aber trotzdem eigene Gottesdienste ab. Die wenigen jüdischen Kinder erhielten von einem „Wanderlehrer“ aus Idstein religiöse Unterweisung. Auch ein eigenes Begräbnisareal nördlich des Ortes gab es seit dem 19.Jahrhundert. 1907 wurde schließlich die kleine Gemeinde aufgelöst; die verbliebenen Juden schlossen sich nun endgültig der Camberger Kultusgemeinde an.

In den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg lebte dann nur noch eine einzige jüdische Familie in Steinfischbach. Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..."  fanden fünf gebürtige bzw. länger im Dorf wohnhaft gewesene Juden in der NS-Zeit einen gewaltsamen Tod (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/steinfischbach_synagoge.htm).

Sieben Grabsteine, deren Inschriften heute nicht mehr lesbar sind, findet man auf dem alten jüdischen Begräbnisplatz an der Camberger Straße in Steinfischbach; vermutlich hat hier die letzte Beisetzung gegen Ende des 19.Jahrhunderts stattgefunden.

Jüdischer Friedhof Steinfischbach (Aufn. K. Ratzke, 2012, aus: wikipedia.org, CCO)

 

 

 

In Hasselbach (heute Ortsteil der Kommune Weilrod mit derzeit ca. 1.000 Einwohnern, etwa15 Kilometer nordöstlich von Bad Camberg gelegen) erinnert in der Flur „Oberm Kesselborn“ ein kleinflächiges Begräbnisgelände am westlichen Ortsrand daran, dass hier einst jüdische Bewohner zu Hause waren. Auf dem 1633 erstmals erwähnten Friedhof befinden sich heute noch fünf Grabsteine aus dem ausgehenden 19.Jahrhundert. Eine Gemeinde am Ort hat es wegen der geringen Zahl der hier ansässigen jüdischen Familien zu keiner Zeit gegeben; vielmehr gehörten die jüdischen Dorfbewohner der israelitischen Gemeinde Camberg bzw. der von Laubuseschbach an. Gegen Mitte des 19.Jahrhundert erreichte die jüdische Ortsbevölkerung mit ca. 25 - 30 Personen ihren Höchststand. Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem wurden drei aus Hasselbach stammende Juden Opfer der NS-Verfolgung (namentliche Nennung der betreffenden Personen siehe: alemannia-judaica.de/hasselbach_friedhof.htm).

Einen Hinweis auf einstiges jüdisches Leben in Hasselbach gibt der sog. „Juden-Pfad“, der nördlich vom Dorf in einen alten Handelsweg einmündet.

 

 

 

Weitere Informationen:

Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Band 1, Societäts-Verlag, Frankfurt/M. 1971, Bd. 1, S. 108/109 (Camberg) und Bd. 2, S. 294/295 (Steinfischbach)

Caspar Hofmann, Die Juden in Camberg im 19. und 20.Jahrhundert, in: Camberg. 700 Jahre Stadtrechte - Beiträge zur Heimatkunde, Hrg. vom Magistrat der Stadt Camberg, Camberg 1981, S. 234 - 242

Eugen Caspary, Judenverfolgung in Camberg, in: Historisches Camberg - Beiträge zur Stadtgeschichte und über das Stadt- und Turmmuseum, Bad Camberg, Heft 12/1988, S. 24 f.

R. Wolf, Zur Genealogie jüdischer Familien im zweiherrischen Amt Camberg, in: "Schriftenreihe des ‘Vereins historisches Camberg’"

Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung 1933 - 1945, Hessen II: Regierungsbezirke Gießen und Kassel, VAS-Verlag, Frankfurt/M. 1996, S. 128

Gerhard Buck, Die jüdischen Steinfischbacher, Hrg. Natur- und Wanderfreunde Steinfischbach, Waldems-Steinfischbach 1999

Bad Camberg, in: alemannia-judaica.de (mit Dokumenten zur jüdischen Ortshistorie)

Steinfischbach, in: alemannia-judaica.de

Hasselbach, in: alemannia-judaica.de (mit Aufn. des jüdischen Friedhofs)

Peter Karl Schmidt, Die Judenschaft von Camberg. 300 Jahre jüdisches Landleben, Bad Camberg 2014

Gertrud Brentgen (Red.), „Nicht warten, bis es wieder brennt“, in: „Frankfurter Neue Presse“ vom 14.2.2014 (betr. Stolpersteine)

Manfred Kunz, Geschichte der Camberger Juden, online abrufbar unter: verein-historisches-camberg.de (2015)

N.N. (Red.), Stolpersteine: Verlegung und Gespräch mit Angehörigen der Opfer, in: „Nassauische Neue Presse“ vom 9.5.2015

Gertrud Brentgen (Red.), „Bad Camberg ist meine Heimat“ - Eröffnung der Alten Jüdischen Schule, in: „Nassauische Neue Presse“ vom 27.5.2015

N.N. (Red.), Cambergs Geschichte hüten - Verein Historisches Camberg will jüdische Schule künftig regelmäßig für Besucher öffnen, in: „Nassauische Neue Presse“ vom 23.5.2017

Verein Historisches Camberg (Hrg.), Die alte jüdische Schule, online abrufbar unter: verein-historisches-camberg.de/arbeitsgruppen/projektgruppe-alte-juedische-schule

Bad Camberg (Hrg.), Stolpersteine in Bad Camberg. Biografien, Schicksale und Hintergründe (Broschüre), PDF-Datei abrufbar unter: bad-camberg.de/fileadmin/Buerger_und_Service/Aus_dem_Rathaus/Stolpersteine_in_BC_Broschüre_2018.pdf (Anm. detailierte biografische Informationen mit historischem Bildlmaterial)

Gundula Stegemann (Red.), Die Schicksale hinter den Stolpersteinen: - Bad Camberg: Broschüre soll an Greueltaten der NS-Zeit erinnern, in: „Frankfurter Neue Presse“ vom 26.6.2020

Alexander Schneider (Red.), Letzte Erinnerungen an Familie Baum – Weilrod. Hasselbach hatte ab 1633 jüdische Bürger, aber nie eine eigene Gemeinde, in: „Usinger Neue Presse“ vom 31.3.2021

Sabine Neugebauer (Red.), Vergessene Orte: Der jüdische Friedhof in Hasselbach, in: „Usinger Anzeiger“ vom 1.10.2021