Großmichel/Michalovce (Slowakei)
Das slowakisch Michalovce (dt. Großmichel, ung. Nagymihaly) liegt im äußersten Osten des Landes und hat derzeit ca. 40.000 Einwohner (Karte aus: commons.wikimedia.org, CCO).
Jüdische Ansiedlung in Großmichel begann in der ersten Hälfte des 18.Jahrhunderts. Alsbald gründete sich hier eine israelitische Gemeinde, die durch die Zuwanderung jüdischer Familien aus umliegenden Dörfern stetig wuchs. Ab den 1880er Jahren erfuhr die Gemeinde dann einen enormen Zuwachs, sodass dieser schließlich mehr als 4.000 Personen angehörten. Denn der Anschluss an das Eisenbahnetz ließ die als Zentrum des agrarischen Umlandes sich entwickelte Stadt wirtschaftlich aufblühen und hatte verstärkt Sogwirkung für Zuwanderer.
Im Jahre 1888 ließ die als orthodox geltende und recht wohlhabende Judenschaft einen Synagogenneubau nahe des Rathauses errichten, der ein älteres, kleineres Gebäude ablöste.
Synagoge in Großmichel/Michalovce (Abb. aus: edwardvictor.com/Michalovce
Synagogengebäude (hist. Postkarte, aus: cas.sk/clanok)
Etwa zeitgleich wurden zudem eine jüdische Elementarschule (Heder) und eine Talmud-Thora-Schule neu eröffnet, die von dem Rabbiner Simeon Ehrenfeld geleitet wurde und bis in die Zeit des Ersten Weltkrieges bestand.
Bereits seit dem ausgehenden 18.Jahrhundert gab es einen jüdischen Friedhof in der sog. Vorstadt.
Juden in Großmichel/Michalovce:
--- 1726 .......................... eine jüdische Familie,
--- 1746 .......................... 8 “ “ n,
--- 1880 ...................... ca. 1.100 Juden,
--- 1900 ...................... ca. 1.500 “ ,
--- 1910 ...................... ca. 2.200 “ (ca. 17% d. Bevölk.),
--- 1930 ...................... ca. 3.400 “ ,
--- 1940 ...................... ca. 4.200 “ (ca. 30% d. Bevölk.),
--- um 1950 ................... ca. 400 “ ,
--- 1967 ...................... ca. 200 “ ,
--- 1975 ......................... sehr wenige.
Angaben aus: The Encyclopedia of Jewish Life before and during the Holocaust (Vol. 2), S. 817
und The Jewish Community of Michalovce, Hrg. Beit Hatfutsot
Die während des Ersten Weltkrieges hier aufgenommenen jüdischen Flüchtlinge aus Galizien (zumeist chassidischen Glaubens) ließen die israelitische Bevölkerungsgruppe weiter anwachsen.
Alsbald galt Michalovce als religiöses Zentrum der Region.
Während die Zuwanderer Jiddisch sprachen, pflegten die etablierten jüdischen Familie Deutsch und Ungarisch als ihre Muttersprache (später dann erst slowakisch).
Im Jahre 1918 war die hiesige Judenschaft von Unruhen betroffen, die hier aber nur geringe Schäden anrichteten.
In der Zwischenkriegszeit konnte die zionistische Bewegung in Großmichel erheblich an Zuspruch gewinnen, vor allem unter der Jugend. Verschiedene Organisationen waren in der Stadt tätig, um Auswanderungswillige in ihrem Bestreben zu unterstützen und Hilfen anzubieten.
Mit der Gründung des slowakischen Nationalstaates fand die antijüdische Gesetzgebung Eingang; dies führte dazu, dass die mehr als 400 jüdischen Eigner von Geschäften/Betrieben behördlicherseits gezwungen worden, diese zu schließen.
Ende März 1942 begann in Großmichel die letzte Phase der Verfolgung: jeweils etwa 100 Frauen und Männer wurden nach Auschwitz-Birkenau bzw. nach Majdanek deportiert. Im Mai des gleichen Jahres erfolgten Massendeportationen von ca. 3.000 Juden in den Distrikt Lublin (zumeist ins Ghetto von Lukow).
Die noch in der Stadt verbliebenen jüdischen Bewohner mussten Mitte Mai 1944 - vor der anrückenden Front - in die West-Slowakei „umsiedeln“.
Nach Ende des Krieges bildete sich die Gemeinde neu, die – zusammen mit Juden der Umgebung - wieder ca. 800 Angehörige erreichte; doch zahlreiche Familien verließen die Stadt/Region bis 1949, um in den neugegründeten Staat Israel auszuwandern. Um 1950 sollen der Gemeinde dann noch ca. 400 bis 500 Personen angehört haben.
Anfang der 1990er Jahre lebten dann nur noch wenige Familien jüdischen Glaubens im Ort.
Mitte der 1970er Jahre wurde das Synagogengebäude auf behördliche Anweisung abgerissen.
Vom ehemaligen jüdischen Friedhof sind heute kaum mehr Spuren zu finden, da außer wenigen steinernen Relikten keine Grabsteine auf dem Areal mehr anzutreffen sind.
Weitere Informationen:
The Encyclopedia of Jewish Life before and during the Holocaust (Vol. 2), New York University Press, Washington Square, New York 2001, S. 817
Maros Borský, Synagogue Architecture in Slovakia towards creating a memorial landscape of lost community, Dissertation (Hochschule für Jüdische Studien in Heidelberg), 2005
The Jewish Community of Michalovce, Hrg. Beit Hatfutsot – The Museum of the jewish people (online abrufbar unter: dbs.bh.org.il/place/michalovce