Erlangen (Bayern)
Mit derzeit ca. 116.000 Einwohnern ist Erlangen heute eine Großstadt im Regierungsbezirk Mittelfranken - ca. 25 Kilometer nördlich von Nürnberg gelegen (Kartenskizzen 'Verlauf des Main', aus: br.de und 'Kreis Erlangen', aus: guide-to-bavaria.com/).
Um die Wende zum 20.Jahrhundert erreichte die Angehörigenzahl der israelitischen Gemeinde Erlangens ihren höchsten Stand.
Die erste urkundliche Erwähnung von Juden in der Stadt Erlangen datiert 1408. Ab Mitte des 15.Jahrhunderts ist dann eine winzige jüdische Gemeinde nachweisbar; dabei handelte es sich um nur wenige Familien, die ihren Lebenserwerb mit Finanzgeldgeschäften - vornehmlich mit Verbindungen zur freien Reichsstadt Nürnberg und dem Hochstift Bamberg – bestritten.
1515 beschloss der markgräfliche Landtag, alle Juden auszuweisen; damit war vermutlich das Ende der Erlanger Judengemeinde besiegelt. Der Jude Samuel Feustel, der 1537 vom Markgrafen Georg dem frommen (1515-1543) ein auf zehn Jahre befristetes Wohnrecht erhalten hatte, war für Jahrhunderte der letzte, der in der Erlanger Altstadt lebte. Jüdisches Leben in der Region blieb fortan auf Erlangens Nachbargemeinden Bruck, Baiersdorf und Büchenbach beschränkt. 1711 bestätigte der Markgrafen Christian Ernst das Niederlassungs- und Gewerbeverbot für Juden. König Maximilian I. erließ das sog. „Judenedikt“, in dem bereits bestehende Ansiedlungen von Juden bestätigt und Zuzüge in die jeweiligen Orten begrenzt zugelassen wurden.
Ansicht Erlangen um 1860 (Abb. aus: wikipedia.org, gemeinfrei)
aus der Zeitschrift "Der Israelit" vom 20.Juni 1860
Die neuzeitliche Geschichte der Erlanger Juden beginnt eigentlich erst im Jahre 1861, als dem ersten Juden erlaubt wurde, sich in Erlangen niederzulassen und hier ein Gewerbe auszuüben. Zehn Jahre später lebten unter der Erlanger Einwohnerschaft von insgesamt 12.500 Menschen ca. 65 Juden. Deren Zahl wuchs durch den wirtschaftlichen Aufschwung Erlangens weiter an; die meisten Juden wanderten aus den umliegenden Landgemeinden zu. 1873 wurde in Erlangen dann offiziell eine israelitische Kultusgemeinde gebildet. Sie hieß lange Jahre „Jüdische Kultusgemeinde Erlangen-Bruck“ und war zunächst mit der größeren jüdischen Gemeinde in Baiersdorf verbunden, die über Synagoge, Mikwe, Friedhof und eine kleine jüdische Schule verfügte; nach dem Tode ihres Rabbiners Kohn (1888) schlossen sich die Baiersdorfer Juden der wohlhabenden Gemeinde in Fürth an.
Gottesdienste in Erlangen wurden von 1873 bis 1878 im Privathaus des Kaufmanns Josef Levin in der Friedrichstraße 6 abgehalten; 1878 richtete man zwei Räume im Obergeschoss des Hauses Dreikönigsstraße 1 dafür ein – je einen Betraum für Männer und für Frauen; diese wurden bis 1937 genutzt; danach dienten kurzzeitig zwei Räume in der Einhornstraße gottesdienstlichen Zwecken.
Als Lehrer für die religiöse Unterweisung der Kinder, als Vorbeter und Schächter war anfänglich Salomon Henle aus Ichenhausen von der Gemeinde angestellt; nach ihm schloss sich eine ganze Reihe von Religionslehrern an.
Stellenausschreibungen der Kultusgemeinde:
aus: "Der Israelit" vom 16.8.1876 - "Allgemeine Zeitung des Judentums" vom 9. Nov. 1880 - "Der Israelit" vom 7. Juni 1923
Der jüdische Friedhof Erlangens - an der Rudelsweiherstraße am Nordhang des Burgberges gelegen - wurde 1891 durch den Rabbiner des Distriktrabbinats Fürth, Jakob Neuburger, eingeweiht; zuvor waren Verstorbene auf dem Baiersdorfer Friedhof begraben worden. Gleichzeitig mit der Einweihung der Begräbnisstätte wurde im Eingangsbereich ein Taharahaus gebaut.
Die Kultusgemeinde Erlangen gehörte von 1921 bis 1925 zum Bezirksrabbinat in Ansbach, danach zum Bezirksrabbinat Fürth.
Juden in Erlangen:
--- 1867 .......................... 54 Juden (ca. 0,5% d. Bevölk.),
--- 1871 .......................... 63 " ,
--- 1880 .......................... 175 “ ,
--- 1890 .......................... 239 “ (ca. 1,5% d. Bevölk.),
--- 1914 .......................... 224 “ ,
--- 1925 .......................... 161 “ ,
--- 1933 .......................... 120 “ ,
--- 1934 (Okt.) ................... 65 “ ,
--- 1937 .......................... 49 “ ,
--- 1938 (Nov.) ................... 44 “ ,
--- 1939 (Mai) .................... 26 “ ,
--- 1941 (Nov.) ................... 7 “ ,
--- 1943 (Okt.) ................... keine.
Angaben aus: Stadtmuseum Erlangen (Hrg.), Juden und Judenpogrom 1938 in Erlangen
Nürnberger Tor in Erlangen und Universitätsstraße (hist. Postkarten, um 1910/1915, aus: wikipedia.org, gemeinfrei)
Die meisten jüdischen Familien in Erlangen lebten vom Groß- und Einzelhandel: Vieh, Leder, Felle, Hopfen und Textilien aller Art.
zwei gewerbliche Anzeigen (1901/1908)
Die Integration der jüdischen Geschäftsleute Erlangens in die gehobene Mittelschicht war weit fortgeschritten, wie öffentliche Auszeichnungen von Erlanger Juden belegen; es gab sogar Ehrenbürgerschaften. Allerdings kam es bereits im Kaiserreich zu antisemitischen "Entgleisungen". Seit den 1920er Jahren war die medizinische Fakultät der Universität Erlangen Hort völkischer Studenten, die gegen ihre jüdischen Kommilitonen hetzten.
Wegen der schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse nach dem Ende des Ersten Weltkrieges verstärkte sich Anfang der 1920er Jahren die Abwanderung; die Jüdische Gemeinde Erlangen verlor innerhalb von knapp 20 Jahren etwa die Hälfte ihrer Mitglieder. Waren es um 1914 noch 224 Personen, gab es Ende 1933 nur noch 117 Juden in Erlangen.
Der aufkeimende Antisemitismus - getragen von der Deutsch-Nationalen Volkspartei und vor allem von der NSDAP - führte auch in Erlangen zu antijüdischen Presseartikeln und Schmierereien an Hauswänden.
Bekanntmachung in der Erlanger Zeitung vom 31.März 1933
Nach der Boykott-Aktion vom 1. April 1933 kam es schon Mitte April 1933 in Erlangen erneut zu einer Großkundgebung, die vom „Kampfausschuss der Aktion wider den deutschen Ungeist“ getragen wurde und mit einem Aufruf zum Verbrennen „jüdisch-marxistischen Schrifttums“ verbunden war. („ .. Heraus mit den jüdisch-marxistischen Gedankengängen aus den volksfremden, pazifistischen Gefühlsduseleien. Auf den Scheiterhaufen mit all diesem Plunder! ..”) Bereits im Sommer 1933 (!) verbot der Erlanger Bürgermeister den Juden, das Röthelheimbad zu betreten; Plakate mit der Aufschrift „Juden ist der Zutritt verboten” machte alle Besucher des Bades auf dieses Verbot aufmerksam. Auch sonst war der Erlanger Stadtrat bemüht, möglichst schnell die antijüdische Politik konsequent umzusetzen. Mitte Oktober 1934 lebten nur noch 65 Juden in Erlangen; die anderen waren in größere Städte verzogen oder bereits emigriert. Aus einem Polizeibericht (Anfang 1935): „ ... Die jüdischen Familien leben in Erlangen sehr zurückgezogen. Sie können hier auch in Anbetracht der kleinen Stadt und dank der guten und aufmerksamen politischen Tätigkeit der NSDAP in Erlangen jüdische Organisationen wohl kaum bilden oder aber unterhalten. ...” Finanziell in Not, schloss sich die kleiner werdende Erlangener Gemeinde der 1935 gegründeten „Winterhilfe“ der Gemeinden des Bezirksrabbinats Fürth an.
Höhepunkt der NS-Judenpolitik waren auch in Erlangen die Novembertage von 1938; am 10.November 1938 gegen 4 Uhr morgens wurden alle jüdischen Bewohner Erlangens aus ihren Häusern geholt und in den Hof des Rathauses geschleppt; dort blieben sie bis zum Abend inhaftiert. „ ... Sämtliche jüdische Einwohner Erlangens wurden in den frühen Morgenstunden des 10.November 1938 aus ihren Häusern geholt, zum Teil auf Lastwagen verladen, und alle im Hof des Rathauses am Marktplatz zusammengetrieben. Sie mußten dort - nach Männern und Frauen mit den Kindern getrennt - stundenlang und ohne Gewißheit über ihr weiteres Schicksal ausharren. Sie wurden dabei von ihren Bewachern, bewaffneten Erlanger Männern in SA-Uniform und in Zivil, mit Revolvern bedroht. Währenddessen wurde der 40 m² große Betsaal in der Einhornstraße 5 zerstört. Die Kultgegenstände wurden aus dem Fenster geworfen und dann gestohlen oder, soweit noch vorhanden, in den Keller des gegenüberliegenden Rathauses gebracht. Zur gleichen Zeit wurden die leerstehenden jüdischen Geschäfte geplündert und demoliert. ..” (aus: Ilse Sponsel, Das Schicksal der Erlanger Juden während der NS-Zeit, S. 20)
Während einige Männer z.T. ins Nürnberger Gefängnis abtransportiert wurden, schaffte man Frauen und Kinder in das Obdachlosenasyl an der Wöhrmühle, von wo sie drei Tage später wieder in ihre z.T. ausgeraubten und zerstörten Wohnungen zurückkehren durften.
Die „Erlanger Neuesten Nachrichten” berichteten am 11.Nov. 1938 wie folgt:
Das Volk straft
Demonstrationen gegen die Juden
... Deshalb kam es auch bei uns in Erlangen in den frühen Morgenstunden des gestrigen Tages zu Demonstrationen gegen das Judentum. Die Erlanger Juden haben es zu spüren bekommen, was es heißt, wenn ein deutscher Mann durch die Mörderhand eines Subjekts aus ihrer Clique gefallen ist. Das Volk war so erregt, daß die in Erlangen wohnhaften Juden von der Polizei in Schutzhaft genommen werden mußten, um sie vor Schlimmeren zu schützen. Die ‘Synagoge’, die den in Erlangen befindlichen Juden gehört, und ein jüdisches Geschäft wurden demoliert. Zu Ausschreitungen ist es bei der ganzen Aktion nicht gekommen.
In der „Reichskristallnacht“ wurde der Betraum an der Einhornstraße geschändet und seine Einrichtung zerstört. Der jüdische Friedhof der Stadt blieb zunächst noch unversehrt, wurde dann aber im Frühjahr 1939 stark verwüstet. Nach Aufhebung des Kündigungsschutzes für Juden im April 1939 mussten alle noch in Erlangen lebenden Juden (ca. 30 Pers.) ihre Wohnungen verlassen; sie wurden in „Judenhäusern“ untergebracht; ihr Besitz wurde „arisiert“. Ein Großteil der Juden Erlangens hatte bis Anfang 1941 seine Heimatstadt verlassen. Ein Teil der wenigen noch verbliebenen jüdischen Bewohner wurde Ende November 1941 in das Lager Langwasser bei Nürnberg verbracht und von dort nach Riga deportiert. Die letzte jüdische Familie musste Erlangen im August 1942 verlassen.
Nach Angaben des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." sind 80 gebürtige bzw. längere Zeit in Erlangen ansässig gewesene jüdische Bürger Opfer der Shoa geworden (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/erlangen_synagoge.htm).
Zudem fielen 27 jüdische Patient/in/en aus der Erlanger Heil- und Pflegeanstalt in den Jahren 1940 bis 1943 der sog. "Euthanasie" zum Opfer - einem Programm des NS-Regimes zur "Vernichtung unwerten Lebens".
Zwölf Beschuldigte aus Erlangen mussten sich wegen ihrer Beteiligung an den Gewalttätigkeiten während des Novemberpogroms im Jahre 1950 vor Gericht verantworten. Die wegen Landfriedens- und Hausfriedensbruch angeklagten Männer mussten keine Haftstrafen antreten.
Ende der 1940er Jahre schien sich wieder eine jüdische Gemeinde in Erlangen zu etablieren; doch auf Grund von Wegzug war eine Neugründung nicht zu realisieren. Die wenigen in der Stadt lebenden Juden schlossen sich der Nürnberger Gemeinde an.
Das Haus, in dem sich der Betraum der jüdischen Gemeinde befand, und der jüdische Friedhof an der Rudelsweiherstraße blieben erhalten; ca. 180 Grabsteine sind heute noch vorhanden. Der Friedhof wird seit 2001 wieder belegt.
Jüdischer Friedhof (Aufn. Ulrich A., 2015 und Aarp., 2010, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0 bzw. 4.0)
Ehem. Taharahaus (Aufn. J.E.Loebe, 2009, aus: wikipedia.org, CCO)
Ein im Jahre 1983 aufgestellter Gedenkstein auf dem Friedhof erinnert an die während der NS-Zeit verfolgten jüdischen Bürger Erlangens; eine hier vom Erlanger Künstler Gerhard Schmidt-Kaler gestaltete Bronzetafel trägt - unter dem Symbol der Menora - die Kurzinschrift:
Unseren jüdischen Mitbürgern 1933 - 1945
Die Stadt Erlangen
Zur Feier der 125-jährigen Wiederkehr der Friedhofsweihe von 1891 wurde 2016 im Eingangsbereich zum Friedhof ein Denkmal aufgestellt, auf dem die Namen der Erlanger NS-Opfer genannt sind.
Bereits 2007 wurden in den Gehwegen der Erlangener Altstadt die ersten 27 sog. „Stolpersteine“ verlegt; weitere folgten, so dass derzeit ca. 60 messingfarbene Steinquader im Gehwegpflaster zu finden sind (Stand 2023); davon erinnern ca. 30 Steine an sog. "Euthanasie"-Opfer.
Hauptstraße (Abb. J. E. Loebe, 2012 aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)
Theaterplatz - Hauptstraße (Aufn. Chr. Michelides, 2019, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)
Seit dem Jahre 2000 verfügte die 1997 neugegründete kleine jüdische Gemeinde wieder über ein Domizil in der Hauptstraße; 2005 zählte sie ca. 300 Personen, die mehrheitlich aus Ländern der ehem. UdSSR stammen. Zwischenzeitlich befand sich ihr Betraum in der Hindenburgstraße im Ortsteil Frauenaurach.
Verbringen der Thorarollen zum neuen Betraum (Aufn. Jüd. KG Erlangen e.V., 2008)
2009 hat die jüdische Gemeinde in der Rathsberger Straße (am Burgplatz) nun eine Bleibe gefunden; nach Umbaumaßnahmen wurde im Juni 2010 das neue Gemeindezentrum unter Teilnahme der Vorsitzenden des Zentralrates der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, und des bayrischen Innenministers, Joachim Herrmann, eingeweiht. Derzeit (2021) sind Bemühungen zu verzeichnen, an anderer Stelle ein neues Gemeindezentrum mit Synagoge ("Haus des jüdischen Lebens") zu schaffen und so "einen sicheren Hafen für die Zukunft" zu haben.
Die Lewin-Poeschke-Anlage In Erlangen erinnert an den von einem Neonazi ermordeten jüdischen Verleger Shlomo Lewin und seine Lebensgefährtin Frida Poeschke.
Seit 1983 erinnert wieder eine Gedenkstele in der Universitätsstraße an den Ehrenbürger der Stadt: den in Bayreuth gebürtigen Universitätsprofessor Dr. Jakob Herz (1816-1871). Ein erstes Denkmal am Holzmarkt - 1875 von der Bürgerschaft errichtet - war von den Nationalsozialisten 1933 zerstört worden. Zu Ehren des wegen seines sozialen Engagements bei der Erlanger Bürgerschaft verehrten Arztes wurde 2000 eine Bronzeplatte am Hugenottenplatz eingelassen.
Gedenkplatte zum Gedächtnis an Jakob Herz (Aufn. M., 2007, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)
Seit 1960 trägt eine Straße in Erlangen die Bezeichnung „Noetherstraße“, die nach Max und Emmy Noether benannt ist. Zudem erhielt 1982 das Südwest-Gymnasium den Namen „Emmy-Noether-Gymnasium“. Die als „Mutter der Algebra“ bezeichnete Emmy Noether (geb. 1882) konnte 1922 als erste Frau in Deutschland sich habilitieren (Universität Göttingen). Wegen ihrer jüdischen Abstammung verlor sie ihre Anstellung; sie emigrierte in die USA; hier verstarb sie 1935 an den Folgen einer Operation
Stadtteil-Karte von Erlangen (Abb. f., 2009, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)
In Bruck - heute Stadtteil Erlangens - gab es ab dem frühen 16.Jahrhundert eine relativ große jüdische Gemeinde, die bis ca. 1870 bestanden hat. Ihren Zenit erreichte die Zahl der Gemeindeangehörigen in der zweiten Hälfte des 18.Jahrhunderts mit nahezu 40 Familien; 1813 waren laut Matrikel 180 jüdische Bewohner verzeichnet; das waren ca. 16% der Gesamtbevölkerung.
Siegel der jüdischen Gemeinde Bruck (Stadtarchiv Erlangen)
Ein erster Betraum stammt aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges; zu Beginn des 18.Jahrhunderts wurde eine neue Synagoge eingerichtet, die später auch von den in Büchenbach lebenden Juden aufgesucht wurde.
Juden in Bruck:
--- 1619 ........................ 6 jüdische Familien,
--- 1763 ........................ 37 “ “ ,
--- 1811 ........................ 184 Juden (ca. 15% d. Bevölk.),
--- 1859 ........................ 108 “ ,
--- 1900 ........................ 2 “ .
Angaben aus: Bruck, in: alemannia-judaica.de
Der gegen Mitte des 19.Jahrhunderts einsetzende Rückgang der jüdischen Dorfbevölkerung und die Schließung der 1708 erbauten Synagoge führten 1873 zur Bildung einer neuen jüdischen Gemeinde in Erlangen; ihre Gründungsmitglieder waren sechs jüdische Familien aus Bruck und sieben aus Erlangen. 1900 lebten nur noch zwei jüdische Bewohner in Bruck, die dann drei Jahre später den ort verließen. Die beiden Gemeindeeinrichtungen: Synagoge und Mikwe sind baulich noch erhalten; das Synagogengebäude dient seit seiner Renovierung 1985 als Kulturdenkmal.
Abraham Sutro, der letzte Landesrabbiner des Münsterlandes, stammte aus Bruck (geb. 1784). Nach dem Besuch der Jeschiwa in Fürth und Prag erhielt er im Alter von 15 Jahren bereits den Ehrentitel eines Rabbi (Chawer); das eigentliche Rabbinerdiplom erhielt Sutro einige Jahre später. Nach mehrjähriger Lehrertätigkeit in Beverungen und Reichensachsen wurde er 1815 als Landrabbiner der jüdischen Gemeinden im Münsterland und in den Grafschaften Mark und Limburg berufen. Seit 1816 hatte er seinen Sitz in Münster; dort verblieb er mehr als 50 Jahre bis zu seinem Tode (1869).
In (Erlangen)-Büchenbach existierte im 18./19.Jahrhundert eine kleine jüdische Kultusgemeinde, die über Synagoge, Schule und Mikwe verfügte. In dem zum Territorium der Dompropstei Bamberg gehörenden Dorf lebten nachweislich seit den 1680er Jahren zwei Juden. Bis ca. 1770 blieb der Zahl der Familien auf sehr wenige reglementiert, danach wuchs sie deutlich an. Anfänglich waren die Juden Büchenbachs der Brucker Gemeinde angegliedert und suchten dort auch Gottesdienste auf; später versammelte man sich in privaten Räumen in Büchenbach. Ab 1812 verfügte man über ein eigenes Gemeindehaus mit Synagoge. Ab 1828 bestand hier eine Religions- und Elementarschule, die aber nur wenige Jahrzehnte überdauerte. Ihre Verstorbenen begrub die Judenschaft auf dem jüdischen Bezirksfriedhof in Zeckern. Um 1820/1830 lebten im Dorfe 13 jüdische Familien; mit ca. 100 Köpfen stellten sie ca. 17% der Gesamtbevölkerung. Etwa 50 Jahre später hatten alle jüdischen Familien Büchenbach verlassen.
Heute erinnert eine Straße in Büchenbach an David Morgenstern, dem wohl bedeutendsten Angehörigen der ehemaligen Gemeinde.
Einer der bekanntesten Söhne der kleinen jüdischen Gemeinde in Büchenbach war der 1814 geborene David Morgenstern. Nach einer Kaufmannsausbildung begann er ein Jura-Studium, das er 1846 mit der Promotion beendete. Wenig später begann in Fürth politisch tätig zu werden. Von 1849 bis 1856 gehörte er als erster jüdischer Abgeordneter dem bayrischen Landtag an. 1863 zählte er zu den Mitbegründern der liberalen Fortschrittspartei in Bayern. Danach trat er in das Unternehmen seines Bruders ein, das er bis zu seinem Tode 1882 führte.
[vgl. Baiersdorf (Bayern)]
In Lonnerstadt – heute eine Ortschaft in der Verbandsgemeinde Höchstadt a.d.Aisch unweit von Uehlfeld – gab es eine kleine Gemeinde (max. zehn Familien), deren Wurzeln im ausgehenden 17.Jahrhundert lagen. Ein Betraum war in einem Privathaus untergebracht; Verstorbene wurden auf dem jüdischen Friedhof in Zeckern beerdigt.
Laut der Matrikelliste von 1822 waren neun jüdische Haushaltsvorstände aufgeführt; deren Lebenserwerb bestritten sie zumeist als Schnittwarenhändler und Hausierer.
In den 1860er Jahren lebten noch ca. 35 Personen mosaischen Glaubens im Ort - Tendenz abnehmend.
Die Gemeinde löste sich um 1905/1910 gänzlich auf; 1909 soll angeblich die letzte jüdische Bewohnerin den Ort verlassen haben.
Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem sind drei aus Lonnerstadt stammende Juden Opfer der Shoa geworden (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/lonnerstadt_juedgeschichte.htm).
Weitere Informationen:
Christian Strohm, Die Israeliten in Bruck, in: "Beiträge zur Geschichte des Marktes Bruck", 1906/1907
Adolf Eckstein, Geschichte der Juden im Markgrafenthum Bayreuth, Bayreuth 1907
Christian Strohm, Die Judenniederlassung in Bruck bei Erlangen, in: "Beiträge zur bayrischen Kirchengeschichte", No.15/1908, S. 98 f.
Leopold David, Geschichte der Israelitischen Kultusgemeinde Erlangen, Erlangen 1931
Ernst G. Deuerlein, Die Juden in Erlangen vor der Gründung der Neustadt, in: "Erlanger Heimatblätter", No.24/1941 und No.25/1942
Stadtmuseum Erlangen (Hrg.), Juden und Judenpogrom 1938 in Erlangen, in: "Veröffentlichungen des Stadtmuseums Erlangen", Heft No. 40
Ilse Sponsel, Drei Lebensbilder - Jüdische Schicksale in unserer Stadt, in: "Das neue Erlangen", No.45/1978, S. 308 f.
Hannelore Letsch, Die Emanzipation der Juden im Erlanger Raum (Zulassungsarbeit), Erlangen 1988
Baruch Z. Ophir/Falk Wiesemann, Die jüdischen Gemeinden in Bayern 1918 - 1945. Geschichte und Zerstörung, Oldenbourg-Verlag, München/Wien 1979, S. 173 - 175
Ilse Sponsel, Das Schicksal der Erlanger Juden während der NS-Zeit, in: Erlanger Materialien 4, Hrg. Stadt Erlangen und Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in Franken e.V., Erlangen 1982, S. 3 ff.
Ilse Sponsel, Jüdische Friedhöfe - Topographie und Brauchtum, in: "Erlanger Bausteine zur fränkischen Heimatforschung", No.30/1983, S. 251 - 260
Ilse Sponsel, Schicksale jüdischer Mitbürger, in: Erlangen im Nationalsozialismus - Ausstellungskatalog des Stadtmuseums Erlangen, 1984
Rolf Steidel/u.a., Erlangen. Geschichte in Geschichten - nicht nur für Jugendliche, Erlangen 1985
Germania Judaica, Band III/1, Tübingen 1987, S. 329/330
Wolfgang Heilig, Ein Denkmalssturz, in: Friedrich Kraft (Hrg.), Kristallnacht in Bayern - Judenpogrom am 9.Nov.1938 - eine Dokumentation, Claudius-Verlag, Ingolstadt 1988, S. 70 f.
Andreas Jakob/Ralf Rossmeissl, Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde von Bruck, in: "Erlanger Bausteine zur fränkischen Heimatforschung", No.36/1988, S. 173 - 196
Ilse Sponsel, “Spuren in Stein” - 100 Jahre Israelitischer Friedhof in Erlangen, in: "Erlanger Materialien 6", Hrg. Stadt Erlangen, Bürgermeister- und Presseamt mit Förderung des Bezirkes Mittelfranken, Erlangen 1991
Ilse Sponsel, Juden und Judenpogrom 1938 in Erlangen, Hrg. Stadtmuseum Erlangen, 1991
Israel Schwierz, Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayern - Eine Dokumentation, Hrg. Bayrische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit, 2.Aufl., München 1992, S. 159 - 161
Michael Trüger, Der jüdische Friedhof in Erlangen, in: "Der Landesverband des Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern", 11. Jg., 72/1997, S. 17
G.Ph. Wolf/W.Tausendpfund, Obrigkeit und jüdische Untertanen in der Fränk. Schweiz, in: Jüdisches Leben in der Fränkischen Schweiz, "Schriftenreihe des Fränkische-Schweiz Vereins", Band 11, Erlangen 1997, S. 123 f.
Ilse Sponsel, Gedenkbuch für die Erlanger Opfer der Schoa, hrg. von der Stadt Erlangen, Erlangen 2001
Gottfried Lindenberg, Neues jüdisches Leben in Erlangen, in: "Korrespondenzblatt" 79 (2001), S. 117 - 121
Ilse Sponsel, Juden in Erlangen, in: Erlanger Stadtlexikon, Erlangen 2002
Ilse Sponsel, „Juden sind hier nicht erwünscht.“ Die Erlanger Juden im Jahr 1933, in: „Erlanger Bausteine zur fränkischen Heimatforschung", No.49/2003, S. 315 – 338
Monika Mennel/Johann Fleischmann, 1880 - 1910: Spuren der Familie Robert und Rosalie Weinberg in Lonnerstadt und Höchstadt, in: "Mesusa 4. Lebensbeschreibungen und Schicksale", 2004, S. 135 - 149
Johann Fleischmann, In nur acht Generationen vom Lonnerstadter Schutzjuden zum König der Niederlande, in: "Mesusa", No. 8/2010, S. 235 - 243
Hans-Peter Süss, Jüdische Archäologie im nördlichen Bayern. Franken und Oberfranken, in: "Arbeiten zur Archäologie Süddeutschlands", Band 25, Büchenbach 2010, S. 56 – 59 (Bruck)
B. Eberhardt/H.-Chr. Haas, Erlangen, in: Mehr als Steine ... Synagogengedenkband Bayern, Band 2, Kunstverlag Josef Fink, Lindenberg/Allgäu 2010, S. 190 - 224
Andreas Jakob (Hrg.), „In der Nacht, in der die Judenaktion stattfand“. Der Pogrom vom 9./10. November 1938 in Erlangen und seine juristische Aufarbeitung nach 1945, Stadt Erlangen, 2011
Klaus Stübiger, Die jüdische Gemeinde in Bruck, online abrufbar unter: klaus-stuebiger.de/autobiografie-online/vorhandene-bausteine/kurzgeschichte-der-jüdischen-gemeinde/ (von 2011)
Erlangen, in: alemannia-judaica.de (mit zahlreichen Dokumentenmaterial zur jüdischen Gemeindehistorie und zu einzelnen Personen)
Bruck, in: alemannia-judaica.de
Büchenbach, in: alemannia-judaica.de
Lonnerstadt, in: alemannia-judaica.de
Auflistung der in Erlangen verlegten Stolpersteine, online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Erlangen
Thomas Senne (Red.), Mit studentischer Hilfe und viel Eigenleistung restauriert die Gemeinde ihr Taharahaus, in: „Jüdische Allgemeine“ vom 14.12.2015
Christof Eberstadt/u.a. (Bearb.), Der Jüdische Friedhof in Erlangen, Hrg. Freundeskreis der Jüdischen Kultusgemeinde Erlangen, 2018 (mit zahlreichen Aufnahmen)
Stefan Mößler-Rademacher (Red.), Erlangen: Fotos dokumentieren Weg in die Shoa, in: „Erlanger Nachrichten“ vom 13.2.2020
Ilse Sponsel (Red.), Rückkehr nach Erlangen in US-Uniform, in: „Erlanger Nachrichten“ vom 9.5.202
Eva Kettler (Red.), Erlanger Autor beleuchtet Terror gegen Juden, in: „Erlanger Nachrichten“ vom 7.11.2020
Ronen Steinke, Terror gegen Juden, 2020
Erlanger Nachrichten (Red. ), Spenden-Kampagne für eine Synagoge in Erlangen, in: nordbayern.de vom 29.6.2021
Inga Pflug (Red.), „Haus des jüdischen Lebens“: Synagoge in Erlangen geplant, in: BR24 vom 13.7.2021
Roland Rosenbauer (Red.), Die Jüdische Kultusgemeinde Erlangen sucht nach einem sicheren Zuhause, in: „Sonntagsblatt“ vom 2.10.2021
Nina Bundels (Red.), Die jüdische Geschichte in Erlangen, in: deinerlangen.de vom 18.10.2021