Euerbach (Unterfranken/Bayern)

  Datei:Euerbach in SW.svgEuerbach ist eine Kommune mit derzeit ca. 3.000 Einwohnern im Landkreis Schweinfurt; gemeinsam mit Obbach und Sömmerdorf bildet Euerbach heute eine Verwaltungsgemeinde (topografische Karte mit Eintrag von Obbach, M. Bemmerl, 2018, aus: wikipedia.org, gemeinfrei  und  Kartenskizze 'Landkreis Schweinfurt', Hagar 2010, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Die Wurzeln einer jüdischen Gemeinde in Euerbach reichen bis in die Mitte des 16.Jahrhunderts zurück; um 1555 ließen sich Juden nach ihrer Vertreibung aus Schweinfurt in Dörfern der Umgebung nieder, so auch in Euerbach. Ihre Aufnahme mussten sie gegen Zahlung eines jährlichen Schutzgeldes an die Grundherrschaft erkaufen.

Zu den gemeindlichen Einrichtungen zählten neben einer Synagoge auch eine Schule, eine Mikwe und ein Beerdigungsgelände. Dieser Friedhof – zwischen Euerbach und Obbach gelegen - diente den jüdischen Gemeinden der gesamten Umgebung als zentraler Begräbnisplatz. Das Gelände war 1672 den Judenschaften von Euerbach, Obbach, Niederwerrnm und Westheim/Saale vom Grundherrn Adam Ulrich von Steinau übereignet worden; so war in einem Vertrag festgelegt: Ich Adam Ulrich von Steinau ... dass ich einer gesambten Judenschaft allhier in Euerbach wie auch deren gesambten zu Niederwerrn, Oppach u. Westheim an der Sahl ... verkauft und erblich zu kauffen gegeben habe ... Geschehen Euerbach, den 31. Juli des 1672. Jahres."  Trotzdem musste an die Dorfherrschaft für jede Bestattung weiterhin eine festgelegte Zahlung geleistet werden: die fällige Gebühr bei einem Begräbnis betrug damals für einen Erwachsenen zwölf 'Batzen', für ein Kind sechs 'Batzen'. Im Laufe des 18. und 19.Jahrhunderts wurde der Friedhof durch Grundstückszukäufe mehrfach erweitert und nahm schließlich eine Fläche von mehr als 8.000 m² ein.   

                                    Stellenangebot für einen Friedhofsverwalter  https://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20256/Euerbach%20Israelit%2025041901.jpg aus: "Der Israelit" vom 25.4.1901

zwei Grabmale von 1735 u. 1757 (aus: Sammlung Harburger) 

Die in Euerbach vorhandene Synagoge ist vermutlich bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts an Privatleute verkauft worden; schon Jahre zuvor suchten die Euerbacher Juden Gottesdienste im Nachbarort Geldersheim auf, da kein Minjan mehr zustande kam.

Die Euerbacher Judengemeinde gehörte zunächst zum Ritterschaftlichen Oberrabbinatsbezirk Würzburg, später bis in die 1840er Jahre zum Rabbinatsbezirk Niederwerrn.

Juden in Euerbach:

    --- um 1800 ..................... 55 Juden,

    --- 1816 ........................ 68   “  (ca. 15% d. Dorfbev.),

    --- 1832 ........................ 70   “  (in 14 Familien),

    --- 1835 ........................ 93   “  ,

    --- 1867 ........................ 28   “  (ca. 6% d. Dorfbev.),

    --- 1880 ........................ 29   “  ,

    --- 1890 ........................ 26   “  ,

    --- 1900 ........................  8   “  ,

    --- 1910 ........................  5   “  ,

    --- 1933 ........................ 13   “  ,

    --- 1939 ........................  4   "  ,

    --- 1942 (Febr.) ................  4   “  ,

             (Juli) ................. keine.

Angaben aus: Auskünfte der Kommunalverwaltung

und                 W.Kraus/H.-Chr. Dittscheid/G. Schneider-Ludorff (Hrg.), Mehr als Steine Synagogengedenkband Bayern, Unterfranken, Teilband III/2.2, S. 1461

 

Wenige Jahre nach der Jahrhundertwende löste sich die Kultusgemeinde auf; in Euerbach lebten dann nur noch einzelne jüdische Familien, die nun der Nachbargemeinde Obbach angeschlossen waren. Die beiden im Besitz der jüdischen Gemeinde befindlichen Gebäude, Synagoge und Schulhaus, gingen alsbald in Privathand über und wurden Jahre später abgerissen.

Im November 1938 zerstörten Angehörige der HJ teilweise das Friedhofsgelände. Im Sommer 1939 wurde der Leichenwagen der Chewra Kaddischa von Obbach und Niederwerrn von „Unbekannten“ vor dem Euerbacher Friedhof verbrannt, vermutlich deshalb, weil die Beerdigungsbruderschaft einen „arischen“ Kutscher (!) beschäftigte.

In einem Monatsbericht des Reg.präsidenten Mainfranken vom 11.8.1939 hieß es: „ ... In der Nacht vom 11. auf 12.7.38 ... wurde der in der Gemeinde Euerbach (Landkreis Schweinfurt) stehende Leichenwagen der jüdischen Kultusgemeinden Obbach und Niederwerrn von bis jetzt unbekannten Tätern verbrannt. ... Der Grund dürfte der sein, daß bis in die jüngste Zeit noch ein arischer Dorfbewohner die jüdischen Leichen nach dem Judenfriedhof gefahren hat. ...” 

Im Jahre 1939 lebten noch vier Jüdinnen in Euerbach; sie wurden 1942 nach Izbica/bei Lublin bzw. nach Theresienstadt deportiert.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." wurden fünf gebürtige Juden Euerbachs Opfer der Shoa (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/euerbach_synagoge.htm).

 

Auf dem in Richtung Obbach liegenden Friedhofsgelände sind heute noch mehr als 1.200 Grabsteine vorhanden, die teilweise beschädigt sind; so waren in der NS-Zeit zahlreiche Grabsteine umgeworfen oder zerschlagen, nach 1945 wieder – so gut es eben ging – wieder aufgestellt worden.

Euerbach Jüdischer Friedhof 011.jpg

Teilansichten des jüdischen Friedhofs in Euerbach (Aufn. T., 2012, aus: wikipedia.org, CC BY 3.0)

 

Auffällige Grabsteine (Aufn. W., 2011, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0)

Wie zahlreiche andere unterfränkische Gemeinden wird sich auch die Kommune Euerbach an der neuen Gedenkstätte „DenkOrt Aumühle“ ("DenkOrt Deportationen 1941-1944") in Würzburg beteiligen.  (vgl. dazu Würzburg)

 

[vgl. Obbach (Bayern)]

 

 

 

In Kützberg - heute zur Kommune Poppenhausen gehörend - waren im 18./19.Jahrhundert nur wenige jüdische Familien ansässig. Bei der Erstellung der Matrikellisten (1817) waren sechs jüdische Haushaltsvorstände verzeichnet, deren Lebenserwerb im Viehhandel/Schmusen bestand. Gottesdienstliche Zusammenkünfte fanden im ‚Bethzimmer‘ in einem Privathaus statt. Verstorbene wurden auf dem israelitischen Friedhof in Euerbach begraben. Im Verlauf des 19.Jahrhunderts verließen die jüdischen Familien das Dorf.

 

 

 

Weitere Informationen:

Baruch Z.Ophir/F. Wiesemann (Hrg.), Die jüdischen Gemeinden in Bayern 1918 - 1945. Geschichte und Zerstörung, Oldenbourg-Verlag, München/Wien 1979, S. 290

Israel Schwierz, Steinerne Zeugen jüdischen Lebens in Bayern. Eine Dokumentation, Hrg. Bayrische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit, München 1992, S. 55

Bernd Schlereth, Das Judentum in Deutschland: am Beispiel Euerbach, Facharbeit in Geschichte am Walther-Rathenau-Gymnasium Schweinfurt, Schweinfurt 1997

Michael Trüger, Der jüdische Friedhof Euerbach, in: "Der Landesverband der Israel. Kultusgemeinden in Bayern", 11.Jg., No. 14/Okt. 1997, S. 22/23

Theodor Harburger, Die Inventarisation jüdischer Kunst- und Kulturdenkmäler in Bayern, Band 2: Adelsdorf - Leutershausen, Hrg. Jüdisches Museum Franken - Fürth & Schnaiitach, Fürth 1998, S. 180/181

Euerbach, in: alemannia-judaica.de

Kützberg, in: alemannia-judaica.de

Dirk Rosenstock (Bearb.), Die unterfränkischen Judenmatrikeln von 1817. Eine namenkundliche und sozialgeschichtliche Quelle, in: "Veröffentlichungen des Stadtarchivs Würzburg", Band 13,Würzburg 2008, S. 246

Silvia Eidel (Red.), Erinnern und nicht vergessen, in: „Main-Post“ vom 19.11.2009 (betr. jüdischer Friedhof Euerbach)

Lothar Mayer, Jüdische Friedhöfe in Unterfranken, Michael Imhof Verlag, Petersberg 2010, S. 52 − 55

Elisabeth Böhrer, Der jüdische Friedhof in Euerbach, in: „Heimatblatt des Heimatvereins Botenlauben Reiterswiesen“, 2016, S. 29/30

Silvia Eidel (Red.), Ein Koffer erinnert an die Deportation, in: "Main-Post" vom 1.7.2018

Uwe Eichler (Red.), Euerbach. Besuch am Euerbacher "Berg der Ruhenden“, in: „Main-Post“ vom 9.11.2020

Gerhard Gronauer/Johannes Sander (Bearb.), Obbach mit Euerbach, in: W.Kraus/H.-Chr. Dittscheid/G. Schneider-Ludorff (Hrg.), Mehr als Steine Synagogengedenkband Bayern, Unterfranken, Teilband III/2.2, Kunstverlag Josef Fink, Lindenberg/Allgäu 2021, S. 1444 - 1465